Das Thema
Der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als praxisrelevanter Dauerbrenner: Mehrere LAG und zuletzt auch das BAG haben Entscheidungen zur Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen getroffen.
Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt bekanntlich ein hoher Beweiswert zu, der aber erschüttert werden kann. Anders als früher zeigt sich die Rechtsprechung mittlerweile deutlich „offener“ für die Annahme einer Erschütterung des Beweiswertes. Wesentlicher Ausgangspunkt für die neuere Entwicklung war das Urteil des BAG vom 8.9.2021 (5 AZR 149/21).
Die danach erfolgte Entwicklung der Rechtsprechung wurde bereits in den #EFAR-Beiträgen
- Entgeltfortzahlung – Teil 1: Erschütterter Beweiswert der AU-Bescheinigung,
- Keine Entgeltfortzahlung bei mehr als sieben Tagen Fieber?
- Folgen einer falsch ausgestellten AU-Bescheinigung,
- “Ich bin dann mal weg”: Wenn Kündigung und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gleichzeitig kommen und
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – das Ende des „hohen Beweiswerts“? sowie
- Kranke dürfen Bahnfahren – Neues zum Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
vorgestellt.
Dieser aktuelle Beitrag stellt einige zwischenzeitlich erneut ergangene LAG-Entscheidungen und vor allem eine weitere Entscheidung des BAG zum Thema vor und ordnet sie – nicht nur nach thematischen Sachverhalten für einen besseren Überblick – ein.
Wiederholung: Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Beweis der Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Übermittlung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geführt (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG bzw. § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG).
Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist hierzu das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel. Ihr kommt daher ein hoher Beweiswert zu. Normalerweise kann der Beweis daher als erbracht angesehen werden, wenn der Arbeitnehmer diese vorlegt. Weitere Angaben muss er nicht machen.
Ausnahme: Erschütterung des Beweiswertes
Jedoch kann der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und notfalls beweist, die Zweifel an der Erkrankung ergeben. Dabei dürfen keine überhöhten der Anforderungen an den Arbeitgeber gestellt werden, da er in aller Regel keine Kenntnis von den Krankheitsursachen hat und nur in eingeschränktem Maß in der Lage ist, Indiztatsachen zur Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzutragen. Der Arbeitgeber muss also gerade nicht, wie bei einer gesetzlichen Vermutung, Tatsachen darlegen, die dem Beweis des Gegenteils zugänglich sind.
Die Erschütterung des Beweiswertes hat nicht zur Folge, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, sondern lediglich, dass der Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Dem Arbeitnehmer verbleibt also die Möglichkeit, die Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung also anders als durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darzulegen und ggf. zu beweisen. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, konkrete Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Schluss auf eine bestehende Erkrankung zulassen.
Neue instanzgerichtliche Entscheidungen
Zuletzt sind einige weitere instanzgerichtliche Entscheidungen ergangen und veröffentlicht worden, die sich damit befasst haben, wann eine Erschütterung des Beweiswertes (nicht) anzunehmen ist. Dabei kristallisieren sich in der Praxis einige, doch immer wiederkehrende thematische Sachverhalte heraus:
Beweiswert einer AU nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.8.2023 – 5 Sa 12/23)
Erbringen Arbeitnehmer beispielsweise anderweitig Arbeitsleistungen, die sie ebenso gut bei dem eigenen Arbeitgeber ausführen könnten, kann sich daraus ein Anzeichen für eine tatsächlich vorhandene Leistungsfähigkeit und damit eine Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergeben. Auch sportliche Aktivitäten können je nach Arbeitsaufgabe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung infrage stellen.
Zweifel an der Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können sich zudem aus zeitlichen Übereinstimmungen und Zusammenhängen ergeben, etwa wenn der Arbeitnehmer zeitgleich mit seiner Kündigung eine Bescheinigung einreicht, die passgenau die noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt oder sich nach Erhalt einer arbeitgeberseitigen Kündigung „postwendend“ krankmeldet oder sich aus seinen Äußerungen, z.B. im Kündigungsschreiben, ergibt, dass er von vornherein nicht beabsichtigt, nochmals zum Arbeitsplatz zurückzukehren.
Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist jedoch nicht allein deshalb erschüttert, weil diese einen Zeitraum innerhalb der Kündigungsfrist, insbesondere gegen Ende der Kündigungsfrist betrifft. Krankheiten können auch in einem gekündigten oder einem aus anderen Gründen endenden Arbeitsverhältnis auftreten.
Soweit der Arbeitnehmer auf dem Diensthandy wegen der zuvor von ihm eingerichteten Rufumleitung während der Arbeitsunfähigkeit Telefonate auf seinem privaten Handy entgegengenommen hat, deutet das nicht auf seine Arbeitsfähigkeit als Dozent mit den entsprechenden Haupt- und Nebenaufgaben, z.B. Unterrichtsvor- und -nachbereitung, Prüfungsvor- und -nachbereitung usw., hin.
Soweit die Arbeitsunfähigkeit mit dem Ablauf der Kündigungsfrist endete und der Arbeitnehmer ab dem Folgetag bei einem neuen Arbeitgeber wieder als Dozent gearbeitet hat, zieht das die ärztlichen Feststellungen nicht rückwirkend in Zweifel. Der mit einem Arbeitgeberwechsel verbundene Neustart kann insbesondere bei psychosomatischen Beschwerden für eine Genesung durchaus hilfreich sein.
Dauer der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entspricht Kündigungsfrist, I (LAG Nürnberg, Urt. v. 5.3.2024 – 7 Sa 223/23)
Kündigt der Arbeitnehmer selbst und legt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die den Kündigungszeitraum im Wesentlichen abdecken, erst vor, nachdem es der Arbeitgeber abgelehnt hat, den Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist zum Ausgleich von Überstunden von der Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen, ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert.
Dauer der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entspricht Kündigungsfrist, II (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.5.2024 – 5 Sa 98/23 ; im Anschluss an BAG, Urt. v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21 und Urt. v. 13.12.2023 – 5 AZR 137/23)
Wenn ein Arbeitnehmer unmittelbar nach einer Eigen- oder Arbeitgeberkündigung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreicht, die passgenau die noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdecken, ist deren Beweiswert regelmäßig erschüttert.
Dauer der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entspricht Kündigungsfrist, III (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 5.7.2024 – 12 Sa 1266/23)
Ein Indiz für die Erschütterung des Beweiswertes einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist es, wenn diese passgenau die nach einer Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abdeckt. Dabei ist nicht maßgebend, ob es sich um Kündigung von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite handelt.
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit infolge Kritik an Arbeitgeber, I (LAG Köln, Urt. v. 21.3.2024 – 7 Sa 539/23)
Die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeit im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu der Aufforderung der Arbeitgeberin, einen Reklamationszettel wegen zweier verschwundener Pakete auszufüllen, auftritt, ist für sich gesehen nicht geeignet, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
Zwar kann ein zeitlicher Zusammenhang zwischen unliebsamen Weisungen, Abmahnungen oder problematischen Personalgespräche einer Krankmeldung im Rahmen einer Gesamtschau grundsätzlich geeignet sein, Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu erwecken. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in diesem Sinne „belastende Maßnahmen“ oder Konfliktsituationen im Arbeitsverhältnis alltäglich vorkommen können. Würde allein die zeitliche Nähe des Beginns einer Arbeitsunfähigkeit zu einer solchen Situation zur Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreichen, so verlöre diese als solche ganz erheblich ihren Beweiswert.
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit infolge Kritik an Arbeitgeber, II (LAG Niedersachsen, Urt. v. 31.5.2024 – 14 Sa 618/23)
Die Gesamtbetrachtung der Geschehnisse vor der Arbeitsunfähigkeit, ihr Zeitraum und die anschließenden Aktivitäten des Arbeitnehmers können den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern (hier: kurz vor Krankschreibung geäußerte Kritik des Arbeitgebers; zugleich vom Arbeitnehmer angesprochener, nicht genehmigter Segelurlaub; wiederholte Krankschreibung und dennoch bekräftigter Urlaubswunsch trotz behaupteter erheblicher eigener Erkrankung).
Verstößen des eine AU ausstellenden Arztes gegen Vorgaben der Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie (AURL), I (LAG Niedersachsen, Urt. v. 18.4.2024 – 6 Sa 416/23 ;im Anschluss an BAG, Urt. v. 13.12.2023 – 5 AZR 137/23)
Verstöße gegen Regelungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, die auf medizinischen Erkenntnissen zur sicheren Feststellbarkeit der Arbeitsunfähigkeit beruhen, können geeignet sein, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
Verstößen des eine AU ausstellenden Arztes gegen Vorgaben der Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie (AURL), II (LAG Niedersachsen, Urt. v. 30.7.2024 – 10 Sa 699/23)
Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist in der gebotenen Gesamtschau erschüttert, wenn die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unter Verstoß gegen die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie über 17 Tage ausgestellt wird, die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit genau mit dem Tag endete, an dem das Arbeitsverhältnis sein Ende fand, sowie der Krankmeldung ein Konflikt der Arbeitsvertragsparteien vorausgegangen war (über den Umfang der nach § 629 BGB zu gewährenden Freizeit zwecks Stellensuche).
Keine Erschütterung des Beweiswertes einer AU (LAG Sachsen, Urt. v. 30.5.2024 – 4 Sa 17/23)
Die pauschalen und unsubstantiierten Behauptungen der Arbeitgeberin, dass die Arbeitnehmerin während ihrer Arbeitsunfähigkeit „fröhlich bummelnd“ in der Innenstadt gesehen wurde und eine „Gartenparty“ besucht hat, sind von Haus aus nicht geeignet, den Beweiswert eines ärztlichen Attestes zu erschüttern.
Zudem sind im Rahmen eines Erkrankungsbildes, wie bei der von der Arbeitnehmerin behaupteten psychogenen Erschöpfung, das Aufsuchen von Freunden und Bekannten, auch im Rahmen einer Feierlichkeit und die Erledigung von Besorgungen in der Innenstadt nicht geeignet, um Zweifel am tatsächlichen Vorliegen der Erkrankung zu begründen.
BAG bestätigt Erschütterung des Beweiswertes bei übereinstimmender Dauer der AU und Kündigungsfrist
Jüngst hat das BAG mit Urteil vom 18.9.2024 (5 AZR 29/24) auf die Revision der Arbeitgeberin das (oben bereits erwähnte) Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 15.8.2023 (5 Sa 12/23) aufgehoben, soweit es die Verurteilung der Arbeitgeberin zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch Arbeitsgericht bestätigt hat. Das BAG hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LAG zurückverwiesen.
Unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zum hohen Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und zu den für dessen Erschütterung geltende Grundsätze hat das BAG entschieden, dass das LAG – trotz eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfbarkeit seiner Würdigung – nicht erkannt hat, dass die Arbeitgeberin den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert hat:
Anders als das LAG gemeint hat, beträfen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht lediglich „einen Zeitraum innerhalb der Kündigungsfrist, insbesondere gegen Ende der Kündigungsfrist“. Vielmehr seien die nach Übergabe der Kündigung zu erbringenden Arbeitstage passgenau durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abgedeckt worden. Wenn zwischen der Kündigungserklärung und der Krankschreibung ein freies Wochenende ohne Arbeitsleistungen liege, ändere dies an das „Passgenauigkeit“ nichts.
Entgegen der Ansicht des LAG sei für die Erschütterung des Beweiswerts auch nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Kündigung und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zeitgleich übergeben müsse. Es genüge insoweit – wie auch beim sog. Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls – ein enger zeitlicher Zusammenhang.
Die dadurch begründeten Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe ein vorgelegtes ärztliches Attest nicht beseitigt, da zwischen diesem und dem Vortrag des Arbeitnehmers zum Anlass und Grund der Arbeitsunfähigkeit erhebliche Widersprüche bestünden.
BAG bestätigt Erschütterung des Beweiswertes bei Verstößen des eine AU ausstellenden Arztes gegen Vorgaben der Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie (AURL)
Das LAG habe ferner nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Bestätigung der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit durch die weitere Bescheinigung abweichend von § 5 Abs. 4 S. 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie über die Zweiwochenfrist hinaus erfolgt sei. und der Arbeitnehmer am Tag nach deren Auslaufen eine neue Beschäftigung aufgenommen habe.
Unzutreffend habe es das LAG im konkreten Fall zudem als unschädlich angesehen, dass der Arbeitnehmer am Tag danach eine neue Beschäftigung aufgenommen habe, und dies angesichts psychosomatischer Beschwerden wegen Bedrohung durch die Vorgesetzte für die Genesung durchaus als hilfreich bezeichnet. Das LAG habe sich damit rein spekulativen, bestrittenen und nicht bewiesenen Vortrag des Arbeitnehmers zu eigen gemacht. Insoweit habe es eine eigene Sachkunde in Anspruch genommen, ohne zuvor auf eine vorhandene eigene medizinische Sachkenntnis hingewiesen und diese in den Entscheidungsgründen begründet zu haben.
Schließlich sei das LAG unzutreffend davon ausgegangen, dass das von der Arbeitgeberin behauptete Verhalten des Arbeitnehmers nach der Kündigung – das Führen von Telefonaten u.a. mit Kunden aufgrund der zuvor auf dem Dienstmobiltelefon eingerichteten Rufumleitung – nicht gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen würde. Der Beweiswert werde nicht erst dadurch erschüttert, dass der Arbeitnehmer trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sämtliche vertraglich geschuldete Tätigkeiten erbringe. Der Beweiswert könne – im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände – auch dann erschüttert sein, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit Teiltätigkeiten der vertraglich geschuldeten Tätigkeit erbringe.
BAG fordert Gesamtschau
Das Zusammentreffen derart ungewöhnlicher Umstände, die jeweils für sich betrachtet unverfänglich sein mögen, begründe in der Gesamtschau ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Bei der Bewertung der Umstände des Einzelfalls sei stets im Blick zu behalten, dass an den Vortrag des Arbeitgebers zur Erschütterung des Beweiswerts keine erhöhten Anforderungen gestellt werden dürften, weil dieser nur über eingeschränkte Erkenntnismöglichkeiten verfüge.
Aufgrund der Erschütterung des Beweiswerts trage der Arbeitnehmer die Darlegungs– und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG. Da das LAG – aus seiner Sicht konsequent – hierzu keine Feststellungen getroffen habe, hat das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Im fortgesetzten Berufungsverfahren werde festzustellen sein, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers noch am Tag der Ausstellung der jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestanden hätten, welche jeweils aktuellen Beschwerden der Arbeitnehmer seiner Hausärztin mitgeteilt habe und welche Beschwerden zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit geführt hätten.
Einordnung und Fazit
Das BAG führt auch mit dieser neuen Entscheidung seine Rechtsprechung fort, wonach es für Arbeitgeber mittlerweile leichter als früher ist, eine Erschütterung des Beweiswertes erfolgreich zu begründen, und präzisiert einzelne hierzu heranziehbare Umstände.
Die o.g. Entscheidung zeigt anschaulich, wie eine Aufarbeitung des vorhandenen Sachverhalts und eine erforderlich Gesamtwürdigung aller Umstände aussehen können, um eine Erschütterung des Beweiswertes anzunehmen.