Das Thema
Verstößt ein Redakteur gegen die Anzeigepflicht einer anderweitigen Verwertung von Nachrichten gegenüber dem Verlag, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen (BAG, Urt. v. 15.06.2021 – 9 AZR 413/19).
In die Hüfte gekniffen
Ein Zeitschriftenredakteur hatte an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens in den USA teilgenommen und anschließend darüber berichtet, dass er von einer Unternehmerin auf seine Erklärung, er esse nichts, da er „zu viel Speck über’m Gürtel“ habe, in die Hüfte gekniffen worden sei. Sein Verlag lehnte die Publikation des Vorfalls ab. Gleichwohl veröffentlichte der Redakteur im Rahmen der #MeToo-Debatte einen Artikel mit dem Titel „Ran an den Speck“ in einer anderen Zeitung. Daraufhin mahnte die Zeitschrift den Journalisten mit der Begründung ab, er habe gegen seine tarif- und arbeitsvertraglich vereinbarte Anzeigepflicht verstoßen. Danach bedarf jede anderweitige Verwertung von Nachrichten, die dem Redakteur bei seiner Tätigkeit bekannt geworden sind, der vorherigen Einwilligung des Verlags.
Berufs- und Pressefreiheit nicht beeinträchtigt
Der Redakteur begehrte die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Er scheiterte mit seiner Klage auch letztinstanzlich. Das BAG entschied, dass die Anzeigepflicht dem Verlag grundsätzlich die Prüfung ermöglichen soll, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Eine Abmahnung ist nach dem BAG dann gerechtfertigt, wenn der Redakteur gegen die Anzeigepflicht verstößt. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit sowie die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungs- und Pressefreiheit des Redakteurs sah das Gericht nach einer Abwägung nicht beeinträchtigt.
Konsequenzen für die Praxis
Die Meinungs- und Pressefreiheit angestellter Redakteure kann durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen weitgehend eingeschränkt werden. Presseunternehmen haben nämlich ein berechtigtes Interesse an der vorherigen Anzeige einer Veröffentlichung von Artikeln, um insbesondere die anderweitige Verwertung durch einen Wettbewerber verhindern zu können.
Wie so oft gibt es auch in dieser Entscheidung Berührungspunkte von arbeitsvertraglichen Regeln mit Grundrechten. Und wie in jedem Fall kommt es dabei auf eine sorgfältige Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber an.