Das Thema
Die Regeln zum Betriebsübergang nach § 613a BGB und der Richtlinie 2001/23/EG sollen die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann anwendbar, wenn die für den Betrieb des Betriebs oder Unternehmens, das heißt für den Betrieb der wirtschaftlichen Einheit verantwortliche natürliche oder juristische Person, die in dieser Eigenschaft die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, tatsächlich wechselt.
Unter den Begriffen echte und unechte Betriebsführungsverträge wurden in der Vergangenheit eine Vielzahl von Konstellationen diskutiert, bei denen unklar war, ab welcher Schwelle die Regeln zum Betriebsübergang eingreifen. In der vorliegenden Entscheidung klärt das BAG einige wesentliche Aspekte dazu.
Der aktuelle Fall beim BAG
Der Kläger war seit 2001 im Betrieb der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Dort stellte die Beklagte Industrieprodukte aus Holz- und Kunststoffwerkstoffen her. Im Sommer 2010 beschloss der Beirat der Beklagten eine Aufteilung der Geschäftsaktivitäten. Die Beklagte sollte in Zukunft nur noch die Immobilien, das Anlagevermögen, die Lizenzrechte und sonstigen Vermögensgegenstände halten. Der Betrieb sollte von einer Schwestergesellschaft durchgeführt werden.
Im März 2011 schloss die Beklagte mit der Schwestergesellschaft F eine Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgung über Betriebsführung. Danach sollte die F sämtliche bisher von der Beklagten hergestellten Produkte in Lohnfertigung produzieren. Außerdem sollte die F die gesamte Betriebsführung übernehmen, dabei aber ausschließlich für Rechnung und im Namen der Beklagten handeln. Mit Schreiben vom 1. März 2011 informierten die Beklagte und die F alle Arbeitnehmer darüber, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 1. April 2011 auf die F übergehen würde. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht.
Im Mai/Juni 2013 beschlossen die Gesellschafter der F, diese zu liquidieren und die Betriebe still zu legen. Die F kündigte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 zum 31. März 2015. Im November 2014 kam durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan zustande, der keine Abfindungsleistungen für die Arbeitnehmer vorsah. Der Kläger hatte zunächst Kündigungsschutzklage gegen die F erhoben und anschließend auch Klage gegen die Beklagte mit dem Ziel der Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis im Jahre 2011 nicht auf die F übergegangen sei.
Rückwirkende Feststellung, dass kein Betriebsübergang vorgelegen hat
Mit diesem Feststellungsantrag war der Kläger auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich, Urteil vom 25.1.2018 – 8 AZR 309/16. Erforderlich für das Vorliegen eines Betriebsübergangs ist es, dass die für den Betrieb der wirtschaftlichen Einheit verantwortliche natürliche oder juristische Person, die in dieser Eigenschaft die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Wechsel in der Person des für den Betrieb der wirtschaftlichen Einheit Verantwortlichen.
Verantwortlich ist nur derjenige, der die wirtschaftliche Einheit im eigenen Namen führt und nach außen als deren Inhaber auftritt. Danach reicht es nicht aus, lediglich im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber aufzutreten. Erforderlich ist vielmehr die Nutzung der wirtschaftlichen Einheit nach außen. Aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der F ergibt sich, dass die F die Betriebsführung für die Beklagte und nicht an deren Stelle übernimmt. Die F sollte also nicht im eigenen, sondern im Namen der Beklagten nach außen in Erscheinung treten. Die F sollte Generalhandlungsvollmacht zur Vertretung der Beklagten bei allen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen haben. Aus der tatsächlichen Handhabung ergibt sich nichts anderes. Verträge mit Kunden und Lieferanten hat die F nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Beklagten abgeschlossen.
Verwirkung der Geltendmachung des Bestands eines Arbeitsverhältnisses lehnt das BAG zu Recht ab
Die Beklagte konnte auch nicht mit dem Argument gehört werden, der Kläger hätte innerhalb eines Monats nach der Unterrichtung geltend machen müssen, dass tatsächlich kein Betriebsübergang vorliege. Eine analoge Anwendung der Monatsfrist scheitert an einer planwidrigen Lücke. § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB will verhindern, dass dem Arbeitnehmer ein neuer Arbeitgeber gegen dessen Willen aufgezwungen wird. Sofern ein Betriebsübergang nicht stattfindet, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer verpflichtet wird, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat, von Vorneherein nicht.
Auch eine Verwirkung der Geltendmachung des Bestands eines Arbeitsverhältnisses lehnt das BAG zu Recht ab. Der Kläger hat sich entsprechend der Unterrichtung über den Betriebsübergang zu verhalten. Das kann ihm nicht zum Vorwurf gereichen. Dieses Ergebnis wird durch eine andere Überlegung bestätigt. Bei einer unvollständigen oder falschen Unterrichtung ist die Verwirkung vor Ablauf von sieben Jahren ausgeschlossen. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang unterrichtet, der tatsächlich nicht vorliegt, kann erst recht keine Verwirkung vor Ablauf von sieben Jahren eintreten.
Zwei wesentliche Folgerungen für die Unternehmenspraxis
Das Vorgehen der beteiligten Unternehmen läuft auf eine Trennung von Assets und Arbeitnehmern hinaus. Das ging im konkreten Fall daneben. Die Errichtung solcher PropCo/OpCo-Strukturen bedarf der exakten Planung und sorgfältigen Umsetzung. Die von dem Beirat der Beklagten in der ursprünglichen Beschlussfassung getroffene Aussage, die Umstrukturierung habe langfristige Vorteile, vor allem im arbeitsrechtlichen Bereich, ist verräterisch. Der von der Einigungsstelle beschlossene Sozialplan bei Liquidation der OpCo sah keine Abfindungszahlungen vor, da hierfür keine Masse vorhanden war. Der „Abspaltung der Arbeitnehmer“ in eine vermögenslose Gesellschaft zur Einsparung von Sozialplankosten hat das BAG zu Recht seine Anerkennung versagt.
Der zweite Aspekt ist von weitreichenderer Bedeutung. Das BAG hat nun im Januar 2018 darüber befunden, dass ein vermeintlicher Betriebsübergang im April 2011 tatsächlich keiner war. Völlig zu Recht geht der Senat davon aus, dass das Risiko der rechtlich falschen Beurteilung als Betriebsübergang vom Arbeitgeber zu tragen ist.
Das heißt aber in Konsequenz, dass die Parteien einer Betriebsveräußerung in ihrer Gestaltung die Möglichkeit einbeziehen müssen, dass ein von ihnen angenommener Betriebsübergang möglicherweise keiner ist. Relevant wird es immer bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Erwerbers: Bisher suchte der Arbeitnehmeranwalt dann im Unterrichtungsschreiben nach Fehlern, um auch noch nach längerer Zeit – aktuell bis zu sieben Jahre – den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses erklären zu können. In Zukunft wird auch zu prüfen sein, ob die damalige Gestaltung überhaupt die Voraussetzungen des § 613a BGB erfüllte.
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