Das Thema
Hat ein Arbeitgeber eine Versetzung ohne Unterrichtung und Zustimmung des Betriebsrats umgesetzt und möchte er die Beteiligung des Betriebsrats für diese Versetzung nachholen, muss er die mitbestimmungswidrige Versetzung zuerst aufheben. Die Aufhebung erfordert dabei, dass der Arbeitgeber die Person tatsächlich nicht mehr, zumindest vorübergehend, auf der Stelle beschäftigt, auf die er sie mitbestimmungswidrig versetzt hatte (Bundesarbeitsgericht, Beschluss v. 11. Oktober 2022, Az. 1 ABR 18/21).
Der Fall
Der Arbeitgeber führte eine Versetzung ohne Unterrichtung und Zustimmung des Betriebsrats durch. Auf Antrag des Betriebsrats verurteilte das Arbeitsgericht den Arbeitgeber dazu, die Versetzung aufzuheben. Der Arbeitgeber teilte daraufhin dem Betriebsrat mit, die Versetzung zurückzunehmen. Die Parteien erklärten den Rechtsstreit für erledigt.
Der Arbeitgeber beschäftigte die Person jedoch weiterhin auf der Stelle, auf die er sie zuvor mitbestimmungswidrig versetzt hatte. Er teilte mit, dass er die Versetzung nun als vorläufige personelle Maßnahme durchführen werde. Er bat den Betriebsrat zeitgleich um Zustimmung zur Versetzung. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung. Der Arbeitgeber klagte auf Ersetzung der Zustimmung, blieb aber vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.
Beteiligungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet
Das Bundesarbeitsgericht sah – anders noch als das Landesarbeitsgericht Köln (v. 21. Mai 2021, Az. 9 TaBV 42/20) – den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung als unbegründet an, weil der Arbeitgeber das Beteiligungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet habe.
Der Arbeitgeber habe den Antrag auf Zustimmung nicht – wie gesetzlich vorgesehen – “vor” der “geplanten” Versetzung gestellt (§ 99 Abs. 1 BetrVG). Denn er habe die Versetzung bereits umgesetzt und beschäftige die Person tatsächlich bereits auf der gewünschten Stelle. Die Versetzung sei nicht dadurch aufgehoben worden, dass der Arbeitgeber sie umwidme und lediglich als vorläufige personelle Maßnahme durchführen wolle. Damit sei die Versetzung zum Zeitpunkt der Einleitung des Beteiligungsverfahrens bereits umgesetzt gewesen. Die Unterrichtung und der Antrag auf Zustimmung seien daher nicht “vor” der Versetzung und damit nicht fristgerecht erfolgt.
Der Arbeitgeber hätte die Versetzung nach der Verurteilung durch das Arbeitsgericht auch tatsächlich aufheben müssen. Dafür hätte er es zumindest vorübergehend unterlassen müssen, die Person auf der entsprechenden Stelle zu beschäftigen.
Hintergrund: Arbeitgeber muss zustimmungswidrige Versetzung aktiv aufheben
Arbeitgeber müssen vor einer Versetzung den Betriebsrat unterrichten und dessen Zustimmung einholen bzw. ggf. gerichtlich ersetzen lassen (§ 99 Abs. 1, 4 BetrVG). Bei sachlicher Dringlichkeit des Einsatzes kann eine Versetzung als vorläufige personelle Maßnahme auch ohne Zustimmung des Betriebsrats sofort (zumindest vorübergehend) umgesetzt werden (§ 100 Abs. 1 BetrVG). Hierfür ist die unverzügliche Mitteilung an den Betriebsrat notwendig und, wenn der Betriebsrat die Dringlichkeit bezweifelt, der Gang zum Arbeitsgericht. In der Praxis erfolgen Unterrichtung über die Versetzung und Mitteilung über die Durchführung der vorläufigen personellen Maßnahme in der Regel zeitgleich.
Liegt keine (ggf. gerichtlich ersetzte) Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung vor, kann ein Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats den Arbeitgeber dazu verurteilen, die Versetzung aufzuheben (§ 101 S. 1 BetrVG). Mit dem Beschluss des Arbeitsgerichts folgt ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot der Person auf der entsprechenden Stelle. Die Versetzung wird aber in einem solchen Fall nicht allein durch den Beschluss des Arbeitsgerichts gegenstandslos, sondern der Arbeitgeber muss diese aktiv aufheben. Tut er dies nicht, kann das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats ein Zwangsgeld von bis zu EUR 250,– pro Tag der Zuwiderhandlung verhängen (§ 101 S. 2, 3 BetrVG).
Beteiligung des Betriebsrats zu einer bereits durchgeführten Versetzung kann nicht nachgeholt werden
Streitigkeiten über Versetzungen sind in der Praxis nicht selten, da es für wesentliche Streitpunkte keine trennscharfen gesetzlichen Vorgaben gibt. Betriebsrat und Arbeitgeber können unterschiedlicher Meinung sein etwa über das Vorliegen einer Versetzung (i.S.v. § 95 Abs. 3 BetrVG), die Einordnung der zu versetzenden Person als leitender Angestellter (i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG) oder die Dringlichkeit einer vorläufigen personellen Maßnahme (i.S.v. § 100 Abs. 1 BetrVG). Umso wichtiger ist es daher, dass dem Arbeitgeber keine formellen Fehler unterlaufen. Denn bereits formelle Fehler im Beteiligungsverfahren führen zur (betriebsverfassungsrechtlichen) Unwirksamkeit der Versetzung.
Hat der Arbeitgeber mitbestimmungswidrig versetzt, könnte der Arbeitgeber – wie im vorliegenden Fall – auf die Idee kommen, die Beschäftigung der Person “umzuwidmen” als vorläufige personelle Maßnahme und die Beteiligung des Betriebsrats “nachzuholen”. Die Beschäftigung auf einer anderen Stelle als vorläufige personelle Maßnahme ist (noch) keine Versetzung i.S.v. § 95 Abs. 3 BetrVG. Bei Durchführung der Versetzung als vorläufige personelle Maßnahme ist daher die parallele Beteiligung des Betriebsrats möglich, d.h. während die Person bereits auf der entsprechende Stelle tätig ist.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte hingegen, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer bereits durchgeführten Versetzung nicht nachgeholt werden kann. Die Lektüre des Gesetzes zeigt, dass die Unterrichtung und der Zustimmungsantrag “vor” der “geplanten” Versetzung erfolgen müssen. Eine Versetzung ist vom Betriebsrat nicht lediglich nachträglich zu bestätigen. Das Beteiligungsverfahren kann daher nicht mehr ordnungsgemäß in die Wege geleitet werden, sobald die Person auf der neuen Stelle arbeitet.
Fazit: Erst aktiv Aufheben, dann Nachholen
Wenn der Arbeitgeber die Versetzung bereits zuvor (mitbestimmungswidrig) durchgeführt hat, gilt daher Folgendes:
Der Arbeitgeber muss die Versetzung zuerst aufheben, bevor der die Beteiligung des Betriebsrats “nachholen” kann. Laut Bundesarbeitsgericht muss er dafür die tatsächliche Beschäftigung der Person auf der gewünschten Stelle unterlassen. Es ist also eine Zäsur in der Beschäftigung erforderlich, die nach außen erkennbar wird. Wie dies praktisch anzustellen ist, erwähnte das Bundesarbeitsgericht nicht.
Zur Aufhebung einer Versetzung muss der Arbeitgeber den Zustand wiederherstellen, der vor der Versetzung bestand. Der Arbeitgeber sollte die Versetzung daher (auch) gegenüber der beschäftigten Person aufheben. Dazu sollte er die Aufhebung erklären (analog der Versetzung) und der Person die vorherige Tätigkeit zuweisen.
Wenn die Person nicht mehr auf der vorherigen Stelle beschäftigt werden kann (etwa, weil die Stelle nicht mehr existiert), müsste die Beschäftigung gänzlich ausgesetzt werden (Freistellung) oder die Person auf eine andere Stelle versetzt werden (Nachteil: hierfür wäre auch die vorherige Beteiligung des Betriebsrats erforderlich).
Die Nichtbeschäftigung auf der gewünschten Stelle muss mindestens bis zur Einleitung des (neuen) Beteiligungsverfahrens andauern. Diese Zäsur sollte so lange andauern, dass erkennbar wird, dass die Versetzung aufgehoben wurde. Sie dürfte daher nicht lediglich eine juristische Sekunde betragen, sondern die Person muss tatsächlich die Arbeit auf der Stelle, auf die mitbestimmungswidrig versetzt wurde, sichtbar einstellen.
Erst nach (zumindest vorübergehender) Beschäftigung der Person auf einer anderen Stelle oder deren Freistellung, kann der Arbeitgeber (mit Erfolgsaussichten) das Beteiligungsverfahren einleiten. Bei sachlicher Dringlichkeit des Einsatzes kommt auch erst dann wieder die Durchführung der Versetzung als vorläufige personelle Maßnahme in Betracht.