Das Thema
Spätestens seit den vielbeachteten Ermittlungen rund um die Betriebsratsvergütung bei Volkswagen sind Unternehmen bei dem Thema sensibilisiert – teilweise sogar übervorsichtig. In zahlreichen Unternehmen kam es zur Überprüfung und vorsorglichen Vergütungsreduzierungen zur Vermeidung etwaiger Strafbarkeitsrisiken. Das BAG (Urt. v. 20.03.2025 – 7 AZR 46/24) hat nun klargestellt, dass – anders als bis dahin vielfach angenommen – Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast tragen, wenn sie zuvor gewährte Vergütungsanpassungen für Betriebsratsmitglieder rückgängig machen möchten. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis und unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und transparenten Vergütungsgestaltung für Mitglieder des Gremiums.
Der Sachverhalt
Im Zentrum des Verfahrens stand ein seit dem Jahr 2002 freigestelltes Betriebsratsmitglied der Volkswagen AG. Vor seiner Freistellung war das Mitglied als Anlagenführer in der Entgeltstufe 13 eingruppiert. In den folgenden Jahren wurde seine Vergütung mehrfach angepasst, zuletzt auf die Entgeltstufe 20, basierend auf der betriebsüblichen Entwicklung der vergleichbaren Arbeitnehmer gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG.
Als Reaktion auf die Entscheidung des BGH im Januar 2023 überprüfte Volkswagen sodann die Vergütung seiner Betriebsräte und kam zu dem Ergebnis, dass eine Eingruppierung des Mitglieds in die Entgeltstufe 18 zutreffend sei. Dementsprechend forderte Volkswagen die Vergütungsdifferenz zwischen den Entgeltstufen zurück und gruppierte das Betriebsratsmitglied entsprechend herab.
Mit seiner Klage verlangt das Betriebsratsmitglied die Zahlung der Vergütungsdifferenz nach der Herabgruppierung, den zurückgezahlten Betrag sowie die Feststellung, dass die im Jahr 2015 vorgenommene Eingruppierung in die Entgeltstufe 20 korrekt war und das Arbeitsverhältnis entsprechend durchzuführen ist.
Die Entscheidung
Die Vorinstanzen gaben der Klage im Wesentlichen statt. Die vom Betriebsratsmitglied verlangte Eingruppierung ergäbe sich zwar nicht aus der betriebsüblichen Entwicklung der Vergleichspersonen nach § 37 Abs. 4 BetrVG; das Betriebsratsmitglied habe aber eine die Eingruppierung rechtfertigende hypothetische Karriereentwicklung nach § 78 Satz 2 BetrVG dargelegt, die vom Arbeitgeber nicht hinreichend bestritten wurde.
Das BAG hob das Urteil des LAG Niedersachsen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Das LAG sei bisher davon ausgegangen, das Betriebsratsmitglied müsse die Voraussetzungen für die begehrte Vergütungserhöhung darlegen und beweisen, was grundsätzlich auch richtig sei. Etwas anderes gilt dem BAG zufolge aber, wenn der Arbeitgeber selbst die Vergütung unter Berücksichtigung der Entwicklung der Vergleichspersonen ermittelt, das Ergebnis dem Betriebsratsmitglied mitteilt und die Vergütung im Nachhinein anpasst. In diesem Fall müsse der Arbeitgeber darlegen und beweisen, warum das vor der Anpassung gewährte Arbeitsentgelt falsch bemessen war.
Einordnung – BAG stärkt Position freigestellter Betriebsräte
Das BAG setzt mit seiner Entscheidung der inzwischen gängigen Praxis in vielen Unternehmen Grenzen, die Vergütung freigestellter Betriebsräte einzufrieren oder unterdurchschnittlich anzupassen – dies nicht selten mit dem Ziel einer Vergütungsüberprüfung durch die Arbeitsgerichte in einem sich anschließenden Verfahren. Die Entscheidung deckt sich mit den Grundsätzen im Falle der vergleichbaren korrigierenden Herabgruppierungen von Tarifbeschäftigten. Auch hier müssen Arbeitgeber darlegen und beweisen, inwieweit die ursprünglich vorgenommene Eingruppierung fehlerhaft war.
Für Unternehmen ergeben sich aus der Entscheidung folgende Kernaussagen:
- Verbindlichkeit von Vergütungsanpassungen: Einmal vorgenommene und mitgeteilte Vergütungsanpassungen sind verbindlich. Eine nachträgliche Korrektur bedarf einer fundierten Begründung und gegebenenfalls eines Nachweises der Fehlerhaftigkeit.
- Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitgeber: Arbeitgeber müssen aktiv belegen, dass keine Benachteiligung durch die Vergütungsreduzierung vorliegt – eine rein defensive Argumentation reicht nicht mehr aus. Dies unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und nachvollziehbaren Dokumentation von Vergütungsentscheidungen.
- Berücksichtigung hypothetischer Karriereverläufe: Unternehmen haben bei der Festlegung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder neben der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer auch hypothetische Karriereverläufe der Mitglieder zu berücksichtigen, um Benachteiligungen zu vermeiden.
- Keine voreiligen Vergütungsanpassungen: Von übereilten Vergütungsanpassungen ist nicht nur wegen der erhöhten Anforderungen an deren Begründung abzuraten. Nicht hinreichend fundierte Vergütungsreduzierungen führen in der Praxis regelmäßig zu erheblichen Beeinträchtigungen in der Zusammenarbeit der Betriebspartner. Nicht zuletzt ist Benachteiligung – ebenso wie die Begünstigung –strafbar (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG).
Fazit – Proaktiv für mehr Rechtssicherheit
Insgesamt stärkt das BAG die Position freigestellter Betriebsratsmitglieder. Arbeitgeber sollten daher nicht erst bei gerichtlicher Auseinandersetzung reagieren. Wer Vergütungsentscheidungen transparent dokumentiert, regelmäßig überprüft und auf belastbare Vergleichsmaßstäbe stützt, ist klar im Vorteil. Insoweit bieten die gesetzlichen Neuregelungen zur Betriebsratsvergütung die Möglichkeit einer erhöhten Rechtssicherheit bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern durch
- die Vereinbarung eines entsprechenden Verfahrens in einer Betriebsvereinbarung sowie
- die Festlegung konkreter Vergleichspersonen.
Aufgrund der zahlreichen bestehenden Rechtsunsicherheiten bei der Umsetzung von Gesetz und Rechtsprechung in die Praxis sind Arbeitgeber gut beraten, diese Möglichkeiten zu nutzen.