Beschimpfungen und Schäden
„Arschloch steht umgangssprachlich für den Anus. Das Wort wird hauptsächlich als Schimpfwort gebraucht.“ Diese Erkenntnis verdanken wir Wikipedia. Und dass die Beschimpfung von Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden eine Kündigung rechtfertigen kann, ist wenig überraschend. Aber wie so oft kommt es auf den Einzelfall an.
Ein bei einer Spedition beschäftigter Kraftfahrer hatte den Mitarbeiter einer Liegenschaftsverwaltung mehrfach als „Arschloch“ bezeichnet, nachdem der ihn aufgefordert hatte, die Zufahrt zu einem Gebäude wegen beengter Verhältnisse nicht zu benutzen. Das behauptete jedenfalls der Arbeitgeber des Fahrers. Und nicht nur das. Sein Mitarbeiter sei trotz dieser Aufforderung einfach weitergefahren. Dabei habe er, heißt es im Tatbestand der Entscheidung „Teile einer Deckenverkleidung abgerissen und das Wasserrohr einer Gasleitung und ein Heizungsrohr beschädigt“ – was auch immer das „Wasserrohr einer Gasleitung“ sein mag.
Die Liegenschaftsverwaltung erteilte dem Fahrer wegen dieses Vorfalls ein mehrmonatiges Hausverbot für die betroffene Immobilie. Sein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis wegen der Beschimpfungen außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
Stimmt nicht – oder doch?
So war das aber alles nicht, meinte der Kraftfahrer. Er betonte, dass er die Einfahrt sehr genau kenne, da er das Unternehmen seit Jahren beliefert. Die ihm zur Last gelegten Schäden habe nicht er, sondern einer seiner Kollegen eine Woche zuvor verursacht. Und beleidigt habe er den Mitarbeiter der Liegenschaftsverwaltung auch nicht. Zwischen ihnen habe sich lediglich ein „gereizter Ton“ entwickelt. Dabei sei für ihn gar nicht erkennbar gewesen, dass es sich um einen Beschäftigten der Liegenschaftsverwaltung handle.
Unterstützung erhielt der Arbeitnehmer vom Betriebsrat. Der sah die Kündigung als ungerechtfertigt an, weil der Mitarbeiter schon „mit einem unfreundlichen Ton empfangen worden sei“. Zudem sei „nicht nachvollziehbar, dass die Fahrer mit großen Koffern in ein Haus geschickt würden, welches nur mit kleinen Koffern beliefert werden könne“.
Vor dem ArbG Neumünster (Urt. v. 28.10.2009 – 1 Ca 511 b//09) hatte der Kraftfahrer Erfolg. Das Gericht war zwar überzeugt, dass er den Mitarbeiter der Liegenschaftsverwaltung mehrfach als „Arschloch“ bezeichnet hatte. Das rechtfertige vorliegend aber keine Kündigung. Vielmehr wäre vorrangig eine Abmahnung auszusprechen gewesen. Und so sah das auch das LAG Schleswig-Holstein.
Beschimpfungen ja, aber…
Zwar ging auch das Berufungsgericht davon aus, dass der Fahrer den Mann mehrfach als „Arschloch“ bezeichnet hat. Es vermochte jedoch „nicht mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen, dass der Kläger tatsächlich in voller Schärfe erkannt hat, dass es sich bei dem Zeugen G. um den Vertreter des Liegenschaftsverwalters handelt“. Dass er das vielleicht hätte erkennen können, sei unerheblich. Es mache „einen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer in voller Kenntnis der Rolle der betreffenden Person diese beleidigt oder ob er sich auf eine Auseinandersetzung mit einer Person einlässt, von der er nicht mit Sicherheit weiß, dass es sich um den Vertreter eines Kunden oder einer sonstigen Person handelt, mit der sein Arbeitgeber in einer Geschäftsbeziehung steht.“
Das Gericht wies auch auf Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte hin. Dazu gehört ein Urteil des LAG Düsseldorf vom 10.8.2008 (12 Sa 1190/08). Das Gericht hatte den von einem Arbeitnehmer gegenüber einem Vorgesetzten geäußerten Satz „Beweg doch selber Deinen Arsch, Du bist auch ein faules Schwein“ als „ein erst- und einmaliges Augenblicksversagen“ klassifiziert. Eine Kündigung rechtfertige das nicht. Vielmehr sei nach „Lage der Dinge“ eine „Abmahnung die angemessene und ausreichende Reaktion“.
In der darüber hinaus angeführten Entscheidung des LAG Hamm (Urt. v. 24.7.2008 – 8 Sa 632/08) hat ein Arbeitnehmer seinen Vorgesetzten als „Rassistenarschloch“ bezeichnet. „Trotz der Schwere der Pflichtverletzung“ war nach Meinung des Gerichts „die Erteilung einer Abmahnung ausreichend, um zum einen – im Verhältnis zum Kläger – einer Wiederholung derartiger Pflichtverletzungen mit Nachdruck entgegenzuwirken und zum anderen – im Verhältnis zur Betriebsöffentlichkeit – zu verdeutlichen, dass die Beklagte ein derartiges Verhalten nicht toleriert“.
Mehrfach bleibt Einzelfall
Diese Entscheidungen bestätigen, wie das LAG Schleswig-Holstein ausführt, „dass es keinen absoluten fristlosen Kündigungsgrund gibt im Falle einer Beleidigung einer Person als ‚faules Schwein‘ oder ‚Arschloch‘“. Und es betonte: „Der Einzelfall entscheidet.“ Zwar nicht über sich selbst – aber so war es wohl auch nicht gemeint.
Das norddeutsche Gericht führte aus, dass es „auch ein einmalig zu beurteilender Sachverhalt“ bleibt, „obwohl der Kläger den Zeugen nach dessen glaubhafter Bekundung mehrfach als Arschloch tituliert hat“. Und auch, dass die Liegenschaftsverwaltung dem Fahrer ein Hausverbot erteilte, könne die Kündigung nicht rechtfertigen. Denn es sei „nicht erkennbar, dass die Beklagte als große Spedition den Kläger nicht anderweitig einsetzen kann“.
Womit der Kraftfahrer auch künftig seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber nachgehen kann. Hoffentlich etwas freundlicher. Schließlich steht in einer Anlage zu seinem Arbeitsvertrag unter „besondere Aufgaben des Fahrers“ nicht nur, dass das Unternehmen „besonderen Wert“ auf ein „sauberes gepflegtes Auftreten der Fahrer“ legt, sondern auch auf eine „eine freundliche Kundenbedienung“.
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