Das Thema
Bemerkenswerterweise hat das LAG Köln die verdeckte Detektivüberwachung in diesem Fall nicht nur als datenschutzkonform erachtet. Es betonte darüber hinaus, dass selbst dann, wenn man die Observation als datenschutzwidrig einstufen würde, daraus nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot folgen würde.
Sachverhalt
Vor dem LAG Köln stritten die Arbeitsvertragsparteien über die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung von Detektivkosten. Die Beklagte ist ein Verkehrsunternehmen. Die bei ihr angestellten Fahrausweisprüfer waren auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung verpflichtet, ihre Arbeits- und Pausenzeiten mittels eines Zeiterfassungssystems über eine mobile App zu dokumentieren. Der Kläger war bereits seit Jahren bei dem Unternehmen im Außendienst beschäftigt.
Aufgrund konkreter Hinweise ging die Beklagte dem Verdacht nach, der Mitarbeiter habe seine Arbeitszeiten wiederholt falsch in das Zeiterfassungssystem eingegeben. Sie beauftragte eine Detektei, die den Beschäftigten zunächst an fünf Tagen während seiner vertraglichen Arbeitszeiten observierte, teils auch mit GPS-Sender am Dienstfahrzeug. Als sich hierdurch der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs erhärtete, verlängerte die Arbeitgeberin diese verdeckten Überwachungsmaßnahmen um weitere zwei Wochen. Nach dieser weiteren Überwachung stand für die Beklagte fest: Der Kläger verbrachte fast 26 Stunden mit privaten Betätigungen, darunter zum Beispiel wiederholte Besuche bei einer Bäckerei sowie längere Aufenthalte in der Wohnung seiner Freundin. Diese Zeiten hatte er nicht als Pause, sondern als Arbeitszeit erfasst. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.
Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Er betonte insbesondere, dass die Observierung gegen die DSGVO und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. Deshalb bestehe ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot.
Das ArbG Köln wies dies mit Urteil vom 08.11.2023 (18 Ca 206/23) zurück und sprach der Beklagten zudem auf ihre Widerklage hin einen Schadensersatzanspruch für Detektivkosten i.H.v. über 21.000 EUR zu. Diese Entscheidung bestätigte das LAG Köln (Urt. v. 11.02.2025 – 7 Sa 635/23). Das BAG hat inzwischen die Revision (7 AZN 257/25) gegen das Urteil des LAG Köln verworfen, sodass die Entscheidung nun rechtskräftig ist.
Schwerer Vertrauensbruch als wichtiger Grund
Das LAG Köln bejahte das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 BGB. Der Kläger habe mehrfach in erheblichem Umfang Pausen nicht erfasst und dennoch eine vollständige Vergütung erhalten. Gerade bei einer Tätigkeit im Außendienst, wo die Arbeitszeit nur durch das Zeiterfassungssystem überprüft werden konnte, wiege der Vertrauensbruch besonders schwer.
Das LAG stützte sich dabei ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BAG vom 13.12.2018 (2 AZR 370/18). Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Unternehmen nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, sei hiernach an sich geeignet, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Der Arbeitgeber müsse auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit vertrauen können. Wenn er also dem Mitarbeiter selbst den Nachweis überlasse und dieser wissentlich und vorsätzlich falsche Angaben mache, so stelle dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch und eine erhebliche Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dar.
Observation durch Detektei datenschutzrechtlich zulässig
Der Kläger berief sich maßgeblich darauf, die mit der Dauerbeobachtung durch die Privatdetektive sowie das Anbringen eines Funkpeilsenders an dem von ihm genutzten Dienstfahrzeug durchgeführten Maßnahmen seien rechtswidrig gewesen und die daraus gewonnen Erkenntnisse dürften deshalb nicht verwertet werden.
Dem folgten beide Instanzen nicht. Der mit der verdeckten Überwachung einhergehende Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sei nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG gerechtfertigt. Es habe dokumentierte Verdachtsmomente gegeben, dass der Beschäftigte wegen privater Betätigungen während der Arbeitszeit in strafbarer Weise (Arbeitszeitbetrug, § 263 Abs. 1 StGB) gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoße.
Außerdem sei in diesem konkreten Fall die Observation des Klägers zur Aufdeckung vermuteter Arbeitszeitverstöße im kündigungsrelevanten Umfang erforderlich gewesen. Nur durch eine dauerhafte Beobachtung hätten sich Art und Ausmaß der mutmaßlichen Pflichtverletzung zuverlässig aufklären lassen. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich gewesen. Insbesondere wäre eine vorherige Anhörung des Klägers ungeeignet gewesen, da bei bereits begangenen und auf Heimlichkeit angelegten Betrugshandlungen nicht zu erwarten gewesen wäre, dass er die Vorwürfe spontan einräumt. Zudem hätte eine Anhörung die Aussagekraft einer anschließenden Observation in unzumutbarer Weise schmälern können.
Nicht zuletzt hat die Kammer die Beobachtungsmaßnahmen auch als insgesamt verhältnismäßig eingestuft. Insbesondere die gestufte Vorgehensweise (zunächst fünf Tage Beobachtung, dann Verlängerung um 14 Tage) sei angesichts der anfänglich nicht eindeutigen Ergebnisse nachvollziehbar und angemessen.
Kein automatisches Beweisverwertungsverbot bei Datenschutzverletzung
Bemerkenswerterweise lehnte das LAG Köln in einem obiter dictum selbst für den Fall einer datenschutzrechtlich unzulässigen Überwachungsmaßnahme ein generelles Beweisverwertungsverbot ab.
Es schließt sich damit der Linie des BAG (Urt. v. 29.06.2023 – 2 AZR 297/22) an, welches ein Verwertungsverbot – auch unter der DSGVO – nur dann annimmt, wenn es zwingend geboten ist, dass Vorbringen oder Beweismittel wegen einer durch Unionsrecht oder Art. 2 Abs. 1 i. V. m Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition nicht berücksichtigt werden.
Ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot sei demnach regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn die Verwertung selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen würde, z.B. durch eine ungerechtfertigte Perpetuierung einer Persönlichkeitsverletzung. Nur ausnahmsweise könne aus verfassungsrechtlichen Schutzpflichten eine Pflicht zur Nichtverwertung entstehen, etwa aus Gründen der Generalprävention.
Das Gericht stellte hier fest, dass die Überwachung des Klägers durch Detektive und mittels GPS-Sender zwar in dessen Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife, dieser Eingriff jedoch nur von geringer Intensität sei. So habe er sich auf wenige Tage während der Schichtzeiten im öffentlichen Raum beschränkt und lediglich beobachtbare Vorgänge dokumentiert. Demnach wäre eine Nichtberücksichtigung der erlangten Erkenntnisse – selbst bei unterstellter Rechtswidrigkeit – nicht zwingend geboten gewesen.
Schadensersatz für Detektivkosten
Interessant ist nicht zuletzt, dass das Gericht der Beklagten auch einen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten in Höhe von über 21.000 EUR aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zusprach. Nach dem Urteil des BAG vom 26.09.2013 (8 AZR 1026/12) seien solche Kosten erstattungsfähig, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einen Detektiv beauftragt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Es handele sich dabei nicht um allgemeine, vom Unternehmen zu tragende Vorsorgekosten, sondern um notwendige Aufwendungen zur Aufklärung eines konkreten Tatverdachts. Maßgeblich sei, dass ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber die Maßnahme unter den Umständen des Einzelfalls zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung als erforderlich angesehen hätte.
Das LAG Köln sah diese Voraussetzungen als erfüllt an. Es habe ein begründeter Verdacht bestanden, dass der Kläger während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachging. Ferner hätten die Ermittlungen eine vorsätzliche Pflichtverletzung, welche zur fristlosen Kündigung führte, bestätigt.
Fazit und Folgen für die Praxis
Obwohl das Gericht die Entscheidung ausdrücklich als Einzelfall gekennzeichnet hat, sendet es doch darüber hinausgehende Signalwirkung und bietet wertvolle Orientierung für Unternehmen:
Bei einem dokumentierten Verdacht auf schwerwiegende Pflichtverletzungen dürfen Arbeitgeber zielgerichtete, verhältnismäßige Überwachungsmaßnahmen ergreifen, einschließlich des Einsatzes von Detektiven und technischer Hilfsmittel wie GPS-Tracking. Datenschutzrechtliche Einwände führen nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot; dieses bleibt auf Ausnahmefälle besonders gravierender Persönlichkeitsrechtsverletzungen beschränkt.
Rechtskonforme Überwachungsmaßnahmen können nicht nur eine außerordentliche Kündigung stützen, sondern auch eine Kostenerstattungspflicht des Mitarbeiters auslösen. Somit bedeutet das Urteil eine Stärkung der Möglichkeiten des Arbeitgebers, Pflichtverstöße effektiv aufzudecken. Jedoch ist Vorsicht geboten und rechtliche Beratung empfehlenswert: Unverhältnismäßige und unzureichend dokumentierte Maßnahmen bergen erhebliche Risiken, die von der Unverwertbarkeit der Beweise bis hin zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen nach Art. 82 DSGVO reichen können.
Für Arbeitnehmer gilt: Nachgewiesenes Fehlverhalten lässt sich durch den bloßen Verweis auf Datenschutzrechte nicht entkräften. Wer systematisch gegen arbeitsrechtliche Pflichten verstößt, muss nicht nur mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen, sondern auch mit der Verpflichtung, erhebliche Ermittlungskosten zu tragen.