Das Thema
Im Rahmen der Digitalisierung haben auch in Deutschland erste Konzerne und Unternehmen im Arbeitsvertragsrecht die elektronische Signatur (Unterschrift per Tablet o.ä.) oder eine (weitgehend) „papierlose“ Personalakte eingeführt. Die Vereinfachung in örtlicher Abwesenheit der bevollmächtigten Person Arbeitsverträge abschließen zu können, Druck- und Papierkosten zu sparen und schneller sowie umweltfreundlicher organisiert zu sein, sind offensichtlich. Von der Digitalisierung ist in den Kernbereichen des Arbeitsrechts jedoch (noch) aus Compliance- und Rechtssicherheitsgründen abzuraten.
Formvorgaben im Arbeitsrecht
Ausgangspunkt für „Formvorgaben“ im Arbeitsrecht sind die § 125 ff. BGB. Nach § 126 BGB muss, soweit gesetzlich vorgeschrieben, die Urkunde, von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden, soweit durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist. Diese Vorgabe bedeutet, dass „auf Papier händisch“ unterschrieben werden muss. Begründet wird dies mit dem im Arbeitsrecht bekannten Warn- und Hinweisfunktionen.
Zwar hat der Gesetzgeber bereits 2001 mit der elektronischen Form nach § 126a BGB (dauerhafte Fixierung von Daten auf einem Datenträger) und der Textform nach § 126b BGB (z.B. eine ausdruckbare Email) neue Formtypen in das BGB aufgenommen; im Arbeitsrecht jedoch nur verhalten hiervon Gebrauch gemacht. Die elektronische Form ist bei wesentlichen arbeitsrechtlichen Regeln ausgeschlossen, z.B. §§ 623 ff. BGB (Beendigungen), § 2 NachwG (Arbeitsvertrag), § 16 I BEEG (Elternzeit), § 14 TzBfG (Befristung), § 1 II TVG (Tarifverträge) und § 77 II BetrVG (Betriebsvereinbarungen).
Die Rechtsfolgen eines Formmangels ergeben sich aus § 125 BGB: Nichtigkeit des Vertrages oder der Erklärung! Im Einzelnen:
Arbeitsvertrag
Der Arbeitsvertrag kann formlos – auch mündlich – geschlossen werden, jedoch hat der Arbeitgeber nach § 2 NachwG spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen. Der „digitale“ Arbeitgeber wird folglich recht schnell „vom Papier“ bzw. dem Unterschriftserfordernis eingeholt, da er nach einem Monat doch die Schriftform nach § 126 I BGB einhalten muss. § 2 I 3 NachwG erweitert diese Verpflichtung auf den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen, wie z.B. Befristungen, Arbeitsort, Tätigkeit, und Höhe des Arbeitsentgeltes – kurzum die Kernregeln des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch für Änderungsverträge. Da der Arbeitsvertrag nicht (direkt) dem Formerfordernis unterfällt, bleibt er trotz Formmangels wirksam. Neben dem eindeutigen Complianceverstoß kann der Arbeitgeber jedoch u.U. nicht wirksam auf einen Tarifvertrag Bezug nehmen. Es besteht folglich das Risiko mit tarifvertraglich bereits verfallenen Lohnforderungen konfrontiert zu werden und diese als Schadensersatz nachzahlen zu müssen (vgl. BAG vom 17.04.2002 – 5 AZR 89/01).
Betriebsvereinbarungen
Betriebsvereinbarungen bedürfen nach § 77 II BetrVG der Schriftform. Mithin ist die Betriebsvereinbarung gem. § 125 BGB nichtig, wenn die Betriebspartner die Formvorgabe nicht beachten. Insbesondere aufgrund des vielfach arbeitsintensiven Weges bis zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung kann hier nur zur Einhaltung der Schriftform nach § 126 BGB geraten werden.
Kündigung und Aufhebungsvertrag
Beendigungen von Arbeitsverhältnissen bedürfen nach § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. Per Fax, Dateien, oder auch unter Nutzung der elektronischen Signatur gemäß § 126a BGB ausgesprochene Kündigungen sind nichtig. Auch hier ist kein Raum für die Einführung der elektronischen Signatur. Das Schriftformerfordernis umfasst auch die Beendigung durch Aufhebungsvertrag (vgl. APS/Greiner BGB § 623 Rn. 30).
Neutralität der Formvorschriften
Sämtliche Formvorschriften gelten natürlich für alle Parteien mit allen situationsabhängigen Vor- und Nachteilen. Durchaus überrascht dürfte z.B. die Rechtsanwaltsfachangestellte in der aktuellen BAG-Entscheidung vom 10.05.2016 (9 AZR 145/15) gewesen sein, die per Telefax Elternzeit beantragt hatte, aber trotzdem gekündigt werden konnte. Die Beantragung der Elternzeit war wegen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis aus § 16 Abs. 1 BEEG, § 126 BGB nichtig.
Fazit
Arbeitgeber, die auch im Arbeitsrecht „digitalisieren“ wollen, sollten vorab klären, für welche Bereiche dies möglich ist und wie risikobereit bzw. „formcompliant“ sie sind. In den Kernbereichen des Arbeitsrechts ist noch von der Verwendung elektronischer Signaturen oder der vollständigen Digitalisierung abzuraten. Die „analoge“ Personalakte kann jedoch auf die Kernbereiche des Arbeitsverhältnisses mit Schriftformerfordernis, z.B. Arbeitsvertrag, Änderungsverträge, Befristungen, etc. reduziert werden.
[Anm. d. Redaktion: Vom “Laster der Schriftform” im Arbeitsrecht weiß auch EFAR-Mitinitiator Alexander Zumkeller in einem Beitrag für Haufe Online zu berichten.]
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