Das Thema
Zum 01.01.2021 ist der Großteil der Vorschriften des „Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz“, kurz „Arbeitsschutzkontrollgesetz“ in Kraft getreten. In den Medien wurde vor allem über die Novellierung der Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft, die einen Schwerpunkt innerhalb dieses Gesetzes bilden, berichtet. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz enthält jedoch auch Gesetzesänderungen, die alle Unternehmen in Deutschland betreffen: das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und spiegelbildlich das Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) werden um Kontrollmechanismen ergänzt, ferner wird der Bußgeldrahmen im ArbSchG, Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) erhöht. Als „Omnibusgesetz“ bringt es eine weitere Erhöhung der Hinzuverdienstgrenze für Rentner.
Durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz – ein Artikelgesetz – werden verschiedene Gesetze geändert. Der Fokus dieses Beitrags richtet sich nicht auf den spezifischen Bereich der Fleischwirtschaft. Die Änderungen, die alle Arbeitgeber der Bundesrepublik jetzt und in den nächsten Jahren betreffen, werden betrachtet.
Das ArbSchG und das SGB VII erhalten Änderungen, die die Kontrolle und Durchsetzung der Regeln des Arbeitsschutzes verbessern und insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den mit der Kontrolle beauftragten Landesbehörden und den Unfallversicherungsträgern fördern und verbessern sollen.
Zur Sicherstellung auch zur Überwachung und Kontrolle der Arbeitsstätte im Homeoffice wird das Grundrecht des Art. 13 Grundgesetz (GG) eingeschränkt. Die Landesbehörden erhalten ein Zutrittsrecht auch zu privaten Arbeitsstätten, wenn auch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen.
Die Höhe möglicher Bußgelder bei Verstößen gegen vollziehbare Anordnungen betreffend den Arbeitsschutz werden auf 30.000 EUR erhöht. Bei Arbeitszeitverstößen aus dem ArbZG und Verstößen gegen das JArbSchG verdoppelt sich mögliche Geldbußen von bisher jeweils 15.000 auf 30.000 EUR- bzw. von 2.500 auf 5.000 EUR.
Versteckt im Arbeitsschutzkontrollgesetz findet sich eine (erneute) Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen für Rentner von jährlich 6.300 auf nunmehr 46.060 EUR für den Zeitraum 01.01.2021 bis zum 31.12.2021.
Die „Mindestbesichtigungsquote“
Nach der ab 01.01.2021 geltenden Neufassung des § 21 ArbSchG sollen die für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden die Überprüfungsdichte der Einhaltung von Arbeitsschutzregelungen in sämtlichen Industriezweigen steigern. Pro Kalenderjahr sollen dabei mindestens 5 % aller Betriebe überprüft werden. Diese „Mindestbesichtigungsquote“ wird für die zuständigen Landesbehörden in dem neu eingefügten Absatz 1a zu § 21 ArbSchG geregelt. Gegenüber der Erfahrung der letzten Jahre bedeutet dies sicherlich eine Steigerung der Kontrollen, auch wenn eine solche Quote dazu führt, dass jeder Betrieb im Durchschnitt nur alle 20 Jahre einmal kontrolliert werden würde. Infolgedessen erlangt der neu eingefügte Satz 3 am Ende des § 21 Abs. 1 ArbSchG weitere Bedeutung: Danach haben die zuständigen Behörden bei der Auswahl von Betrieben Art und Umfang des betrieblichen Gefährdungspotenzials zu berücksichtigen. Damit steht zu erwarten, dass die normalen Bürobetriebe auch in den nächsten Jahren erst einmal nicht im Fokus stehen werden, sondern eben Betriebe, in denen erhebliche Gesundheitsgefährdungen für die Mitarbeiter aufgrund der Art des Betriebes bestehen.
Informationssystem zwischen Behörde und Unfallversicherungsträger
Das duale System des Gesundheitsschutzes, dass in Deutschland besteht, erfährt künftig eine Verzahnung durch ein nunmehr gesetzlich normiertes Informationssystem zwischen den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und den zuständigen Unfallversicherungsträgern. Insofern ordnet § 21 ArbSchG in seinem ab dem 01.01.2023 geltenden neuen Absatz 3a an, dass die für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden an die jeweils für den Betrieb zuständigen Unfallversicherungsträger zu den nach dem 01.01.2023 durchgeführten Betriebsbesichtigungen und deren Ergebnissen im Wege einer elektronischen Datenübertragung verschiedene Informationen zu erteilen haben. Diese beziehen sich auf die erfolgte Kontrolle der Einhaltung der Arbeitsschutzmaßnahmen, also insbesondere der durchgeführten Gefährdungsbeurteilung und der Umsetzung der Arbeitsschutzorganisation. Eine spiegelbildliche Vorschrift findet sich ab dem 01.01.2023 im SGB VII (gesetzliche Unfallversicherung) in dem ab dann geltenden § 20 Abs. 1a SGB VII: Die Unfallversicherungsträger haben an die für die besichtigte Betriebsstätte zuständige Arbeitsschutzbehörde im Wege elektronischer Datenübertragung dieselben Informationen zur Verfügung zu stellen.
Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber
Nutzen mehrerer Arbeitgeber gemeinsam Arbeitsplätze für ihre Beschäftigten, hatten sie bereits bisher bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten (§ 8 ArbSchG). Seit dem 01.01.2021 sind sie zudem verpflichtet, auf Verlangen der zuständigen Behörde das Ergebnis ihrer Abstimmung über die zu treffenden Maßnahmen in schriftlicher Form vorzulegen, so der neu eingefügte Satz 2 in § 22 Abs. 1 ArbSchG.
Überwachung des Arbeitsschutzes im Homeoffice
Eine Einschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) erfolgt für Überprüfungen des Homeoffice-Arbeitsplatzes: Die in § 22 Abs. 2 Satz 1 und 2 ArbSchG genannten Maßnahmen der Überprüfung des Arbeitsschutzes (bspw. Besichtigung, Prüfung von Arbeitsmitteln, Überprüfung der Ursachen eines Arbeitsunfalls) sind auch ohne Einverständnis der Bewohner und Nutzungsberechtigten zulässig, soweit sie zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich sind (so der neue § 22 Abs. 2 Satz 6 ArbSchG).
Änderung des Bußgeldrahmens im ArbSchG, ArbZG, JArbSchG
Ein erhöhter Bußgeldrahmen trifft künftig alle Arbeitgeber bei bestimmten Verstößen gegen das ArbSchG wie auch bei Verstößen gegen die Regelungen des ArbZG bzw. des JArbSchG.
Zuwiderhandlungen gegen eine vollziehbare Anordnung der zuständigen Arbeitsschutzbehörde nach § 22 Abs. 3 ArbSchG können statt mit bis zu 25.000 EUR künftig mit bis zu 30.000 EUR Geldbuße geahndet werden, § 25 Abs. 2 ArbSchG n.F.
Schon bisher bußgeldbewehrte Arbeitszeitverstöße des Katalogs des § 22 Abs. 1 Nummern 1-7, 9 und 10 ArbZG und damit insbesondere Verstöße gegen die tägliche Höchstarbeitszeit, das Nichteinhalten von Ruhepausen sowie das Nichteinhalten von Mindestruhezeiten können künftig zu einer Geldbuße von bis zu 30.000 EUR (Altregelung: 15.000 EUR) führen; ein Verstoß gegen die Pflicht zur Auslage des Arbeitszeitgesetzes bzw. der für den Betrieb geltenden Rechtsverordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zu einer Geldbuße von bis zu 5.000 EUR statt bisher 2.500 EUR (§ 22 Abs. 2 ArbZG n.F.).
Verstöße aus dem Bußgeldkatalog des § 58 JArbSchG können ebenfalls mit einem deutlich erhöhten Bußgeld von bis zu nunmehr 30.000 EUR statt bisher €15.000 EUR geahndet werden, bspw. bei Verstößen gegen die zulässige tägliche Höchstdauer der Beschäftigung von acht Stunden oder der Nichteinhaltung von Ruhepausen. Bei Verstößen gegen den Bußgeldkatalog des § 59 Abs. 1 und 2 JArbSchG (z.B. die nicht ausreichende Unterweisung über Gefahren) erhöht sich der Bußgeldrahmen auf bis zu 5.000 EUR statt bisher 2.500 EUR.
Änderungen der Hinzuverdienstgrenze für Rentner
Versteckt im Arbeitsschutzkontrollgesetz findet sich eine Änderung des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Bereits durch das „Gesetz für den erleichterten Zugang zur Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2“ (Sozialschutzpaket) wurde im März 2020 die Regelung des § 302 Abs. 8 SGB VI eingefügt. Danach wurde für Altersrentner vor Erreichen der Regelaltersrente die Hinzuverdienstgrenze von kalenderjährlich 6.300 EUR für das Kalenderjahr 2020 auf 44.590 EUR angehoben. Die Geltung des Hinzuverdienstdeckels (Begrenzung der Altersrente so, dass maximal bei Addition mit dem Verdienst das höchste Einkommen der letzten 15 Jahre vor Rentenbeginn nicht überschritten wird) wurde für diesen Zeitraum ausgesetzt.
Zur Erläuterung: Ab Erreichen der Regelaltersgrenze besteht keine Hinzuverdienstgrenze mehr und es kann keine Kürzung der Rente aufgrund eines Zuverdienstes mehr erfolgen. Mit der Regelung im Sozialschutzpaket sollten – gerade zur Stärkung der systemrelevanten Bereiche – Altersrentner, die noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht hatten, zur Weiterarbeit bzw. Wiederaufnahme einer Beschäftigung motiviert werden.
Durch Art. 9c des Arbeitsschutzkontrollgesetzes wird die Hinzuverdienstgrenze für das Kalenderjahr 2021 noch einmal angehoben auf nunmehr 46.060 EUR. Der Hinzuverdienstdeckel findet auch weiterhin keine Anwendung.
Fazit
Bereits im Sommer 2020 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt, verschärfte Kontrollen im Arbeitsschutz und insbesondere auch für die Tätigkeit im Homeoffice zu ermöglichen. Die vorliegenden Gesetzesänderungen im Arbeitsschutzgesetz sind eine Umsetzung dieses Ansinnens, auch wenn der Umfang in der Praxis der breiten Masse der Arbeitgeber kaum zu spüren sein wird. Diejenigen Arbeitgeber aber, deren Betriebe ohnehin ein besonderes Gefährdungspotenzial mit sich bringen, dürften künftig verstärkt im Blick der zuständigen Landesbehörden stehen. Die Pandemie hat den oft stiefmütterlich behandelten Arbeitsschutz in den Fokus der Öffentlichkeit und der gesetzgebenden Organe gerückt. Sein Schattendasein wird künftig auch in der behördlichen Praxis zunehmend in den Vordergrund rücken.