Das Thema
Kurz vor den regulären Wahlen zum Betriebsrat in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2022 hat der Bundesrat in seiner heutigen Sitzung vom 8.10.2021 die Verordnung zur Änderung der Wahlordnung, der Wahlordnung Seeschifffahrt und der Verordnung zur Durchführung der Betriebsratswahlen bei den Postunternehmen beschlossen (BR-Drs. 666/21). Herzstück der Verordnung ist die geänderte Wahlordnung zum BetrVG, mit der die durch das am 18. Juni 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) eingeführten Änderungen umgesetzt werden.
Dem heutigen Beschluss im Bundesrat lag dabei der im BMAS erarbeitete und bereits Ende August durch die Bundesregierung verabschiedete Verordnungsentwurf zu Grunde.
Warum die Wahlordnung geändert wurde
Zur Erinnerung: Durch das sog. Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurden nicht nur ein Mitbestimmungstatbestand bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG) und die dauerhafte Möglichkeit der digitalen Beschlussfassung des Betriebsrats (§ 30 Abs. 2 BetrVG) geschaffen. Es wurden auch wesentliche Vorschriften zum Wahlrecht geändert.
So wurde das Mindestalter für die Wahlberechtigung an den Betriebsratswahlen auf das 16. Lebensjahr abgesenkt, der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens ausgeweitet, die Möglichkeit der Anfechtung einer Betriebsratswahl eingeschränkt und das Erfordernis der sog. Stützunterschriften für Wahlvorschläge eingeschränkt (ausführlich zu den Neuregelungen). Diese Änderungen wurden nun in den Wahlordnungen nachvollzogen.
Die neuen Regelungen treten am Tag nach der Verkündung – mit welcher zeitnah zu rechnen ist – der Verordnung in Kraft (Art. 4 BR-Drs. 666/21), so dass sie bereits für die nächsten regulären Wahlen zum Betriebsrat im Jahr 2022 anzuwenden sind. Übergangsvorschriften bestehen nicht, sodass in laufenden – beispielsweise vorgezogenen – Betriebsratswahlen die Neuregelungen bereits zu berücksichtigen sind.
Sitzung des Wahlvorstands mittels Video- und Telefonkonferenz
Ähnlich wie bei den Sitzungen des Betriebsrats sind künftig auch die nicht öffentlichen Sitzungen des Wahlvorstands per Video- und Telefonkonferenz möglich. Voraussetzung hierfür ist ein vorheriger Beschluss des Wahlvorstands. (Ergänzend: Rechte und Pflichten des Wahlvorstands).
Ist dieser erfolgt, kann die Sitzung sowohl vollständig als Video- und Telefonkonferenz als auch durch Zuschaltung einzelner Personen („Hybrid-Lösung“) stattfinden. Die analoge Sitzung des Wahlvorstands bleibt aber die Regel, weiterhin in Präsenz müssen daher die Stimmauszählung einschließlich der Bearbeitung der Briefwahlunterlagen sowie das Erstellen der Wahlniederschrift stattfinden.
Im Gegensatz zur digitalen Beschlussfassung des Betriebsrats bedarf es für den Wahlvorstand aber keiner vorherigen Implementierung der online-Sitzungen in einer Geschäftsordnung. Auch hat der Gesetzgeber der Wahlordnung auf ein Widerspruchsrecht einzelner Mitglieder des Wahlvorstands verzichtet. Ob dies maßgeblich zu einer Digitalisierung der Wahlen beitragen wird, bleibt indes abzuwarten.
Stimmabgabe ohne Wahlumschläge
Die Abgabe der Stimme bei einer Präsenzwahl ist künftig nicht mehr in einem Wahlumschlag erforderlich. Vielmehr kann der zusammengefaltete Stimmzettel nunmehr ohne Umschlag in die Wahlurne eingeworfen werden. Was wie eine Kleinigkeit anmutet, soll sowohl zu einer Reduzierung des Zeitaufwands des Wahlvorstands beim Auszählen der Stimmen als auch zu einer Reduzierung der Umwelt- und Kostenbelastung beitragen.
Der bloße Verzicht auf Wahlumschläge dürfte indes nur einen geringen Effekt auf die Nachhaltigkeit der Betriebsratswahlen haben, zumal Umschläge bei einer Briefwahl weiterhin erforderlich sind.
Zur Schaffung der Möglichkeit einer virtuellen Betriebsratswahl konnte sich der Gesetzgeber dagegen nicht durchringen – eine solche Lösung hätte sich zur Förderung der Digitalisierung und zur Verringerung des Papierverbrauchs angeboten.
Verlängerung der Berichtigungsmöglichkeiten der Wählerliste
Die Frist zur Berichtigung der Wahlliste wurde verlängert. So kann die Richtigkeit noch am Tag der Wahl bis zum Abschluss der Stimmabgabe geprüft und berichtigt werden. Da die vorherige Eintragung in die Wählerliste Voraussetzung für die Ausübung des aktiven Wahlrechts zur Wahl des Betriebsrats ist, muss die Liste möglichst aktuell und präzise sein. Die Verlängerung der Berichtigungsmöglichkeit ist daher sachgerecht, wird aber in der Praxis wohl nur in größeren Betrieben mit entsprechender Personalfluktuation zu einer tatsächlichen Verbesserung der Richtigkeit der Wählerlisten führen.
Ergänzende Angaben im Wahlausschreiben
Die Pflichtangaben zum Inhalt des Wahlausschreibens, welches spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe vom Wahlvorstand erlassen wird, werden ergänzt. So muss neben der Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Richtigkeit der Wählerliste auch auf die Rechtsfolge bei Versäumung der Einspruchsfrist hingewiesen werden.
Auch muss das Wahlausschreiben Angaben zum neuen Absatz 2 des § 41 WO enthalten, wonach der Wahlvorstand die Möglichkeit hat, die Uhrzeit, bis zu der ihm Wahlvorschläge am letzten Tag des Fristablaufs wirksam zugehen können, festlegen kann. Leider wird sich durch diese Änderung der ohnehin große Aufwand für den Wahlvorstand zur Erstellung eines vollständigen und ordnungsgemäßen Wahlausschreibens weiter erhöhen. Das Ziel des Gesetzgebers war es eigentlich, den Zeitaufwand und die Kosten der Betriebsratswahlen zu verringern.
Geändertes Verfahren zur Bearbeitung der Briefwahl-Stimmen
Bisher musste der Wahlvorstand die per Briefwahl eingegangenen Stimmen „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ öffnen und in die Wahlurne legen. Dabei war in der Praxis häufig unklar, welches genau der richtige Zeitpunkt ist.
Der neue § 26 Abs. 1 WO enthält daher nun die Formulierung, nach der die Öffnung der Briefwahlunterlagen erst zu Beginn der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung vorgenommen wird. Der Zeitpunkt der Bearbeitung wird damit fixiert, so dass dem Wahlvorstand bei der Bestimmung des Zeitpunkts für die Bearbeitung der Stimmen kein Beurteilungsspielraum mehr zusteht.
Diese Änderung trägt der Rechtsprechung des BAG Rechnung, wonach dem Wahlvorstand bei der Beurteilung des richtigen Zeitpunkts ein Ermessen eingeräumt wurde. Dies war in der bisherigen Praxis mit Rechtsunsicherheiten verbunden, die zu einer Fehlerhaftigkeit der Wahl führen konnte. Der Gesetzgeber hat dieses Problem nunmehr aufgegriffen und damit für Rechtssicherheit gesorgt.
Fristsetzungsbefugnis des Wahlvorstands
Gem. § 41 Abs. 2 WO wird nunmehr klargestellt, dass der Wahlvorstand in bestimmten Fällen selbst festlegen kann, bis zu welcher Uhrzeit ihm bestimmte Erklärungen am letzten Tag der Frist zugehen müssen. Dies betrifft etwa die Frist für das Einlegen von Einsprüchen gegen die Wählerliste oder die Frist für die Beseitigung von Mängeln der Wahlvorschläge.
Auch diese Änderung setzt eine Rechtsprechung des BAG zu dieser Frage um. Ob diese Änderung indes zu mehr Rechtssicherheit führt, darf bezweifelt werden, denn bei der Festlegung der Uhrzeit muss der Wahlvorstand berücksichtigen, zu welchem Zeitpunkt die Arbeitszeit der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler an dem betreffenden Tag endet. Dies dürfte bei größeren Einheiten nicht immer unproblematisch sein.
Bewertung: Etwas Licht, aber auch weiterhin Schatten
Ob die Ziele des Gesetzgebers – Stärkung der Digitalisierung der Betriebsratswahl, Erhöhung der Wahlbeteiligung, Senkung der Kosten und Beseitigung von Rechtsunsicherheiten – durch die reformierte Wahlordnung gefördert werden, bleibt abzuwarten. Das Gesetz wurde nur an einigen Stellschrauben geändert und folgt im Wesentlichen den Anpassungen durch das zuvor in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz.
Die „große Lösung“ wäre die Schaffung der Möglichkeit einer virtuellen Betriebsratswahl gewesen – hierzu hat sich der Gesetzgeber indes nicht entschlossen, vielleicht gerade angesichts der vor der Tür stehenden regulären Wahlen im Jahr 2022.
Erfreulich ist dagegen, dass der Gesetzgeber in einigen Punkten der neuen Wahlordnung die bisherige Rechtsprechung des BAG berücksichtigt und diese zum Anlass für Änderungen genommen hat.