Das Thema
In allen Bundesländern fällt der Unterricht bis zum Ende der Osterferien aus. Arbeitsrechtlich besonders drängend ist zunächst die Lösung der kommenden beiden Wochen – für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber gilt es, sachgerechte Lösungen zu finden. Limitierend wirkt hier das Arbeitszeitrecht – hier gilt es, klare Anweisungen zu geben oder auch Risiken in Kauf zu nehmen.
Hat das Unternehmen einen Betriebsrat, stellen sich weitere Fragen. Will der Betriebsrat etwa Betriebsversammlungen abhalten, weil er dringende Themen zu besprechen hat oder anstehende Betriebsratswahlen vorbereiten will, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber ihn hiervon abhalten kann. Das ist nur dann nötig, wenn nicht ohnehin ein (staatliches) Versammlungsverbot gilt, welches dann wohl auch auf Betriebsversammlungen Anwendung findet.
Betriebswirtschaftlich drängt sich für viele kleine und mittelständische Unternehmen aber auch die Frage auf, wie die Personalkosten in Zeiten der Krise gering gehalten werden können – idealerweise nicht zu Lasten der Arbeitnehmer, sondern subventioniert von staatlichen Entschädigungsansprüchen. Das Mittel der Wahl ist hierbei meist zunächst Kurzarbeitergeld.
„Corona-Ferien“: Kein Anspruch auf Arbeitsbefreiung
Die wohl akuteste Frage zuerst: Es besteht trotz Schulschließungen grundsätzlich kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsbefreiung – weder bezahlt noch unbezahlt, und weder mit noch ohne Abmeldung beim Arbeitgeber.
Wer einfach zu Hause bleibt, riskiert eine Abmahnung und – wenn er weiter zu Hause bleibt – auch eine Kündigung. Es gibt kein Recht des Arbeitnehmers, der Arbeit eigenmächtig fernzubleiben. Daran ändert weder die Empfehlung der Kanzlerin, soziale Kontakte zu meiden, noch die Empfehlung Spahns, bei Rückkehr aus Österreich, der Schweiz oder Italien zwei Wochen im Home-Office zu bleiben.
Die sog. „Kind-Krank-Regelung“ ändert daran im Grundsatz nichts. Nach § 616 BGB bleibt der Entgeltanspruch bei kurzfristiger unverschuldeter Verhinderung bestehen. Das bedeutet für die Schulschließung: Bleibt der Arbeitnehmer zu Hause und entschuldigt sich mit Bezug auf die Schulschließung, könnte der Arbeitgeber sein Gehalt um die betreffenden Tage kürzen. Der Arbeitnehmer hätte nur dann einen Anspruch auf Entgelt, wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass er trotz aller Bemühungen keine Unterbringung des Kindes organisieren konnte. Das Risiko liegt also beim Arbeitnehmer. Man kann nachvollziehen, dass sich mancher allein gelassen fühlt.
Aus Sicht des Arbeitnehmers gilt jedenfalls bis auf weiteres: Informieren Sie sich, ob und welche Regelungen Ihr Unternehmen bereits anbietet.
Der Arbeitsminister fordert derzeit Arbeitgeber dazu auf, für die erste Woche von Lohnkürzungen abzusehen. Am Mittwoch ist eine Sitzung der Sozialpartner hierzu geplant: Es dürfte anzunehmen sein, dass der Entschädigungsanspruch für Betriebe nach dem Infektionsschutzgesetz auf die aktuelle Lage erstreckt wird, und es ist zu hoffen, dass das rückwirkend zum 16. März geschieht. (Anm. der Redaktion: Seit wenigen tagen ist bekannt, dass der Gesetzgeber auch an dieser Stelle kurzfristig tätig werden will.)
Viele (meist größere) Unternehmen haben ihren Mitarbeitern Möglichkeiten für die formlose Inanspruchnahme von Homeoffice angeboten, selbstverständlich unter Fortzahlung des Gehalts. In dem kommunizierten Rahmen besteht dann auch ein Anspruch (als sogenannte „Gesamtzusage“), das heißt, Gehalt und Arbeitsplatz sind sicher. Umgekehrt aber gilt dann auch die gleiche Arbeitspflicht wie sonst am Arbeitsplatz. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich bestmöglich zu bemühen, ungestört und konzentriert im geschuldeten Umfang seine Arbeitsleitung zu erbringen. Insbesondere muss er erreichbar sein – sofern das Arbeitszeitgesetz das erlaubt.
Grenzen der Erreichbarkeit: Arbeitszeitgesetz
Auch in der Pandemie gilt das Arbeitszeitgesetz. Damit sind Sonntagsarbeiten nur im Rahmen von § 10 ArbZG erlaubt und es gilt die Ruhezeit von elf Stunden gemäß § 5 Abs. 1 ArbZG.
Was bedeutet das praktisch? Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit im Homeoffice relativ frei einteilen, sofern sie die werktäglich von § 3 ArbZG zugelassenen 8 bzw. 10 Stunden nicht überschreitet. Die Ruhepausen (30 Minuten bei bis zu 9 Stunden Arbeitszeit) dürften im Homeoffice einzuhalten sein. Schwieriger wird es mit der Ruhezeit von 11 Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit: Wird die Arbeit an die Randzeiten des Tages geschoben, also morgens von 6 bis 8, zwischendurch von 10 bis 12 und 15 bis 18 und dann wieder abends von 21 bis Mitternacht, dann sind zwar mit 10 Stunden die Höchstgrenzen nicht erreicht, es wird aber praktisch unmöglich, 11 Stunden Ruhezeit einzubauen. Das ginge nur, wenn die Arbeit um 22 Uhr beendet und nicht vor 9 Uhr morgens aufgenommen würde.
Auch das Verbot der Sonntagsarbeit kollidiert mit praktischer Handhabung: Während viele Arbeitnehmer den Samstag für notwendige Besorgungen, zur Erholung oder für sonstige während der Woche liegengebliebene Dinge nutzen, wird der Sonntag allgemein gern genutzt, um für die Woche vorzuarbeiten. Zulässig ist das nur, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 10 Abs. 1 ArbZG vorliegt. Außerhalb der Not- und Rettungsdienste oder der Lebensmittelversorgung ist das nur selten der Fall. In den Berufen der Dienstleistungsbranche wird man auch nicht von einer „erheblichen Beschädigung der Produktionseinrichtungen“ sprechen können, wenn die Dienste sonst nicht erbracht werden, mögen die Kunden- und Mandanteninteressen und -beziehungen auch verlangen, die Arbeit auszuführen. Es bleibt damit nur noch – aber immerhin – § 14 Abs. 1 ArbZG, der in außergewöhnlichen Fällen Abweichungen erlaubt, besonders, wenn Arbeitsergebnisse zu misslingen drohen. Damit dürften viele Arbeitgeber in gegenwärtigen Zeiten gut gegen ein Bußgeld angehen können, wenn es darum geht, laufende Projekte und Kundenbeziehungen aufrecht zu erhalten, obwohl die Schulen geschlossen haben.
Mehr Sicherheit könnte die Bundesregierung herbeiführen: Sie kann nach § 13 Abs. 1 Ziff. 2 lit. c aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung, durch Rechtsverordnung weitere Ausnahmen zur Sonntagsarbeit zulassen. Von dieser Verordnungsermächtigung sollte die Regierung unverzüglich Gebrauch machen und (etwa) anordnen, dass
„abweichend von § 9 ArbZG sämtliche Tätigkeiten, die in Folge der Beeinträchtigungen der sonst üblichen öffentlichen Ordnung oder betrieblichen Gegebenheiten an Sonntagen zu erbringen sind, zulässig sind. Im Zweifel wird durch diese Verordnung das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht erweitert. § 22 Abs. 1 Nr. 5 ArbZG wird insoweit bis zum Ende der Osterferien nicht zur Anwendung gebracht.“
Corona und Betriebsverfassung
Will der Arbeitgeber Vorschriften erlassen, die das soziale Miteinander im Betrieb betreffen (zum Beispiel Schichtzeiten in der Kantine), die den betrieblichen Arbeitsschutz regeln (zum Beispiel Hygienevorschriften) oder die die Lage der Arbeitszeiten betreffen, löst das regelmäßig Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus. Ein verantwortungsbewusster Betriebsrat wird die Mitbestimmung an dieser Stelle schnell und unkompliziert gestalten und insbesondere die Zustimmung zur vorübergehenden Anordnung von Maßnahmen erteilen – wenn es nicht ohnehin bereits eine „Notfall-Betriebsvereinbarung“ gibt. Lässt sich eine Einigung hingegen nicht erzielen oder ist der Betriebsrat mit einer Anordnung nicht einverstanden, kann das bis zu einer einstweiligen Verfügung führen – wie in Berlin, wo der Betriebsrat mittels einstweiliger Verfügung gegen ein Verbot des Arbeitgebers vorgegangen war, dass die Verkäufer im Duty-Free-Shop Mundschutz und Handschuhe bei der Arbeit tragen (ArbG Berlin, 55 BVGa 2341/20).
In Betrieben mit Betriebsrat stellte sich in den letzten Wochen zum Teil noch die Frage, ob der Arbeitgeber geplante Betriebsversammlungen zur Minderung der Infektionsgefahr untersagen könne oder den Betriebsrat auf digitale Plattformen verweisen könne. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht digitale Versammlungen nicht vor. Zugleich regelt es die Organisation der Betriebsverfassung klar als Aufgabe des Betriebsrats, nicht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat damit nicht die Rechtsmacht, Betriebsversammlungen wegen der mit ihr einhergehenden Infektionsgefahr zu untersagen.
Sofern also tatsächlich auch seit Schließung der Schulen noch an der Durchführung geplanter Betriebsversammlungen festgehalten werden soll, lässt sich das vom Arbeitgeber nicht verhindern. Ein umsichtiger Betriebsrat dürfte aber die Verschiebung der einmal jährlich stattfindenden Betriebsversammlungen auf die Zeit nach Corona ohnehin schon eingeleitet haben.
Kurzarbeit wegen Corona
Gerade in kleinen und mittleren Betrieben wird jedoch aus betriebswirtschaftlichen Gründen darüber nachgedacht, die Personalkosten für die Dauer der Krise durch weitere Notmaßnahmen zu senken. Zu diesem Zweck hat der Bundestag am 13. März 2020 im Eilverfahren das Gesetz zur Reform der Kurzarbeit verabschiedet, das folgende (erleichterte) Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld (gem. § 96 SGB III) vorsieht:
- 10 % der Beschäftigten (auch Leiharbeiter) müssen im jeweiligen Kalendermonat vom Arbeitsausfall betroffen sein – bislang lag die Schwelle bei einem Drittel.
- Die Betriebe können dann Kurzarbeitergeld beantragen. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt dann 60 bzw. 67 % des ausgefallenen Nettolohns und erstattet die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in voller Höhe.
- Auf den bisher vorrangigen Einsatz negativer Arbeitszeitsalden zur Vermeidung von Kurzarbeit wurde verzichtet. Es müssen also nicht mehr Arbeitszeitkonten ins Minus gefahren werden, sondern es kann sogleich Kurzarbeit beantragt werden. Immer noch vorrangig ist allerdings die Gewährung bezahlten Erholungsurlaubs, durch den Arbeitsausfall vermieden werden kann – soweit der Arbeitnehmer keinen anderen Urlaub geplant hat oder wünscht.
Zur Beantragung von Kurzarbeitergeld ist zunächst eine Anzeige über Arbeitsausfall und geplante Dauer bei der zuständigen BfA zu erstatten, gefolgt von einem (nachträglichen) Leistungsantrag auf Gewährung von Kurzarbeitergeld.
Generell gelten hierfür folgende Voraussetzungen:
- Zunächst muss das Einverständnis der Mitarbeiter eingeholt werden, in Betrieben mit Betriebsrat mit diesem eine Betriebsvereinbarung hierzu abgeschlossen werden (welche das Einverständnis des einzelnen Mitarbeiters ersetzt). Da das Kurzarbeitergeld nur 60 % bzw. 67 % des Nettoentgelts beträgt, ist entscheidend hierbei, ob und inwieweit die Differenz vom Unternehmen erstattet wird. Kann kein Einverständnis erreicht werden, kommt auch der Ausspruch einer (betriebsbedingten) Änderungskündigung in Betracht.
- Der Arbeitsausfall muss auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen – es muss also ein nachweislicher Auftragseinbruch, Absage von Veranstaltungen oder anderes in Zusammenhang mit der Corona-Epedemie vorliegen.
- Als unabwendbares Ereignis gilt auch eine behördliche Maßnahme: Wird also eine Betriebsstätte geschlossen (etwa ein Lokal, ein Schwimmbad oder ein Museum), liegen damit für den Zeitraum der Schließung die Voraussetzungen von Kurzarbeitergeld regelmäßig vor.
- Auch die Entscheidung, Mitarbeiter ohne Betriebsschließung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach Hause zu schicken (zur Prävention oder zur Kinderbetreuung), kann einen Antrag auf Kurzarbeit rechtfertigen. Es handelt sich dann um eine „Veränderung der wirtschaftlichen Strukturen, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist“.
- Kein Arbeitsausfall stellt es dar, wenn Mitarbeiter im Homeoffice weiter arbeiten und hierfür ihr Arbeitsentgelt weiter erhalten.
- Der Arbeitsausfall muss unvermeidbar und vorübergehend
- Unvermeidbar ist er, wenn Überstunden bereits abgebaut wurden, andere Tätigkeiten bereits ausgeschöpft wurden und ggf. auch Urlaub gewährt wurde. Wichtig: Der Urlaub muss nicht zwingend bereits gewährt worden sein, er muss lediglich vollständig (einschließlich Resturlaub) verplant sein. Die Mitarbeiter müssen also nicht ihren gesamten Erholungsurlaub nehmen, ehe sie in Kurzarbeit gehen.
- Vorübergehend ist er, wenn zu erwarten ist, dass in absehbarer Zeit wieder normale Verhältnisse einkehren.
- Gekündigte oder durch Arbeitsvertrag aufgehobene Arbeitsverhältnisse sind vom Anspruch auf Kurzarbeitergeld ausgeschlossen.
Der erhebliche Arbeitsausfall ist der zuständigen Agentur für Arbeit unverzüglich (!) – in jedem Fall noch in dem betreffenden Monat – schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Eine Stellungnahme des Betriebsrats ist beizufügen. Die Anzeige muss den erheblichen Arbeitsausfall und die betrieblichen Voraussetzungen glaubhaft machen, also insbesondere
- den Arbeitsausfall in Folge Corona beschreiben und glaubhaft machen, z.B.
„Mehrere für den Bezugszeitraum März 2020 geplante Veranstaltungen sind abgesagt worden. Hierdurch entfällt die Arbeit für die dort geplanten 5 Mitarbeiter (2 Köche, 3 Hilfskräfte).
Glaubhaftmachung:
- Absage der Veranstaltung [Kopie der Absage]
- Einsatzplanung für die Veranstaltung [Kopie der Einsatzplanung]“
- die betrieblichen Voraussetzungen beschreiben und glaubhaft machen, also z.B.:
„Die betrieblichen Voraussetzungen liegen vor. Die fünf betroffenen Arbeitnehmer sind in unserem Betrieb beschäftigt. Insgesamt sind bei uns 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Damit entfallen mehr als 10 % der Arbeit im März 2020
Glaubhaftmachung:
- Vorlage der Arbeitsverträge [Kopie der Arbeitsverträge]
- Vorlage der Gehaltsabrechnungen [Kopie der Gehaltsabrechnungen Februar 2020]“
Wurde Kurzarbeitergeld dem Grunde nach gewährt, muss dieses monatlich nachträglich vom Arbeitgeber bei der BfA beantragt werden. Es handelt sich um einen Erstattungsanspruch, der spätestens in drei Monaten nach Ablauf des Abrechnungsmonats eingegangen sein muss. Die Abrechnungen des Betriebes werden nach Abschluss der Kurzarbeit geprüft – insbesondere darauf, dass das Kurzarbeitergeld (KUG) nur ausgefallene Arbeitsstunden kompensiert.
Die BfA hält hierfür Formulare und auch ein Online-Tool bereit. Allerdings ist sorgsam darauf zu achten, dort weder vorschnell Angaben zu machen, die zur Ablehnung des Antrags führen (können), noch umgekehrt solche, die als Subventionsbetrug bewertet werden können.
Generelle Informationen der Bundesagentur für Arbeit zum Kurzarbeitergeld während der Corona-Lage.