Das Thema
Im April dieses Jahres hatten wir uns im Zusammenhang mit den regelmäßigen Betriebsratswahlen an dieser Stelle bereits mit der Beratungspflicht des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber bei der Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG befasst. Die im Anschluss an die regelmäßigen Betriebsratswahlen durchgeführten Freistellungswahlen haben nunmehr gezeigt, dass es auch dann immer wieder zu Problemen bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern kommt, wenn diese Teilzeit begehren oder bereits in Teilzeit arbeiten. Und was gilt es noch bei der Veränderung der Arbeitszeit von freigestellten Betriebsratsmitgliedern zu beachten, etwa mit Blick auf die Möglichkeiten der neu geregelten “Brückenteilzeit”? Hierzu soll nachfolgend ein Überblick dazu, was geht und was nicht geht, gegeben werden.
Grundsätzliches zur (Teil-)Freistellung
Vorbehaltlich anderslautender Kollektivvereinbarungen ist in Betrieben mit in der Regel 200 und mehr Arbeitnehmern gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG mindestens ein Betriebsratsmitglied freizustellen. Sowohl hinsichtlich der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer als auch bezüglich der freizustellenden Betriebsratsmitglieder geht das Gesetz dabei von der Anzahl der Personen aus („Köpfe“). Darauf, ob diese Personen in Voll- oder Teilzeit tätig sind, kommt es hierbei grundsätzlich nicht an.
Allerdings ist vom Gesetzgeber mittlerweile ausdrücklich anerkannt, dass Freistellungen nach § 38 Abs. 1 BetrVG auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen können. Dies umfasst nicht nur die teilweise Freistellung von vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern, sondern auch die (vollumfängliche oder teilweise) Freistellung von teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern. Zu beachten ist lediglich, dass derartige Teilfreistellungen zusammengenommen nicht den Umfang der dem Betriebsrat insgesamt zustehenden Freistellungen gemäß § 38 BetrVG überschreiten.
Im Ergebnis wird daher in der Praxis auch bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern regelmäßig mit „Vollzeitäquivalenten“ (FTE, d. h. „Full Time Equivalents“) gerechnet. (Beispiel: In einem Betrieb mit 950 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern sind nach dem Gesetz drei Betriebsratsmitglieder freizustellen. In der Praxis entspricht dies 3,0 FTE. Es ist damit dem Betriebsrat freigestellt, ob er lediglich drei vollzeitbeschäftigte Mitglieder freistellt, mehrere Teilzeitbeschäftigte oder sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte. Wichtig ist nur, dass die Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder insgesamt nicht die Gesamtzahl von 3,0 FTE überschreitet und der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit eingehalten wird).
Teilfreistellungen: Betriebsrat muss vor Wahl Beschluss fassen
Die Entscheidung darüber, ob, wie viele und in welchem zeitlichen Umfang Teilfreistellungen vorgesehen werden sollen, hat der Betriebsrat vor Durchführung der Wahl der Freizustellenden durch Beschluss zu treffen (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 18.1.2012 – 20 TaBV 1/11). Bei der Ausgestaltung der Freistellungen kommen insoweit in der Regel die gleichen Möglichkeiten in Betracht wie bei „gewöhnlicher“ Teilzeit. Möglich ist damit z. B. eine stunden- oder tageweise Freistellung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten. Zu beachten ist jedoch, dass die Ausgestaltung der Freistellungen vor dem Hintergrund des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) nicht zu einer unzumutbaren Mehrbelastung des Arbeitgebers führen darf. Dies wäre insbesondere bei einer „Atomisierung“ der Freistellungen anzunehmen, sodass eine solche nicht zulässig ist. Hält der Arbeitgeber eine Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er daher innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen.
Veränderung der Arbeitszeit von freigestellten Betriebsratsmitgliedern: Reduzierung
Für die Dauer der Freistellung ist das freigestellte Betriebsratsmitglied nicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung verpflichtet. Vielmehr muss es im Umfang der Freistellung während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehört, anwesend sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereithalten. Für Betriebsratsmitglieder, die vor der Freistellung beispielsweise im Vertriebsaußendienst tätig waren, führt die Freistellung somit zu einer Änderung des Leistungsorts. Des Weiteren sind im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeit die mit dem Amt verbundenen Aufgaben sowie die Belange der Belegschaft und des Betriebs zu berücksichtigen. Insoweit entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, wenn ein Großteil der Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds zu einer Zeit verrichtet wird, in der der wesentliche Teil der Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeber im Betrieb anwesend sind (=betriebsübliche Arbeitszeit). Für ein Betriebsratsmitglied, dass bislang im Schichtdienst tätig war, kann die Freistellung somit auch zu einer Änderung der Lage der Arbeitszeit führen.
Im Übrigen bleiben mit Ausnahme der Arbeitspflicht sämtliche arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten für den Zeitraum der Freistellung aufrechterhalten. Damit haben freigestellte Betriebsratsmitglieder grundsätzlich auch die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu reduzieren.
Die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zählt
Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann mithin nach § 8 Abs. 1 TzBfG verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. Fraglich ist sodann aber, ob der Arbeitgeber ein solches Verlangen unter Hinweis auf das Entgegenstehen betrieblicher Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG ablehnen kann. Führt man sich einmal vor Augen, dass betriebliche Gründe in diesem Sinne insbesondere dann vorliegen, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigen oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würden, dürfte dies auf den ersten Blick jedenfalls bei einem Betriebsratsmitglied, das – ob in Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt – vollumfänglich freigestellt ist, nicht möglich sein. Denn eine (weitere) Reduzierung der Arbeitszeit hat aufgrund der vollumfänglichen Freistellung keine unmittelbaren betrieblichen Auswirkungen.
Eine solche Betrachtung würde aber verkennen, dass für die Frage, ob eine Verringerung der Arbeitszeit möglich ist, nicht auf die Betriebsratstätigkeit, sondern die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung abzustellen ist. Denn auch wenn diese während der Zeit der Freistellung ruht, bleibt sie grundsätzlich bestehen und lebt bei Beendigung der Freistellung unmittelbar wieder auf. Möchte der Arbeitgeber die Arbeitszeitreduzierung ablehnen, ist daher zu prüfen, ob der begehrten Teilzeit betriebliche Gründe entgegenstünden, wenn das freigestellte Betriebsratsmitglied arbeiten würde. Anderenfalls läge eine unzulässige Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 78 S. 2 BetrVG vor. Denn anders als bei allen sonstigen Arbeitnehmern könnte ein Teilzeitverlangen von freigestellten Betriebsratsmitgliedern anderenfalls nicht abgelehnt werden, sodass diese stets die Möglichkeit hätten, in Teilzeit zu wechseln, obwohl dies im Gesetz so nicht vorgesehen ist.
Freigewordene Freistellungsanteile sind “aufzufüllen”
Sprechen keine betrieblichen Gründe gegen ein Teilzeitverlagen und hat das freigestellte Betriebsratsmitglied seine Arbeitszeit reduziert, hat der Betriebsrat in der Folge die freigewordenen Freistellungsanteile wieder „aufzufüllen“. Er hat mithin erneut darüber zu beschließen und eine Wahl durchzuführen.
In den Fällen, in denen ein Betriebsratsmitglied lediglich zum Teil freigestellt ist und beispielsweise zu 50 % seiner Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit erbringt, gilt nichts anderes. Auch insoweit ist allein im Hinblick auf die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu prüfen, ob einer Reduzierung der Arbeitszeit betriebliche Gründe entgegenstehen. Ist dies nicht der Fall, reduziert sich die vertraglich geschuldete Arbeitszeit entsprechend (Beispiel: Ein teilfreigestelltes Betriebsratsmitglied, dass aktuell mit 40 Wochenstunden tätig ist (20 Stunden Arbeitsleistung, 20 Stunden Betriebsratstätigkeit), reduziert seine Arbeitszeit auf 25 Wochenstunden. Dies bedeutet, dass es weiter im Umfang seiner bisherigen Freistellung von 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit und in Höhe von fünf Wochenstunden seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt).
Gilt dies auch bei der neuen Brückenteilzeit?
Die vorgenannten Grundsätze gelten auch dann, wenn ein freigestelltes Betriebsratsmitglied Brückenteilzeit beanspruchen möchte. Nach dem „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit“ vom 19.7.2018, welches am 18.10.2018 vom Bundestag verabschiedet wurde und zum 1.1.2019 in Kraft treten soll, haben Arbeitnehmer das Recht, für einen Zeitraum von einem Jahr bis zu fünf Jahren befristet Teilzeit in Anspruch zu nehmen. Nach Ablauf dieses Zeitraums gilt wieder die Arbeitszeit, die vor der Brückenteilzeit zur Anwendung kam.
Gemäß § 9 a Abs. 2 Satz 1 TzBfG in der dann gültigen Fassung kann ein entsprechendes Verlangen auf Brückenteilzeit – wie das Verlangen nach „gewöhnlicher“ Teilzeit – abgelehnt werden, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Im Hinblick auf die Ablehnung des Teilzeitbegehrens eines freigestellten Betriebsratsmitglieds ergeben sich mithin grundsätzlich keine Unterschiede daraus, ob „gewöhnliche“ Teilzeit oder Brückenteilzeit begehrt wird. In Unternehmen bis zu 200 Arbeitnehmern besteht bei dem Verlangen nach Brückenteilzeit lediglich die darüber hinausgehende Möglichkeit der Ablehnung, wenn bereits mehr Arbeitnehmer Brückenteilzeit in Anspruch nehmen als nach den in § 9 a Abs. 2 Satz 2 TzBfG in der neuen Fassung niedergelegten Schwellenwerten vorgesehen. Bei den Schwellenwerten zählen die freigestellten Betriebsratsmitglieder im Übrigen ebenso mit wie die übrigen Arbeitnehmer.
Veränderung der Arbeitszeit von freigestellten Betriebsratsmitgliedern: Verlängerung
In der Praxis nicht selten anzutreffen ist der Wunsch von teilzeitbeschäftigten, freigestellten Betriebsratsmitgliedern, die Arbeitszeit zu verlängern. Grundsätzlich haben auch solche Betriebsratsmitglieder die Möglichkeit, nach § 9 TzBfG die Verlängerung ihrer Arbeitszeit zu verlangen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.
Die Freistellung eines teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds steht einem Verlangen nach Verlängerung der Arbeitszeit nicht entgegen, da anderenfalls eine unzulässige Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds im Sinne von § 78 S. 2 BetrVG anzunehmen wäre. Nicht zu verhehlen ist an dieser Stelle aber das Risiko, dass teilzeitbeschäftigte, freigestellte Betriebsratsmitglieder nach geglückter Verlängerung der Arbeitszeit nicht selten versuchen, in dem dann erhöhten Arbeitszeitumfang eine Freistellung zu erlangen – etwa, weil ein anderes freigestelltes Betriebsratsmitglied ausgeschieden ist. Hier besteht (leider) reichlich Raum für taktische Vorgehensweisen.
Kein Anspruch des teilzeitbeschäftigten, freigestellten Betriebsratsmitglieds auf Erhöhung seiner Arbeitszeit
Eine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds ist allerdings gemäß § 78 Satz 2 BetrVG ebenso unzulässig wie die Benachteiligung. Fehlt es etwa an einem freien Arbeitsplatz, scheidet ein Anspruch des teilzeitbeschäftigten, freigestellten Betriebsratsmitglieds auf Erhöhung seiner Arbeitszeit aus. Dies gilt auch dann, wenn ein teilzeitbeschäftigtes, freigestelltes Betriebsratsmitglied geltend macht, die Betriebsratstätigkeit nicht im Rahmen seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit zu schaffen.
Wird es dennoch außerhalb seiner vertraglich geschuldeten Arbeitszeit tätig, besteht nach § 37 Abs. 3 BetrVG ein Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts als Ausgleich, sofern die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten (nicht betriebsratsbedingten!) Gründen außerhalb der Arbeitszeit erbracht wurde.
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