Das Thema
Die Überlassung eines Dienstwagens an den Arbeitnehmer auch zur Privatnutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des Arbeitsentgelts. Die Überlassung ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Sie ist so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss, und sei es – wie im Fall der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – ohne Erhalt einer Gegenleistung (vgl. BAG, Urt. v. 23.06.1994 – 8 AZR 537/92; v. 21.08.2001 – 3 AZR 746/00; v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09).
Dienstwagen als ggf. widerrufbarer Vergütungsbestandteil
Wie bei manchen anderen Vergütungsbestandteilen auch, kann diese Rechtslage durch einen vertraglich vereinbarten Widerrufsvorbehalt (und auszuübenden Widerruf) geändert werden. Ohne einen Widerrufsvorbehalt ist der Arbeitgeber nach § 611a Abs. 2 BGB aber verpflichtet, dem Mitarbeiter während des Arbeitsverhältnisses und damit auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Privatnutzung des Dienstwagens zu ermöglichen. Vorformulierte einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Unternehmen das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, wie ein solcher Widerrufsvorbehalt zur Dienstwagennutzung, unterliegen einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff., 308 Nr. 4 BGB. Neben dieser Inhaltskontrolle erfolgt auch eine Ausübungskontrolle des konkreten Widerrufs gemäß § 315 Abs. 1 BGB, d.h. der Widerruf muss im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen (vgl. BAG, Urt. v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06; v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09; v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10).
Ein unberechtigter Widerruf der Dienstwagennutzung führt dazu, dass der Arbeitgeber dem Beschäftigten eine Nutzungsausfallentschädigung schuldet, die in der Regel auf Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit berechnet wird (vgl. BAG v. 19.12.2006; v. 21.03.2012; v. 12.10.2022 – 5 AZR 30/22).
Aktuelle Entscheidung des BAG
In einer aktuellen Entscheidung hatte der Fünfte Senat nunmehr Gelegenheit, sich erneut zum Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens – im konkreten Fall nach einer Kündigung und während der zugleich erklärten Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zu äußern (BAG, Urt. v. 12.02.2025 – 5 AZR 171/24). Die vorformulierte Klausel, um die es ging (Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), lautete auszugsweise wie folgt:
„Die private Nutzung des Dienstfahrzeugs kann vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn der Mitarbeiter das Dienstfahrzeug vertragswidrig benutzt, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist und der Arbeitgeber den Mitarbeiter berechtigt von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt oder suspendiert hat, und wenn der Mitarbeiter wegen Krankheit oder aus einem anderen persönlichen Grund für mehr als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist. … Ein Anspruch des Mitarbeiters wegen des Entzugs der privaten Nutzung besteht in diesen Fällen nicht.“
Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis am 08.05.2023 betriebsbedingt wegen behaupteter Umorganisation und Neuverteilung der Aufgaben des Klägers zum 31.08.2023 gekündigt (die Wirksamkeit der Kündigung stand zuletzt fest). Zugleich hat er den Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt und die Rückgabe des Dienstfahrzeugs zum 24.05.2023 verlangt. Der Beschäftigte hat das Dienstfahrzeug am 23.05.2023 zurückgegeben und zuletzt noch wegen des Entzugs des Dienstfahrzeugs Nutzungsausfallentschädigung auf Basis des steuerlichen Nutzungswertes für die Zeit vom 23.05.2023 bis zum 31.08.2023 geltend gemacht.
Das BAG hat dem Kläger Nutzungsausfallentschädigung zwar zugesprochen, aber nur für die Zeit vom 23. -31.05.2023.
Auf berechtigte Freistellung abstellender Widerrufsvorbehalt wirksam
Das Gericht hat die Klausel als Widerrufsvorbehalt angesehen sowie zunächst einer Kontrolle am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB unterzogen und insoweit auch für wirksam erachtet.
Der Widerrufsvorbehalt war laut BAG nicht aus formellen Gründen unwirksam: Die Klausel müsse transparent gefasst und klar und verständlich sein. Die Widerrufsgründe müssten zumindest der Richtung nach angegeben werden, z.B.
- wirtschaftliche Gründe,
- Leistung oder
- Verhalten des Arbeitnehmers.
Für den Arbeitnehmer müsse ein gewisses Mindestmaß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderung bestehen. Insbesondere, wenn die finanziellen Auswirkungen des vorbehaltenen Widerrufs genau feststünden, seien an die Präzisierung des Widerrufsgrundes in der Regel aber keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Denn dann sei die durch Widerruf mögliche Leistungsänderung einfach und genau kalkulierbar.
Die konkrete Klausel sehe – klar getrennt von anderen Fallgruppen – ausdrücklich vor, dass der Mitarbeiter bei berechtigter Freistellung nach einer Kündigung mit dem entschädigungslosen Entzug der Privatnutzung des Dienstfahrzeugs rechnen müsse. Damit sei der maßgebliche Widerrufsgrund ausreichend klar benannt. Wie sich der Widerruf auf die Vergütung auswirken würde, sei mit Blick auf den in den Gehaltsabrechnungen ausgewiesenen geldwerten Vorteils eindeutig erkenn- und kalkulierbar gewesen.
Der Widerrufsvorbehalt war laut BAG aber auch materiell wirksam: Nach § 308 Nr. 4 BGB sei die Vereinbarung eines Widerrufsrechts zumutbar, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen solle, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sei. Der Widerruf der privaten Nutzung eines Dienstwagens im Zusammenhang mit einer wirksamen Freistellung während der Kündigungsfrist sei zumutbar. Der Beschäftigte müsse bis zum Kündigungstermin keine Arbeitsleistung erbringen, insbesondere entfielen Dienstfahrten mit dem Pkw. Die Klausel verknüpfe die dienstliche und private Nutzung somit in sachgerechter Weise. Zudem betreffe der durch den Widerruf entfallende geldwerte Vorteil weniger als 25 % des regelmäßigen Verdienstes.
Die Widerrufsklausel selbst müsse auch keine Ankündigungs- bzw. Auslauffrist enthalten, um wirksam zu sein. Die Einräumung einer solchen Frist sei aber bei der Ausübungskontrolle in Betracht zu ziehen.
Berechtigung der Freistellung richtet sich nach allgemeinem Beschäftigungsanspruch
Der Fünfte Senat hat sodann geprüft, ob die Voraussetzungen der Widerrufsklausel erfüllt waren, d.h. ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer berechtigt von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt hat. Im konkreten Fall habe er den Mitarbeiter unter Berücksichtigung der Grundsätze des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs gemäß §§ 611a, 613 i.V.m. § 242 BGB berechtigt während der Kündigungsfrist freigestellt.
Der Beschäftigungsanspruch könne ausgeschlossen sein, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers, z.B. wegen Auftragsmangels oder einer Umorganisation, die auf einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung beruhe, nicht (mehr) möglich sei (vgl. BAG, Urt. v. 15.06.2021 – 9 AZR 217/20). Auch dann sei eine Abwägung mit Interessen des Beschäftigten nicht von vornherein ausgeschlossen. Die unternehmerische Entscheidung, die gerichtlich lediglich einer Willkür- und keiner Zweckmäßigkeitskontrolle unterliege, sei jedoch ein wichtiger Abwägungsgesichtspunkt (vgl. zur Bedeutung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen auch: BAG, Urt. v. 18.10.2023 – 5 AZR 68/23; v. 30.11.2022 – 5 AZR 336/21). Einer so begründeten Freistellung könnten im Einzelfall besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Mitarbeiters entgegenstehen.
Im konkreten Fall hat das BAG entschieden, dass dem Beschäftigungsinteresse überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstanden (Randnummer 28.).
Ausübung des Widerrufs im Regelfall nur zum jeweiligen Monatsende
Jedoch entsprach die Ausübung des Widerrufsrechts im konkreten Fall laut BAG (anders noch das LAG) nicht billigem Ermessen i.S.v. § 315 Abs. 1 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspreche billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden seien; dies unterliege der vollen gerichtlichen Kontrolle. Maßgebend sei der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe. Entspreche die Entscheidung nicht der Billigkeit, werde die Bestimmung grundsätzlich durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Dabei seien die finanziellen Auswirkungen der steuerrechtlichen Rechtslage zu berücksichtigen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG könne der zu versteuernde geldwerte Vorteil nur monatlich und nicht kalendertäglich angesetzt werden. Das führe dazu, dass der Arbeitnehmer bei einer Rückgabe des Dienstwagens innerhalb des laufenden Monats die Steuerlast für den ganzen Monat trage und damit auch für die Zeit, in der er den Pkw nicht mehr nutzen könne.
Im Regelfall überwiege das Interesse des Beschäftigten, den von ihm versteuerten Vorteil vollständig real nutzen zu können, das Interesse des Unternehmens am sofortigen Entzug des Dienstwagens. Somit werde – abgesehen vom Fall einer außerordentlichen Kündigung während des laufenden Monats – im Regelfall nur ein Widerruf der Privatnutzung zum jeweiligen Monatsende billigem Ermessen entsprechen können.
Fazit und Einordnung
In seiner aktuellen Entscheidung bestätigt das BAG die Aussagen aus seinem Urteil vom 21.03.2012. Insoweit stellt das Gericht ausdrücklich klar, dass sich die „Berechtigung“ bzw. „Wirksamkeit“ der Freistellung nach den Grundsätzen des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs richtet.
Aus der Entscheidung ergeben sich für die Praxis zu einzelnen Punkten auch konkrete Hinweise zur Gestaltung und Ausübung des Widerrufs: Danach ist die Klausel so zu formulieren, dass sie ausdrücklich auf eine „berechtigte“ bzw. „wirksame“ Freistellung abstellt. Zudem wird der Praxis noch deutlicher als bisher als Grundsatz mit auf den Weg gegeben, dass der Widerruf nur zum Monatsende zulässig ist (im Regelfall, d.h. begründete Ausnahmen sind möglich).