Das Thema
Das im Jahr 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntgTranspG) soll das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen. Für die Erreichung dieses Ziels sieht es – bei Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten – folgende Bausteine vor:
- einen individuellen Auskunftsanspruch für Beschäftige,
- die Aufforderung von Arbeitgebern zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren
- sowie eine Berichtspflicht zu Gleichstellung und Entgeltgleichheit.
In der Praxis hat vor allem der Auskunftsanspruch zahlreiche Fragen aufgeworfen, von denen nun einige durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) beantwortet wurden (BAG v. 25.06.2020 – 8 AZR 145/19).
So hat der Achte Senat nicht nur Klarheit im Hinblick auf den anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem EntgTranspG geschaffen und insoweit entschieden, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 EntgTranspG – entgegen des vermeintlich eindeutigen Wortlauts – auch arbeitnehmerähnliche Personen erfasst. Auch wichtige Fragen zum richtigen Adressaten und zum Inhalt des Auskunftsanspruchs gem. § 10 EntgTranspG wurden geklärt.
Und: Muss das in vielen Unternehmen gefundene Prozedere zum Umgang mit Auskunftsverlangen – welche allerdings (noch) überschaubar sind – aktualisiert werden?
Der “ZDF-Fall” und seine Folgen
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin, die bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt als Redakteurin tätig ist, wiederholt versucht, einvernehmlich durch Gespräche mit der Beklagten ein geschlechtsneutrales Honorar zu erzielen. Immerhin machte Sie nicht weniger als 70.000 Euro Gehaltseinbußen geltend.
Nachdem all diese Versuche – auch vor Gericht – erfolglos geblieben waren, machte sie im Wege der Stufenklage gerichtlich Auskunft über die monatliche Vergütung namentlich benannter männlicher Kollegen sowie – nach Maßgabe der Auskunft – die Zahlung eines gleichen Entgelts und einen Entschädigungsanspruch geltend.
Sowohl das Arbeitsgericht Berlin als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg wiesen die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche jedoch ab. Zur Begründung für die Ablehnung des Auskunftsanspruchs führte das LAG Berlin-Brandenburg insoweit aus, dass die Klägerin als „feste Freie“, also arbeitnehmerähnliche Beschäftigte, nicht von § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG erfasst sei, da sich dieser auf „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ beziehe.
Zwar bestehe für arbeitnehmerähnliche Personen die Möglichkeit eines Schadensersatz- und Entschädigungsanspruches nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Ein Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG bestehe jedoch nicht.
Alles richtig gemacht: BAG bejaht Auskunftsanspruch
Die hiergegen eingelegte Revision beim BAG hatte Erfolg. Nach den Feststellungen des Achten Senats – der Volltext der Entscheidung wurde Mitte November 2020 infolge einer ersten Pressemitteilung am 25. Juni 2020 veröffentlicht – hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft nach §§ 10 Abs. 1 und 2 i. V. m. 11 Abs. 1 und 2 sowie 12 Abs. 1 EntgTranspG. Auch die Auswahl des Adressaten sowie der Umfang des geltend gemachten Anspruchs seien nicht zu beanstanden.
Dem BAG zufolge sei die Klägerin in ihrer Funktion als freie Mitarbeiterin richtigerweise ebenfalls als „Arbeitnehmerin“ im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG zu qualifizieren. Der im Gesetz verwendete Arbeitnehmerbegriff sei unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/54/EG und damit weit auszulegen. Die von der Berufungsinstanz vorgenommene Auslegung nach rein nationalem (deutschem) Recht sei nur dann zulässig, wenn die insoweit zwingende Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie bereits unabhängig vom EntgTranspG erfolgt wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Weder im AGG noch in anderen Normen seien Bestimmungen enthalten, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Gleichbehandlungsrichtlinie gerichtet seien. Ausgehend hiervon könnten demgemäß auch freie Mitarbeiter Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sein, sofern die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs erfüllt seien. Entscheidend sei insoweit die vergütete, weisungsgebundene Arbeit in einem bestimmten Zeitraum für eine andere Person, für die als Gegenleistung eine Vergütung gewährt werde. Dies sei vorliegend anzunehmen.
Unternehmensinterne Prozesse für Adressierung des Auskunftsanspruches sind irrelevant
Unerheblich sei, ob die Klägerin das Auskunftsbegehren an den im Gesetz vorgesehenen richtigen Adressaten im Sinne des § 14 EntgTranspG gerichtet habe. Ziel des in den §§ 14 bis 16 EntgTranspG geregelten Verfahrens sei nämlich, eine Kooperation zwischen den einzelnen im Gesetz benannten Adressaten herzustellen. Die Aufgabenverteilung diene insoweit lediglich der Sicherstellung der Gremienbefugnisse und -pflichten, die jedoch durch die unbedingte verpflichtende Informationsweitergabe unter den beteiligten Akteuren in jedem Fall gewahrt seien, und zwar auch dann, wenn das Auskunftsverlangen vermeintlich falsch adressiert sei.
Es sei daher zulässig, dass sich der Beschäftigte – trotz erteilter Information über den zuständigen Adressaten – entweder an den Arbeitgeber oder an den Betriebs- bzw. Personalrat wende.
Inhalt des Auskunftsanspruches: Was ist konkret zu berechnen und mitzuteilen?
Schließlich hat das BAG im Hinblick auf den Inhalt des Auskunftsanspruchs festgestellt, dass dieser gem. § 10 Abs. 1 S. 3 EntgTranspG das durchschnittliche Bruttoentgelt nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG und bis zu zwei weitere Entgeltbestandteile umfasst. So beziehe sich der Auskunftsanspruch auf das gesamte Bruttoeinkommen inklusive aller Vergütungsbestandteile, „die unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden“. Für Sachleistungen sei insoweit der entsprechende finanzielle Wert bei der Berechnung anzusetzen.
Überdies sei es im Rahmen der Auskunftserteilung zu zwei weiteren Entgeltbestandteilen nicht verpflichtend, lediglich einzelne Entgeltbestandteile zu benennen. Vielmehr sei eine Gruppenbildung vergleichbarer Entgeltbestandteile möglich. Die von der Klägerin verlangte Auskunft zu „Zulagen mit Bezug zur Tätigkeit“ und „Zulagen ohne Bezug zur Tätigkeit“ sei insofern zulässig.
Erfreulich: Bestehende Unklarheiten wurden ausgeräumt
Die vom BAG durch die Entscheidung geschaffene Klärung einiger seit in Kraft treten des EntgTranspG bestehender Unsicherheiten ist erfreulich.
Ob das vom BAG vertretene weite Verständnis des Arbeitnehmerbegriffs, das sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzeshistorie ergibt, durch die Vermeidung europarechtlicher Sanktionen gerechtfertigt sein kann, bleibt allerdings fraglich. Dennoch ist weite Auslegung der Norm letztlich nachvollziehbar, da dem BAG zufolge jedenfalls anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber zumindest unbewusst die Richtlinie europarechtskonform umsetzen wollte. Das Ziel der Richtlinie wird durch eine entsprechende Rechtsanwendung in der Praxis auch unproblematisch umgesetzt, sodass die Auffassung des BAG aus diesem Blickwinkel auch rechtlich konsequent ist.
Schaffen Klarstellungen Entgelttransparenz?
Auch wenn sich über die Begründung im Einzelnen streiten lässt, schaffen die nunmehr seitens des BAG getroffenen Klarstellungen zum Auskunftsanspruch für alle Beteiligten ein weiteres Stück Klarheit bei der Anwendung des EntgTranspG. Ob hierdurch jedoch auch die praktische Relevanz erhöht wird, ist zweifelhaft.
So machen ausweislich einer Stellungnahme des Deutschen JuristInnenbundes (djb) aus dem Jahr 2019 lediglich 0,15 Prozent der anspruchsberechtigten Beschäftigten überhaupt den Anspruch geltend. Grund hierfür sind die fehlenden Rechtsfolgen im Falle einer Ungleichbehandlung.
Schließlich kann eine Auskunft mit dem Ergebnis, dass der Anspruchsteller oder die Anspruchstellerin weniger als das Durchschnittsgehalt der Vergleichsgruppe – gemessen an dem statistischen Median – erhält, lediglich Ansprüche nach dem AGG auslösen. Das EntgTranspG selbst sieht für solche Fälle keine Sanktionen vor.
Im Rahmen der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem AGG ist der Beschäftigte für das Vorliegen einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung sodann wiederum darlegungsbelastet. Einem Gehaltsunterschied kommt nach aktueller Rechtsprechung keine Indizwirkung zu, die zu einer Beweiserleichterung gemäß § 22 AGG führen würde.
Im Hinblick auf die Anzahl an Auskunftsansprüchen hat die Entscheidung des BAG vom 25.06.2020 daher im Zweifel nur geringe Auswirkungen. Dies wird sich vermutlich erst ändern, wenn etwa einem höheren Median eine Indizwirkung für eine Ungleichbehandlung zugesprochen wird. Auch bleibt abzuwarten, welchen nächsten Schritt die Klägerin infolge des erfolgreichen Auskunftsbegehrens nun unternimmt, welches teilweise jedoch noch durch das vorabentscheidende LAG erneut geprüft werden muss.