Das Thema
Die gesetzlichen Änderungen in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) im Jahr 2020 waren überschaubar. Und dennoch ergeben sich aufgrund aktueller Rechtsprechung und der geänderten Rahmenbedingungen infolge der Corona-Krise einige Neuerungen. Dieser Beitrag soll einen Überblick über aktuelle Entwicklungen geben.
Aufklärungspflichten und Doppelverbeitragung
Unternehmen sollten Informationen zur bAV nicht unbedacht erteilen. Eine falsche Auskunft kann zu einem Anspruch des Begünstigten auf Schadensersatz führen.
a) Aufklärungspflicht unter Abwägung der Interessen
Ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber von sich aus dem Arbeitnehmer Informationen zur Verfügung stellen muss, beruht auf den Umständen des Einzelfalles und einer Interessenabwägung. Im Grundsatz muss jede Partei selbst dafür sorgen, dass ihre Interessen gewahrt sind. Jeder muss sich über die für ihn geltenden Vorschriften selbst informieren. Auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung muss der Arbeitgeber nicht von sich aus hinweisen, wohl aber dann, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber nach den Möglichkeiten der bAV fragt.
Aus zwei Gesichtspunkten kann sich die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers ergeben:
- Hat der Arbeitgeber Vertrauen in sein Handeln erweckt oder hat er eine Gefahrenquelle geschaffen (z.B. durch Änderung des betrieblichen Versorgungwerks), muss er den Arbeitnehmer aufklären. Je größer das beim Arbeitnehmer erweckte Vertrauen ist oder je größer, atypischer und schwerer erkennbar die betriebsrentenrechtlichen Gefahren sind, desto eher treffen den Arbeitgeber Informationspflichten und desto weitreichender sind sie. Gesteigerte Informationspflichten können den Arbeitgeber vor allem dann treffen, wenn eine Vereinbarung auf seine Initiative hin und in seinem Interesse zustande kommt.
- Auch wenn beim Arbeitnehmer ein besonderes Informationsbedürfnis besteht (z.B. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit dem Ruhestand) und der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer zu beraten, kann sich daraus für den Arbeitgeber die Pflicht zur Aufklärung ergeben. Das wiederum hängt davon ab, wie schwierig die Rechtsmaterie ist, wie hoch etwaige Nachteile sind und ob solche Nachteile vorhersehbar waren.
b) Doppelverbeitragung von Betriebsrenten
Ein Informationsdefizit des Arbeitnehmers besteht regelmäßig im Hinblick auf die Folgen der bAV für Steuern und Sozialabgaben. Eine Information kann sich aber darin erschöpfen, den Arbeitnehmer auf bestehende Regelungen zu verweisen. Vor diesem Hintergrund hat das BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber nicht über eine bevorstehende Gesetzesänderung informieren muss. Konkret entschied dies das BAG zur sog. „Doppelverbeitragung“.
Bis zum 31.12.2003 wurde auf eine Betriebsrente nur der halbe Beitragssatz erhoben. Einmalzahlungen waren ganz beitragsfrei. Ab dem 1.1.2004 wurde der volle Beitragssatz in der Kranken- und Pflegeversicherung auf Betriebsrenten fällig und Einmalzahlungen in die Verbeitragung einbezogen. Dies wird – etwas ungenau – als „Doppelverbeitragung“ bezeichnet. Sozialversicherungsbeiträge auf die gesamte Versorgungsleistung fielen demnach an, wenn eine Freigrenze überschritten wurde (ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV; im Jahr 2020: € 159,25 pro Monat, Einmalzahlungen wurde umgerechnet). Seit dem 1.1.2020 wurde in der gesetzlichen Krankenversicherung aus der Freigrenze ein Freibetrag. Dieser Freibetrag bleibt beitragsfrei, auch wenn dieser Betrag überschritten wird. In der Pflegeversicherung gilt dagegen weiterhin eine Freigrenze. Da somit Betriebsrentner noch immer mit Sozialversicherungsbeiträgen belastet werden, dürfte die Diskussion um die Doppelverbeitragung nicht beendet sein.
Eine Haftung des Arbeitgebers, weil dieser im Jahr 2003 nicht über die bevorstehende Neuregelung zur Verbeitragung informierte, hat das BAG aber abgelehnt (BAG, Urt. v. 18.2.2020, Az. 3 AZR 206/18). Eine Informationspflicht besteht nicht, wenn gar nicht über Beitragspflichten zur Sozialversicherung unterrichtet wird. Wenn hingegen überobligatorisch Beitragspflichten thematisiert werden, kann dies bedeuten, dass in diesem Zusammenhang ein Hinweis auf bevorstehende Gesetzesänderungen erforderlich ist, selbst dann, wenn die erteilten Informationen im Übrigen richtig sind. Denn Auskünfte des Arbeitgebers, auch überobligatorische, müssen vollständig sein.
Beitragszusage und Einstandspflicht des Arbeitgebers
Das Betriebsrentenrecht kannte bis zum 31.12.2017 keine reine Beitragszusage. Herkömmliche beitragsorientierte Leistungszusagen (boLZ) schließen trotz der Finanzierung durch Beiträge eine gesetzliche Einstandspflicht des Arbeitgebers für die Versorgungsleistung ein. Der Arbeitgeber muss für die Zahlung der Versorgungsleistung einstehen, auch wenn er alle Beiträge an einen externen Versorgungsträger gezahlt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG).
a) Entwicklung des Sozialpartnermodells
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde zum 1.1.2018 das sog Sozialpartnermodell eingeführt, welches erstmals eine reine Beitragszusage zuließ. Der Arbeitgeber führt Beiträge an eine Versorgungseinrichtung ab, diese zahlt die Versorgungsleistung direkt aus der Vermögensanlage an den Begünstigten. Der Arbeitgeber haftet nicht für die Versorgungsleistung.
Doch kann eine solche Beitragszusage nur durch Tarifvertrag oder durch einen Verweis auf einen Tarifvertrag eingeführt werden. Bislang gibt es nur ein einziges Sozialpartnermodell, welches ein Versicherungsunternehmen als Haustarifvertrag eingeführt hat. Da das Sozialpartnermodell nicht zum erwünschten Erfolg führt, wird derzeit u.a. über ein Obligatorium diskutiert. Mehr zum Thema in einem früheren Beitrag im #EFAR.
b) Grenzen der Einstandspflicht des Arbeitgebers
Doch auch in der boLZ hat die Haftung des Arbeitgebers ihre Grenzen. Wenn eine Pensionskasse oder ein anderer externer Versorgungsträger (neben der Pensionskasse sind dies Versicherungsunternehmen, Unterstützungskassen oder Pensionsfonds) seine Leistungsordnung und damit zugleich die Versorgungszusage ändert, haftet der Arbeitgeber nicht, wenn die Änderung den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entspricht. Die gesetzliche Einstandspflicht schließt nur Lücken zwischen der Versorgungszusage und der Ausgestaltung des Durchführungswegs über einen externen Versorgungsträger. Wenn aber eine Änderung des Versorgungsträgers nicht die Folge von Schwierigkeiten aus dem Durchführungsweg ist, sondern die Versorgungszusage ändert, sind die Begünstigten vor solch einer Umgestaltung nicht geschützt (BAG, Urt. v. 20.8.2019, Az. 3 AZR 251/17). Der Arbeitgeber schuldet nur die vom Versorgungsträger ausgestaltete Versorgungsleistung.
Corona-Krise und Kosten der bAV
a) Ersparte Beiträge in beitragsorientierten Leistungszusagen
Eine Ersparnis für Unternehmen ohne Liquiditätseinbußen für die Arbeitnehmer lässt sich im Rahmen einer arbeitgeberfinanzierten boLZ realisieren. Unternehmen können Beitragszahlungen zeitweilig einstellen, wofür die Versorgungsordnung entsprechend zu ändern wäre. Dies hat zur Folge, dass die Versorgungsleistung niedriger ausfallen wird. Ein solcher Eingriff in Versorgungsanwartschaften muss den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Für Eingriffe in noch zu erwerbende Versorgungsanwartschaften genügen sachlich-proportionale Gründe.
Arbeitgeber können sich dabei auf eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung berufen. Allerdings darf die Änderung nicht weiter in die künftigen Zuwächse eingreifen als zur Kosteneinsparung geboten. Der Eingriff muss sich in ein Gesamtkonzept einpassen, das auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtet ist und die Ausgestaltung dieses Gesamtkonzepts muss plausibel sein. Anlässlich der Corona-Krise kann ein Eingriff in zukünftig zu erwerbende Versorgungsanwartschaften zulässig sein, wenn die Krise zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens führt.
Die Änderungen der bAV sind sorgfältig vorzubereiten, damit die Ersparnis rechtswirksam erzielt werden kann. Insbesondere ist zu bestimmen, welches Einsparvolumen erforderlich ist und in welchem Umfang für wie lange Beitragszahlungen eingestellt werden sollen. Die Rechtsprechung macht strenge Vorgaben, wie eine Änderung der Versorgungsanwartschaften zu begründen ist. Zudem ist mit dem Versorgungsträger zu klären, welche Folgen sich für die Verträge zwischen Unternehmen und Versorgungsträger ergeben.
b) Stundungsvereinbarungen mit Arbeitnehmern und Rentnern
Statt der vorübergehenden Einstellung der Beitragszahlungen ist auch eine Stundung der Beiträge möglich. Auch eine solche Stundung kann die Versorgungsleistung reduzieren, jedoch sehr viel geringer als im Fall der vorübergehenden Einstellung der Beitragszahlungen. Sie ist daher aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Rahmen eines Gesamtkonzepts gerechtfertigt. Auch für die Stundung der Beiträge ist eine Abstimmung mit dem Versorgungsträger erforderlich. Bei Unterstützungskassen ist zu beachten, dass diese aus steuerlichen Gründen nur gleichbleibende oder steigende Beiträge annehmen können. Eine Nachzahlung der gestundeten Beiträge als Einmalzahlung ist daher nicht möglich.
Auch mit den Rentnern können Stundungsvereinbarungen getroffen werden wie mit aktiven Arbeitnehmern. Ein Verzicht auf Versorgungsleistungen durch die Rentner ist dagegen nicht wirksam. Denn – von einigen Ausnahmen abgesehen – das Betriebsrentengesetz verbietet die Abfindung von Versorgungsleistungen gegenüber Rentnern und damit auch einen Verzicht ganz ohne Gegenleistung.