Ja, das gibt es: die AÜG-Reform trat bekanntlich zum 1. April in Kraft und viele Unternehmensarbeitsrechtler beklagen sich in diesem Zusammenhang über zu wenig Arbeit. Wie kann das sein? Was ist gemeint?
Die inhaltlichen Änderungen sind klar: ein Seminar dazu jagte in den letzten Monaten das Nächste; die Publikationsmaschine der einschlägigen Fachzeitschriften hat das Thema inzwischen abgearbeitet. Bei der Diskussion der Handlungserfordernisse infolge der gesetzlichen Neuregelungen mache ich immer öfter die Erfahrung, dass HR und/oder Arbeitsrecht gar nicht oder erst ganz am Ende eben dieser innerbetrieblichen Diskussionen einbezogen wird, wenn es (aktuell) darum geht, die betrieblichen Prozesse an die AÜG-Reform anzupassen. Es gibt Fälle, dort sitzt und saß noch kein einziger Arbeitsrechtler* mit am Tisch, wenn es darum geht, die neuen gesetzlichen Anforderungen (eigentlich seit April!) rechtssicher umzusetzen.
Warum werden Arbeitsrechtler nicht beteiligt?
Vielleicht werden arbeitsrechtliche Kompetenzen nicht beteiligt, weil Leiharbeit/-nehmer kostenmäßig häufig unter Sachkosten fallen. Oder weil Fachabteilungen, wie insbesondere der Einkauf, ab und an unterstützt von der Rechtsabteilung für die Entleihverträge, das Thema “subcontracting” bearbeiten. Das wäre noch ein positiver Grund. Manchmal ist allerdings auch zu hören, dass gerade Arbeitsrechtler als Verwalter oder gar Bremser und Bedenkenträger verstanden werden – nur weil Sie (auch hier) die neuen gesetzlichen Anforderungen eingehalten wissen wollen (?). Kurze Info an die Kolleginnen und Kollegen von Einkauf/Compliance: Das sind übrigens die gleichen Kolleginnen und Kollegen, die dann „später“ die Kohlen aus dem Feuer holen müssen, wenn’s schief läuft!
Und wenn es ganz schlecht läuft, haben die Unternehmen Systemanbieter und Verleiher, die selbst noch gar nicht auf die Prozesse eingestellt sind – da hapert es oft schon am schriftlichen Vertrag oder der Implementierung elektronischer Unterschriften nach dem Signaturgesetz.
Vorschläge liegen auf dem Tisch
Nun kommt der Unternehmensarbeitsrechtler mit Checklisten, Ampelsystemen – ob online basiert oder papierbezogen – nach denen abgecheckt werden könnte (Schriftlichkeit, Vertrag VOR Einsatz, Dokumentation etc …). Auch weitere Vorschläge machen die Runde, etwa dem Aufbau einer eigenen Einheit für das „subcontracting“. Ebenso wichtig: Systeme und Prozesse für das Monitoring (Höchstüberlassungsdauer, Erreichen der EqualPay-Grenze etc.). All das ist nicht negativ gemeint, sondern soll Hilfe sein, auch und insbesondere für eigenständig handelnde Einkäufer und mit Blick auf „compliant sein“.
Aber nein. Vielleicht sind es Besitzstände, Ängste vor Machtverlust bei der „Auftragsvergabe an Externe“ oder einfach auch nur die Angst, der ein oder andere „Freie“, der ja schon seit Jahren zuliefert, möglicherweise gar ausschließlich nur für das eigene Unternehmen (!), könnte genervt reagieren, wenn gewisse (neue) Anforderungen an die Vertragsgestaltung und -umsetzung seitens der Unternehmen formuliert werden.
Wofür Arbeitsrechtler nicht stehen
Komisch: vielerorts will geholfen werden, der/die Arbeitsrechtler darf aber nicht. Ist ja nicht so, dass die Arbeitsrechtler zu wenig zu tun hätten: Entgelttransparenzgesetz, die Neuregelungen im Beschäftigtendatenschutz, anstehende Betriebsratswahlen uvm. sorgen schon für einen stetigen und wachsenden „work flow“. Aber sehenden Auges – manchmal aber auch mit fest geschlossenen Augen – die Anforderungen eines neuen Gesetzes nicht ausreichend umsetzen zu wollen: dafür steht wohl kaum ein Unternehmensarbeitsrechtler! Es gibt nämlich tatsächlich ausreichend Kolleginnen und Kollegen die Arbeitsrecht gerne machen! Vielleicht auch wegen der ständigen Herausforderung, die hohe Bedeutung der arbeitsrechtlichen Kompetenz in den Unternehmen immer wieder zu äußern und – wie am konkreten Fall der AÜG-Reform – unter Beweis zu stellen.
*Kolleginnen und Kollegen