Das Thema
Frauen verdienen für die gleiche Arbeit 21 Prozent weniger Lohn – so stand es auf Wahlplakaten und steht es ständig in Zeitungskommentaren. Wenn eine Frau für die gleiche Arbeit 21 Prozent weniger Geld bekäme, wäre das in der Tat ein Skandal. Mehr als das: Es wäre heute schon gesetzeswidrig.
Da aber keine massenhaften Klagen zu dem Thema auf Basis des AGG bekannt geworden sind (Einzige mir bekannte Ausnahme ist bemerkenswerterweise eine Redakteurin von Frontal 21 des ZDF – bemerkenswert, weil gerade die öffentlich-rechtlichen Politikmagazine in erster Linie die böse Wirtschaft anprangern. Die Leser hier können mich gerne eines Besseren belehren), stellen sich ketzerische Fragen. Zum Beispiel: Wenn Frauen für die gleiche Arbeit wirklich ein Fünftel weniger Lohn bekommen – warum stellen die Unternehmen dann noch Männer ein? Sind die – in der Diktion der nahestehenden Denkschulen – Firmen, die sonst jede Gelegenheit nutzen, ihren Profit zu maximieren, zu doof, diese Chance zu sehen?
Senkt die Löhne…und die Lücke ist weg!
Wenn es wirklich nur um die Lücke geht, habe ich einen konstruktiven Vorschlag: Senkt die Löhne!
Ja, richtig gelesen. Natürlich nicht überall, aber in der Metall- und Elektro-Industrie. Denn bei M+E arbeiten zu 80 % Männer. Und das durchschnittliche Einkommen in der Branche liegt bei 56.400 Euro im Jahr (!). Wenn wir in der Metallindustrie nun die Löhne um 20 Prozent senken würden, würde der Gender Pay Gap von 21 auf knapp unter 16 % sinken!
Das aber wird nicht einmal Martin Schulz gemeint haben, als er die Behebung des Gender Pay Gaps zur „unverhandelbaren Bedingung“ für eine Regierungsbeteiligung der SPD gemacht. Es zeigt aber, dass die Grundlage dieser Behauptung auf wackeligen Füßen steht.
Zeit, sich die Statistik einmal anzusehen.
Woher kommen die 21 Prozent?
Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt. Es ermittelt den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer und stellt ihn dem Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmerinnen gegenüber. Diese Berechnung ergibt den Unterschied von aktuell 21 Prozent.
Allerdings: Diese Berechnung vergleicht gerade nicht betrieblich vergleichbare Tätigkeiten miteinander. Die politischen Kampagnen verwechseln (wohl bewusst) die gesamtdeutsche volkswirtschaftliche Statistik mit der konkreten Verdienstsituation in jedem einzelnen Betrieb.
Die Betrachtung im Detail durch das statistische Bundesamt zeigt unter anderem:
- Bei bis zu 25-jährigen liegt diese unbereinigte Entgeltlücke bei nur 2 Prozent, erst ab 40 steigt er auf über 20 Prozent.
- In Ostdeutschland liegt der Unterschied bei 7, im Westen bei 24 Prozent.
- Bei Vollzeitbeschäftigten sind es 20, bei geringfügig Beschäftigten nur 1 Prozent.
- Nur sehr geringe Unterschiede gibt es nach Betriebsgrößen oder nach Tarifbindung.
- Betrachtet man die Branchen, schneidet der Wirtschaftszweig „freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen“ mit 32 Prozent Unterschied am schlechtesten ab – und „Verkehr und Lagerei“ mit 3 Prozent am besten.
Tatsächlich erklärt das Statistische Bundesamt selber, dass die „unbereinigten“ Zahlen keine Aussage über die Entlohnung vergleichbarer Arbeit ermöglichen. Deshalb wird die bereinigte Lücke ermittelt: Bei ihr werden vergleichbare Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiographien betrachtet. Dann liegt der Unterschied bei nur noch 6 Prozent.
Skandal genug, sagt die Gleichstellungsindustrie. Allein, selbst zu diesen 6 Prozent sagt das Statistische Bundesamt ausdrücklich: „Ein Maß für Diskriminierung von Frauen stellt der bereinigte Gender Pay Gap allerdings nicht dar. So können einige Merkmale, die eine zusätzliche Erklärungskraft in das Modell einbringen könnten, aufgrund fehlender Daten nicht berücksichtigt werden. Beispiele hierfür wären Erwerbsunterbrechungen zur Kindererziehung oder das individuelle Verhalten in Lohnverhandlungen“.
Forschungen (etwa des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln oder des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts) ergänzen genau diesen Punkt: Insbesondere längere, familienbedingte Auszeiten wirken sich aus. Betrachtet man zum Beispiel Arbeitnehmerinnen, die sich von ihren männlichen Kollegen lediglich in dem Punkt unterscheiden, dass sie eine Babypause von maximal 18 Monaten gemacht haben, schrumpft der Entgeltunterschied auf nur noch 2 Prozent zusammen.
Wenn es denn eine „Teilzeitfalle“ geben sollte, dann liegt sie bei den fehlenden bedarfsorientieren Kinderbetreuungsangeboten, wenn es politischen Handlungsbedarf gibt, so liegt er ebenfalls hier – und nicht zuletzt: wenn es Empörungsbedarf gibt, so liegt er ebenfalls an dieser Stelle.
Zusammengefasst: Von den 21 Prozent entfallen 15 Prozent Unterschied auf das Berufswahlverhalten, weitere 4 Prozent auf familienbedingte Auszeiten. Konsequenterweise hat Gesamtmetall statt des „Equal Pay Days“ den „ehrlichen Equal Pay Day“ ausgerufen – und der fand 2017 am 7. Januar statt.
Frauen entscheiden sich nach wie vor ganz überwiegend gegen technische Berufe. Nur in Ostdeutschland waren auch technische Berufe üblich, dort sind auch beispielsweise die Verfügbarkeit und (nicht zu vergessen!) die gesellschaftliche Akzeptanz von frühzeitiger, ganztägiger Kinderbetreuung eine andere – das mag zu einem guten Teil erklären, warum die unbereinigte Lücke im Osten deutlich kleiner ist als im Westen. Werfen wir einen genaueren Blick auf das Berufswahlverhalten.
Berufswahlverhalten
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wendet sehr viel Aufwand und Geld auf, jungen Mädchen die M+E-Berufe als Alternative schmackhaft zu machen. Dennoch: In der Metall- und Elektro-Industrie liegt der Anteil der Frauen ziemlich konstant bei 20 Prozent, der Anteil an Auszubildenden in den technischen M+E-Berufen bei lediglich 8 Prozent. Trotz aller objektiven Vorteile – kürzere Arbeitszeit, flexible Arbeitszeitmodelle, beste Aufstiegsmöglichkeiten und hoher Verdienst schon ab der Ausbildung– entscheiden sich junge Frauen weiterhin für andere Branchen.
In der Liste der beliebtesten Ausbildungsberufe finden sich bei Männern sieben M+E-Berufe unter den Top 15. Bei Frauen kommt der erste technische M+E-Beruf auf Platz 41! Bei den für die Branche wichtigen Ingenieurstudiengängen lag der Frauenanteil bei Studienanfängern 2016 im Fach Elektrotechnik bei 16,3 %, der beim Maschinenbau 21,2 %.
Wenn man die Berufswahl rausrechnet und die familienbedingten Auszeiten berücksichtigt, bleibt immer noch eine statistische Differenz von 2 Prozent übrig. Forschungen verweisen auf unterschiedlicher Herangehensweise an Gehaltsverhandlungen – dabei zeigt sich nicht nur, dass Männer forscher auftreten, sondern auch, dass Frauen häufiger Sonder-Vereinbarungen aushandeln statt beim Gehalt das maximal mögliche zu verlangen (etwa mehr freie Tage oder einen Anspruch auf bestimmte Arbeitszeiten). Die Tarifverträge – in der M+E-Industrie etwa – sind mit ihren Entgeltgruppen transparent und machen selbstverständlich keinerlei Unterschied nach Geschlecht. Über die Eingruppierung entscheiden dabei sogar die Betriebsräte mit.
Fazit
Nun kann man fragen, ob es gerecht ist, dass eine Arzthelferin weniger verdient als ein Kraftfahrzeugmechaniker – nur soviel: Es hat mit Produktivität zu tun – vor allem damit, was der Kunde hinterher bereit ist, für Produkt oder Dienstleistung zu bezahlen. Aber das ist eine andere Debatte, die hier zu weit führen würde. Aber für die gesuchte Diskriminierung ist die Frage doch eh: Verdient denn ein Arzthelfer mehr als eine Arzthelferin? Diesen Beweis ist die Gleichstellungsindustrie noch schuldig, die 21-Prozent-Statistik beweist das jedenfalls nicht.
Wenn also wirklich etwas bewegt werden soll, müssen die tatsächlich entscheidenden Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Gesellschaft, Eltern, Berufsberater und junge Frauen selber sollten daher sehr viel selbstverständlicher als bisher auf die technischen Berufsfelder schauen. Die Lücke durch Auszeiten wird sich nicht völlig schließen lassen, weil es immer einen Anteil an Beschäftigten geben wird, der Auszeiten nehmen möchte oder der mit Kind nur noch eine Teilzeitstelle haben möchte.
Das dringendste Handlungsfeld der Politik muss aber darin liegen, dass solche Auszeiten ausschließlich freiwillig erfolgen – und nicht mehr erzwungenermaßen, weil es keine verlässlichen und passenden Kinderbetreuungsmöglichketen gibt. Laut IW Köln ist das nicht der Fall: Die Betreuungsquote unter 3-jähriger betrug 29 Prozent (März 2013, Destatis) – der geschätzte Bedarf beträgt laut Deutschem Jugendinstitut aber 39 Prozent.
Keine Gesetzgebung der Welt kann eine Diskriminierung beseitigen, die es so nicht gibt. Die angebliche Entgeltlücke von 21 Prozent bewegt sich hart am Rand der bewussten Irreführung. Und das ist auch deshalb ein Problem, weil es natürlich Diskriminierung gibt – aber das Beharren auf den nachweislich unsinnigen 21 % macht es jedem Kritiker leicht, den gesamten Kampf für Gleichberechtigung zu diskreditieren.
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