Das Thema
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Für den Beginn der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs. 6 BGB fordert das BAG eine vollständige und richtige Unterrichtung. Die Praxis kämpft seit Jahren mit den ständig erhöhten Anforderungen an eine vollständige und richtige Unterrichtung, um das Risiko eines Betriebsveräußerers, auch noch nach Jahren mit wiedersprechenden Arbeitnehmern konfrontiert zu werden, möglichst auszuschliessen.
Als Notbremse setzt das BAG bekanntlich das Rechtsinstitut der Verwirkung ein. Eine aktuelle Entscheidung aus Erfurt (Urteil v. 22. Juli 2021 – 2 AZR 6/21) gibt nun ausreichend Anlass, sich erneut mit der Frage zu beschäftigen, ob und wenn ja nach welcher Frist das Widerspruchsrecht verwirkt.
Auch wenn das BAG wiederholt betont hat, dass es keine Höchst- oder Mindestfristen für die Verwirkung gibt, so liegt jedenfalls die aktuelle Entscheidung auf Linie: Sofern die grundlegenden Informationen zum Betriebsübergang gegeben werden, ist bei unwidersprochener Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber über sieben Jahre in Abwesenheit besonderer Umstände das Widerspruchsrecht verwirkt.
Hätten die Erfurter Richter allerdings auch so entschieden, wenn drei, vier oder fünf Jahre vergangen wären? Das ist ungewiss.
Es kann daher nur weiterhin dringend geraten werden, auf die Abfassung des Unterrichtungsschreibens aller größte Sorgfalt zu verwenden. Eine unvollständige oder unrichtige Unterrichtung löst die einmonatige Widerspruchsfrist nicht aus. Verwirkung tritt im Regelfall frühestens nach sieben Jahren ein.
Es bleibt zu hoffen, dass das BAG in Zukunft mit Blick auf mögliche Mängel einer Unterrichtung Mindestanforderungen an die Kausalität zwischen Fehler und Nichtausübung des Widerspruchsrechts stellt.
Es ergibt keinen Sinn, wenn ein Arbeitnehmer nach fünf Jahren noch dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen darf, weil die Unterrichtung nicht darauf hingewiesen hat, dass eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs unzulässig ist.
Zum Verständnis: Nach fast acht Jahren ausgeübtes Widerspruchsrecht landet beim BAG
Der Entscheidung des BAG vom 22. Juli 2021 lag folgender Sachverhalt zu Grund: Der Veräußerer hatte im Juni 2011 einen Teilbetrieb veräußert und übertragen. In diesem Zusammenhang hatten Veräußerer und Erwerber mit der Gewerkschaft ver.di einen Überleitungstarifvertrag („ÜTV“) abgeschlossen, der unter anderem ein Rückkehrrecht der übergehenden Arbeitnehmer zum Veräußerer vorsah, falls es bis zum 31. Dezember 2015 bei der Erwerberin zu einer betriebsbedingten Kündigung kommt.
Wegen Verlustes aller Aufträge stellte die Erwerberin im Februar 2019 einen Insolvenzantrag. Im Mai 2019 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, der operative Betrieb eingestellt. In der 1. Junihälfte 2019 widersprachen der Kläger und weitere Arbeitnehmer schriftlich dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Erwerberin. Diese kündigte im Juli 2019 die Arbeitsverhältnisse zum 31. Dezember 2019.
Die nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren mit der Erwerberin endeten durch Auflösungsvergleiche.
Betriebsübergang und Widerspruchsrecht: Grundlagen
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.
So heißt es seit 1972 in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Damit war der deutsche Gesetzgeber der EU – Betriebsübergangsrichtlinie um etliche Jahre voraus. Die Regeln zum Betriebsübergang sollen die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Sie dienen daher ausschließlich dem Schutz der Arbeitnehmer und sollen nicht dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitgeber gegen seinen Willen aufzwingen. Daher hat das Bundesarbeitsgericht bereits zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Regelung das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers richterrechtlich entwickelt (BAG 2. Oktober 1974 – 5 AZR 504/73).
Im Jahre 2002 wurde dann das Widerspruchsrecht in § 613 a Abs. 6 BGB kodifiziert zusammen mit dem Unterrichtungsrecht in Abs. 5. Das Unterrichtungsrecht ist zwar im Grunde europarechtlich vorgegeben. Allerdings geht der nationale Gesetzgeber deutlich über die europarechtlichen Vorgaben hinaus. Danach wäre eine Information der einzelnen Arbeitnehmer über den Betriebsübergang nur erforderlich, wenn es unabhängig vom Willen der Arbeitnehmer keine Arbeitnehmervertretung gibt, d. h. nur in nicht betriebsratsfähigen Betrieben.
Indem das BAG für den Beginn der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs. 6 BGB nur eine vollständige und richtige Unterrichtung ausreichend sein lässt, gleichzeitig aber die Anforderungen an eine vollständige und richtige Unterrichtung Schritt für Schritt erhöht hat, stieg das Risiko eines Betriebsveräußerers, auch noch nach Jahren mit wiedersprechenden Arbeitnehmern konfrontiert zu werden, ins Unermessliche an. Als Notbremse setzt das BAG das Rechtsinstitut der Verwirkung ein.
Das Widerspruchsrecht und seine Folgen
Das Widerspruchsrecht ist verfassungsrechtlich, nicht aber unionsrechtlich geboten. Daher unterliegt auch die nähere Ausgestaltung des Widerspruchsrechts allein nationalem Recht (BAG 24. August 2017 – 8 AZR 265/16). Das Widerspruchsrecht ist ein auf Verhinderung oder Beseitigung der Rechtsfolge des §613 a Abs. 1 S. 1 BGB gerichtetes Gestaltungsrecht (vgl. BAG 28. Februar 2019 – 8 AZR 201/18).
Die Ausübung des Widerspruchsrechts führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer fortgesetzt wird. Daher scheidet ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses in den Fällen aus, in denen der bisherige Rechtsträger erlischt und das Arbeitsverhältnis wegen gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge auf einen neuen Arbeitgeber übergegangen ist. Bei der gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge rückt nämlich der neue Rechtsträger in die Arbeitgeberstellung ein, ohne dass es auf einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ankäme.
Fälle, in denen das Widerspruchsrecht erlischt
Das BAG gewinnt dieses Ergebnis durch eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 613a Abs. 6 BGB in den Fällen, in denen der bisherige Rechtsträger durch die gesellschaftsrechtliche Umwandlung erlischt.
Der Sinn des Widerspruchsrechts erschöpfe sich nicht allein in dem Schutz des Arbeitnehmers, gegen seinen Willen einen neuen Arbeitgeber aufgedrängt zu bekommen. Vielmehr führe die Ausübung des Widerspruchs auch zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber. Der Widerspruch sei darauf gerichtet, den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebsübernehmer nicht eintreten, sondern stattdessen das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbestehen zu lassen. Diese Rechtsfolgen ließen sich nicht voneinander trennen.
Sofern daher der bisherige Arbeitgeber erloschen sei, bedürfe es auch mit Blick auf die durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Vertrags- und Berufsfreiheit des Arbeitnehmers keines Widerspruchsrechts zur Abwehr eines aufgedrängten Vertragspartners.
Auch Verzicht auf das Widerspruchsrecht ist möglich
Auf das Widerspruchsrecht kann durch einseitige Erklärung verzichtet werden (BAG 28. Februar 2019 – 8 AZR 201/18). Möglich ist insoweit sowohl ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht als solches als auch ein zeitweiliger Verzicht auf dessen Ausübung. Voraussetzung eines Verzichts auf das Widerspruchsrecht als solches oder auf dessen Ausübung ist allerdings das Bewusstsein, ein solches Recht zu haben.
Ob ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht oder dessen Ausübung zudem eine ordnungsgemäße Unterrichtung oder jedenfalls eine zutreffende Unterrichtung in Textform über die „grundlegenden Informationen“ voraussetzt, ist umstritten (vgl. zum Streitstand BAG 28. Februar 2019). Wenn die Parteien einer Betriebsübertragung die Arbeitnehmer zu einem Verzicht auf das Widerspruchsrecht motivieren möchten, empfiehlt es sich, die vorgedruckte Verzichtserklärung an die ordnungsgemäße Unterrichtung, die den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB genügt, anzuhängen.
Voraussetzungen für das Widerspruchsrecht: Ein Betriebsübergang (der nicht immer einer ist!)
Das Widerspruchsrecht setzt tatbestandlich einen Betriebsübergang voraus. Wird der Arbeitnehmer darüber unterrichtet, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf den Erwerber übergeht, stellt sich aber später heraus, dass es sich nicht um einen Betriebsübergang gehandelt hat, so kann der Arbeitnehmer auch außerhalb der Monatsfrist geltend machen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem ursprünglichen Arbeitgeber fortbesteht (BAG 25. Januar 2018 – 8 AZR 309/18).
In dem entschiedenen Fall waren alle Beteiligten im Jahre 2011 davon ausgegangen, dass eine Transaktion die Voraussetzungen des Betriebsübergangs erfüllte. Als der neue Arbeitgeber im Jahre 2015 insolvent wurde, verklagte ein Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses gleichzeitig seinen alten Arbeitgeber.
Das Bundesarbeitsgericht stellte im Jahre 2018 erstmalig fest, dass der vermeintliche Betriebsübergang im April 2011 tatsächlich keiner war. Zu Recht ging das BAG davon aus, dass das Risiko der falschen Beurteilung als Betriebsübergang vom Arbeitgeber und nicht vom Arbeitnehmer zu tragen ist. Das heißt natürlich in der Konsequenz, dass die Parteien einer Betriebsveräußerung in ihrer Gestaltung die Möglichkeit einbeziehen müssen, dass ein von ihnen angenommener Betriebsübergang möglicherweise keiner ist.
Relevant wird das immer bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Erwerbers. Bisher suchte der Arbeitnehmeranwalt dann im Unterrichtungsschreiben nach Fehlern, um auch noch nach längerer Zeit – wohl bis zu sieben Jahre – den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses erklären zu können. In Zukunft wird auch zu prüfen sein, ob die damalige Gestaltung überhaupt die Voraussetzungen des § 613a BGB erfüllte.
In diesem Sinne hat auch das BAG in einer späteren Entscheidung erwogen, dass selbst, wenn die Partei eines Rechtsstreits überstimmend von einem Betriebsübergang ausgehen, die Tatsachengerichte zumindest eine pauschale, summarische Prüfung der Tatbestandvoraussetzungen des § 613 a BGB vorzunehmen haben.
Form des Widerspruchs
Der Widerspruch kann sowohl gegenüber dem Veräußerer als auch gegenüber dem Erwerber erklärt werden. Die Erklärung bedarf der Schriftform. Schriftform bedeutet Unterschriftsform gemäß § 126 BGB. Das Formerfordernis soll dem Arbeitnehmer die Bedeutung seiner Erklärung verdeutlichen und gleichzeitig die Beweisführung darüber, ob der Arbeitnehmer widersprochen hat, für den Veräußerer und den Erwerber erleichtern.
Die Schriftform verlangt aber nicht, dass der Widerspruch ausdrücklich erklärt werden muss. Es reicht aus, dass der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Arbeitnehmers in einer formgerechten Urkunde einen andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat (Andeutungstheorie).
Frist für den Widerspruch: Wann beginnt diese zu laufen?
Nach § 613 a Abs. 6 BGB kann der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Abs. 5 erhoben werden. Der Beginn der Frist ist ausschließlich abhängig von dem Zugang des Unterrichtungsschreibens. Der Zeitpunkt des Betriebsübergangs hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den Lauf der Frist.
Die Parteien einer Betriebsveräußerung haben es daher in der Hand, durch eine rechtzeitige Unterrichtung vor dem Betriebsübergang zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs vollständige Klarheit über die übergehenden und nicht übergehenden Arbeitnehmer zu haben. Zwar schreibt Abs. 5 vor, dass die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang zu unterrichten seien. Allerdings ist weder die Unterrichtung Voraussetzung für den Übergang der Arbeitsverhältnisse noch sind Veräußerer oder Erwerber gehindert, nach dem Betriebsübergang die ordnungsgemäße Unterrichtung nachzuholen und so die Monatsfrist auszulösen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG setzt nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung die Widerspruchsfrist in Gang. Weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße oder nicht vollständige Unterrichtung wird diese Frist ausgelöst.
Nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung zählt!
Zunächst gilt: Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Ob eine erfolgte Unterrichtung den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung (BAG 13. Juli 2006 – 8 AZR 303/05).
Die Hinweise auf die Rechtsfolgen in dem Unterrichtungsschreiben müssen präzise sein und dürfen keinen juristischen Fehler enthalten. Es genügt nicht, wie dies früher die Rechtsprechung gesehen hat, dass die Belehrung über die rechtlichen Folgen nur „im Kern“ richtig ist und lediglich eine ausreichende Unterrichtung erfolgen muss.
Wann ist eine Unterrichtung vollständig und richtig?
Zu unterrichten ist über den Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen. Außerdem sind der Gegenstand des Betriebsübergangs und der Betriebsübernehmer grundsätzlich mit Firmenbezeichnung und Anschrift so zu benennen, dass sie identifizierbar sind.
Das BAG hat in einer Vielzahl von Entscheidungen die Anforderungen hierzu präzisiert und verschärft. So ist etwa als Grund für den Übergang nicht nur die Angabe des Rechtsgrunds erforderlich, sondern auch eine zumindest schlagwortartige Mitteilung der unternehmerischen Gründe des Betriebsübergangs, die sich im Falle eines Widerspruchs auf den Arbeitsplatz auswirken könnten (BAG 13. Juli 2006 – 8 AZR 303/05).
Die rechtlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs ergeben sich zunächst einmal aus den Abs. 1 bis 4 des § 613a BGB. Nach der Rechtsprechung des BAG erstreckt sich die Unterrichtung auf die vollständige Darstellung des Haftungssystems (BAG 26. Mai 2011 – 8 AZR 18/10), die Fortgeltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen einschließlich der Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen und eine ggf. beim Erwerber bestehende Freiheit von der Sozialplanpflicht nach § 112 a Abs. 2 BetrVG. Dabei müssen die Hinweise auf die Rechtsfolgen präzise da sein und dürfen keinen juristischen Fehler enthalten.
Andererseits sollen die Erklärungen auf den Empfängerhorizont der betroffenen Arbeitnehmer abstellen und eine für arbeitsrechtliche Laien verständliche Terminologie wählen. Angesichts der hochkomplexen und teilweise umstrittenen Rechtsfragen einerseits und dem Erfordernis nach einer für Laien verständlichen Darstellung andererseits ist es nicht verwunderlich, dass die Erstellung eines vollständigen und richtigen Unterrichtungsschreibens eine sehr anspruchsvolle Aufgabe darstellt.
Außerdem ist über die kapitalmäßige Ausstattung des Erwerbers, und soweit bekannt, über mögliche wirtschaftliche Schwierigkeiten zu unterrichten. In Fällen einer übertragenden Sanierung ergibt sich daraus folgerichtig ein zusätzliches Dilemma.
Folge der unvollständigen Unterrichtung, wie etwa im aktuellen Fall
Ist das Unterrichtungsschreiben nach den geschilderten Maßstäben unvollständig oder unkorrekt, so beginnt die Widerspruchsfrist nicht zu laufen. Eine Kausalität zwischen der fehlerhaften Information und dem nicht ausgeübten Widerspruchsrecht verlangt das BAG nicht. Das ist erstaunlich, weil andererseits immer wieder die strengen Anforderungen an den Inhalt des Unterrichtungsschreibens damit begründet werden, dass diese Informationen dem Arbeitnehmer eine informierten Entscheidung über die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts ermöglichen sollen.
In dem hier vorgestellten Sachverhalt enthielt die Unterrichtung keine Informationen über das Haftungssystem von § 613 a Abs. 1 und 2 BGB, das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 BGB sowie die Sperrfrist des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB. Von daher ist es alles andere als überraschend, dass das BAG das Unterrichtungsschreiben als unvollständig ansieht, so dass die Widerspruchsfrist nicht ausgelöst wurde.
Bemerkenswerter Teilaspekt für Feinschmecker
Immerhin ist es bemerkenswert, dass das BAG hier zumindest erwägt, bei Fehlern in der Unterrichtung, die keinen Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitnehmers haben können, eine differenziertere Betrachtung anzustellen. Das ist wohl so zu verstehen, dass sinnvollerweise Mindestanforderungen an die Kausalität zwischen Fehler und Entscheidung über die Ausweitung des Widerspruchsrechts zu stellen sind. Hier fehlte etwa die Belehrung über das Verbot der Kündigung wegen des Betriebsübergangs. Wäre diese Information im Unterrichtungsschreiben enthalten gewesen, so ist es fernliegend, dass dadurch die Entscheidung des Arbeitnehmers über die Auswirkung des Widerspruchsrechts beeinflusst worden wäre.
Möglicherweise ist diese Erwägung auch eine Anregung des hier zuständigen 2. Senats an den für Betriebsübergangsfragen originär zuständigen 8. Senat, seine Rechtsprechung in diesem Punkt einer Überprüfung zu unterziehen.
Zur Frage, ob und wann das Widerspruchsrecht verwirkt
Schon vor Inkrafttreten der gesetzlichen Pflicht zur Unterrichtung hatte das BAG die Auffassung entwickelt, dass das Widerspruchsrecht verwirkt werden könne. Daran hat es auch nach Einführung von § 613 a Abs. 5 und 6 BGB festgehalten.
Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz. Für das danach erforderliche Zeitmoment hat das BAG bisher eine bestimmte Frist nicht definiert. Stattdessen soll es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen.
Die widerspruchslose Weiterarbeit beim Betriebserwerber soll für die Erfüllung des Umstandsmoments danach nicht ausreichen, wohl aber eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, die zu einer Beendigung oder zumindest grundlegenden Veränderung desselben führt. Hat der Arbeitnehmer zwar keine vollständige und richtige Unterrichtung aus Anlass des Betriebsübergangs, wohl aber die grundlegenden Informationen zum Betriebsübergang erhalten, so geht das BAG bei widerspruchsloser Weiterarbeit beim neuen Inhaber über einen Zeitraum von sieben Jahren regelmäßig von der Verwirkung des Widerspruchsrechts aus. Zu den grundlegenden Informationen in diesem Sinne zählen der mit dem Betriebsübergang verbundene Übergang des Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts sowie des Gegenstands des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers.
BAG aktuell: Werden grundlegende Informationen zum Betriebsübergang gegeben, ist bei unwidersprochener und über sieben Jahre dauernder Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses das Widerspruchsrecht verwirkt
So hat das BAG im vorliegenden Fall (Urteil v. 22. Juli 2021 – 2 AZR 6/21) die Tatsache, dass der klagende Arbeitnehmer mit der Betriebserwerberin einen Beendigungsvergleich geschlossen hat, nicht als ausreichend für eine Verwirkung des Widerspruchsrechts angesehen. Das konnte kein Vertrauen des Veräußerers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts begründen, weil der Beendigungsvergleich nach Erklärung des Widerspruchs geschlossen wurde. Das ist logisch zwingend.
Im Ergebnis bestätigte das BAG die Entscheidung des Berufungsgerichts, wonach bei achtjähriger widerspruchsloser Weiterarbeit nach Erhalt der grundlegenden Informationen über den Betriebsübergang von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts auszugehen sei.
Auch wenn das BAG wiederholt und so auch hier betont hat, dass es keine Höchst- oder Mindestfristen für die Verwirkung gibt, so liegt die aktuelle Entscheidung auf Linie: Sofern die grundlegenden Informationen zum Betriebsübergang gegeben werden, ist bei unwidersprochener Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber über sieben Jahre in Abwesenheit besonderer Umstände das Widerspruchsrecht verwirkt.
Der Einwendung des Klägers, die Frist von sieben Jahren könne erst nach Ablauf des Rückkehrrechts aus dem ÜTV beginnen, hat das BAG zu Recht nicht gelten lassen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Fazit: Das Unterrichtungsschreiben und die Rechtsprechung des BAG dazu bleiben im Fokus
Die Parteien eines Betriebsübertragungsvertrages haben in der Regel ein hohes Interesse daran, dass jedenfalls der nach Anzahl oder Sachkunde überwiegende Teil der Arbeitnehmer eines Betriebs zum Erwerber wechselt. Zumindest möchten die Beteiligten möglichst schnell Klarheit haben. Daher kann nur dringend geraten werden, auf die Abfassung des Unterrichtungsschreibens allergrößte Sorgfalt zu verwenden. Eine unvollständige oder unrichtige Unterrichtung löst die einmonatige Widerspruchsfrist nicht aus. Verwirkung tritt im Regelfall frühestens nach sieben Jahren ein.