Das Thema
Es ging um die Wirksamkeit einer im Mai 2022 durchgeführten Betriebsratswahl. 23 wahlberechtigte Arbeitnehmer verlangten per E-Mail gegenüber einem Mitglied des Wahlvorstands die Übersendung von Briefwahlunterlagen, ohne dies näher zu begründen. Das betreffende Wahlvorstandsmitglied übersandte die Briefwahlunterlagen, ohne dass das Wahlvorstandsgremium dazu vorher einen Beschluss gefasst hatte. Einem Mitarbeiter konnten die Briefwahlunterlagen aufgrund seines Krankenhausaufenthalts nicht zugesandt werden. Sie enthielten u.a. ein Merkblatt mit dem folgendem Hinweis:
„Falten Sie den Stimmzettel so, dass die Stimmabgabe erst nach dem Auseinanderfalten erkennbar ist“ […]. Auf dem Stimmzettel selbst war in der untersten Zeile Folgendes vermerkt: „Stimmzettel bitte mit dem Schriftbild nach innen falten!“
In der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung wertete der Wahlvorstand vier Stimmzettel für ungültig, weil sie mit dem Schriftbild nach außen gefaltet waren. Diese Zettel legte der Vorstand nicht in die Wahlurne. In der Folge fochten vier Beschäftigte die Betriebsratswahl an und beantragten vor dem Arbeitsgericht, die Wahl für unwirksam zu erklären. Sie machten geltend, dass die Wertung der mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzettel als ungültig, in unzulässiger Weise in ihr Wahlrecht eingreife. Den Hinweis zur Faltung auf den Stimmzetteln hielten sie für ungenügend, weil er lediglich als Bitte ausgedrückt worden sei. In Bezug auf den Mitarbeiter im Krankenhaus waren die Antragsteller der Ansicht, dass der Wahlvorstand nicht genug unternommen habe, um diesem die verlangten Briefwahlunterlagen zu übermitteln.
Das ArbG Kassel wies den Antrag ab, das Hess. LAG gab ihm statt.
Die Entscheidung
Das BAG (Beschl. v. 22.01.2025 – 7 ABR 1/24) bestätigte die Wirksamkeit der Betriebsratswahl. Nach Ansicht des Siebten Senats liegt kein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Briefwahl vor. § 24 Abs. 1 Wahlordnung (WO) setze keine Form oder ausdrückliche Begründung der Aufforderung auf Übersendung der Briefwahlunterlagen voraus. So könne die Aufforderung auch mündlich erfolgen. Die Richter begründeten dies mit der Konzeption der Voraussetzungen für die schriftliche Stimmabgabe und der fehlenden Information für die Wahlberechtigten in der WO, dass die Aufforderung mit einer Begründung zu versehen sei. Der Zweck der Vorschrift gebiete kein anderes Verständnis. Der Wahlvorstand müsse die Aufforderung auch nicht auf ihre Plausibilität hin überprüfen. § 24 Abs. 1 WO verlange zudem keine Beschlussfassung des Vorstands über die Aushändigung oder Übersendung der Briefwahlunterlagen. Nur wenn sich ihm Zweifel am Vorliegen der Verhinderung aufdrängten, solle der Wahlvorstand die Wahlberechtigten zu einer entsprechenden Erklärung auffordern und sie im Einzelfall zu einer Begründung anhalten. Solche Zweifel können beispielsweise vorliegen, wenn der Vorstand weiß, dass der Wahlberechtigte am Wahltag im Betrieb anwesend sein wird.
Auch die vom Wahlvorstand vorgenommene Einstufung der vier Briefwahl-Stimmen als ungültig, bestätigte das BAG. Stimmzettel von Briefwählern, die mit dem Schriftbild nach außen gefaltet sind, verstoßen gegen die Vorgaben in §§ 25, 26 WO. Die entsprechenden Hinweise auf dem Merkblatt und dem Stimmzettel sind nach Ansicht der Richter inhaltlich deckungsgleich und ausreichend klar formuliert gewesen. Trotz der Nutzung der Höflichkeitsform „Bitte“ müssten die Wahlberechtigten davon ausgehen, dass die vorgegebene Faltweise obligatorisch sei. Die Benutzung eines Ausrufungszeichens am Ende des Hinweises mache den imperativen Inhalt deutlich.
Fazit und Handlungsempfehlung
In 2026 stehen die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen an. Daher ist die Entscheidung begrüßenswert. Sie reiht sich in die bisher ergangenen klaren Vorgaben des BAG zu wirksamen Briefwahlen ein. Um kosten- und zeitträchtige Anfechtungsverfahren zu vermeiden, sollte dringend auf die Einhaltung der folgenden Grundsätze geachtet werden:
- Wahlberechtigte müssen die Aufforderung auf Aushändigung/Versendung der Briefwahlunterlagen gegenüber dem Wahlvorstand nicht begründen. Das Wahlvorstandsgremium muss keinen Beschluss darüber fassen, ob er die Briefwahlunterlagen versendet.
- Die Wahl muss geheim bleiben. Daher sind Stimmzettel bei denen die Stimmabgabe schon vor dem Auseinanderfalten erkennbar ist, ungültig.
- Der Wahlvorstand muss sich ernsthaft um die ordnungsgemäße Zustellung der Briefwahlunterlagen bemühen.