Das Thema
Seit dem 17. April 2018 liegt ein Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit“ auf dem Tisch. Dieser Entwurf zur Brückenteilzeit bleibt jedoch umstritten, weshalb sich das Kabinett – anders als vorgesehen – noch nicht im Mai damit beschäftigt hat.
Der Praktiker hat zunächst einmal eine Reihe von gewichtigen Fragen – und damit Bitten – zu der Novelle. Ich möchte hier nicht die Frage aufgreifen, ob ein Rückkehranspruch wünschenswert ist oder nicht (im war for talents wird sich dieses Gesetz ohnedies als überflüssig erweisen), sondern die Chance ergreifen, im noch laufenden Gesetzesverfahren wichtige Praktikabilitätshinweise zu geben:
Schwellenwerte und Bezugspunkt
Zunächst einmal wird in § 9a eine neue Zahl in das arbeitsrechtliche Schwellenwert-Regime eingeführt: 45. Ist das wirklich nötig? In Absatz 2 kommen dann gleich noch ein paar Schwellenwerte die mir neu vorkommen … Das führt nicht zu Transparenz und Rechtssicherheit (zumal im GroKo Vertrag zu finden ist „Vereinheitlichung von Schwellenwerten“ – das verwirrt mich!)
Meine Anregung: alle Stichzahlen sollten dem in § 9 BetrVG folgen; dann wüsste man schnell, ab welchen Zahlen welche Regelungen gelten.
Die 45 soll gelten „wenn der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt“. Das führt zu Rückfragen: Arbeitgeber ist der Vertragsarbeitgeber, die legal entity – nicht der Betrieb? Arbeitnehmer ist headcount – Teilzeit zählt voll, auch geringfügig Beschäftigte? Muss wohl so sein, denn „Personen in Berufsbildung“ (und nur diese) sind ausdrücklich ausgenommen
Meine Anregung: klarstellen; ich meine dass der Betrieb maßgeblich sein sollte (auch der Gemeinschaftsbetrieb), das „passt“ am Besten – auch bei einem „Querblick“ zum Kündigungsschutzrecht.
Umgang mit Anträgen
Zu begrüßen ist dass der Gesetzgeber die Textform auch im Arbeitsrecht nutzen lässt – aber leider nur für den Antrag; soll es hinsichtlich der Ablehnung wirklich bei der Schriftform bleiben?
Meine Anregung: grundsätzlich die Textform ausreichen lassen und dem Anspruch auf ein „modernes“ Arbeitsrecht zumindest dem Scheine nach treu werden.
Bis zur Schwelle von 200 Beschäftigten kann der Arbeitgeber Anträge ablehnen, wenn eine gewisse Anzahl Beschäftigter schon eine Reduzierung erhalten haben. Reduzierung nur nach diesem neuen Gesetz? Oder werden alle Teilzeitbeschäftigten eingerechnet? Wie sollte ersteres nachgehalten werden? Man denke an die Beweissituation in einem etwaigen Gerichtsverfahren …
Meine Anregung: wenn schon erst ab einem Schwellenwert abgelehnt werden kann, warum dann nicht eine zu berechnende Quote die sich auf alle Teilzeitbeschäftigten bezieht?
Die Beweislastumkehrt im neuen § 9
Der Wunsch auf Arbeitszeit- Verlängerung eines Teilzeitbeschäftigten ist bevorzugt zu berücksichtigen „es sei denn, dass es sich dabei nicht um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz handelt, …“.
Wie soll das praktisch gehen, die Nicht-Existenz von etwas zu beweisen? Ich kann die Begründung des BMAS nachvollziehen, der Arbeitgeber sei näher an den Tatsachen; in anderen Fällen führt das zumindest zu einer abgestuften Beweislast. Im Rhein leben keine Drachen. Jede Wette. Nur – beweisen kann ich es nicht …
Meine Anregung: abgestufte Beweislast; wenn der betroffene Beschäftigte einen freien Vollzeit-Arbeitsplatz benennt, kann man über die Beweislast der Geeignetheit sprechen.
Übrigens schlummert hier noch ein Fehler: „nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer Bewerber“. Also, ich habe zwei Teilzeitler die beide den Vollzeitarbeitsplatz möchten, und beide sind (mindestens) gleich (!) geeignet. Bekommt jetzt keiner den Zuschlag? Oder beide?
Meine Anregung: sein lassen.
Auch die Regelungen zur Abrufarbeit haben ihre Tücken
Bei einer vereinbarter Mindestarbeitszeit darf max. 25% Mehrarbeit abgerufen werden. Also, vereinbart sind mindestens 20h, Mehrarbeit nur 5 Stunden? Ist das wirklich so gemeint? Dann ist jeder Arbeitgeber besser dran, der ein Arbeitsverhältnis mit 1h monatlich vereinbart (Achtung: nicht auf Abruf!) – immer zu erbringen am ersten Werktag eines Monats – und dann Mehrarbeit anordnet. Ich bin mir zwar sicher, dass die Rechtsprechung eine derartige Gesetzeslücke rasch schließen wird – aber das ist auch im Vorhinein regelbar.
Meine Anregung: ergänzen um „die Anordnung von rechtlich zulässiger Mehrarbeit bleibt hiervon unberührt“
Man muss auch loben können: das durchgängige Referenzprinzip für Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und Feiertagen bei Abrufarbeitsverhältnissen schafft dankenswerter Weise gesetzliche Klarheit.
Soviel zum Referentenentwurf (Stand 17.04.); kommen wir nun zu Themen im Teilzeit- und Befristungsrecht, für die wir noch Entwürfe zu erwarten haben, da das im GroKo-Vertrag angekündigt ist.
Die zu erwartenden Neuregelungen bei Befristungen
Befristungen bei Arbeitgebern mit mehr als 75 Beschäftigten sollen reglementiert werden. Nicht mehr als 2,5% der Belegschaft. Zunächst wieder
Meine Anregung: klar machen, dass es auch hier offenbar um die legal entity (nicht den Betrieb) und headcount (nicht full time equivalent) handelt, vermutlich wieder mit allen Beschäftigten. Allerdings: auch hier wäre der Betrieb als Anknüpfungspunkt sachgerechter.
Nun: bei mehr als 75 Arbeitnehmern (also: 76) dürfen 2,5% sachgrundlos befristet werden. Judex non calcuat, aber mein Taschenrechner sagt mir, dass es sich bei 76 Beschäftigten („mehr als 75“) um exakt 1,9 Arbeitnehmer handelt, die sachgrundlos befristet werden können. Gilt hier ein Rundungsgebot? Wenn ja – kaufmännische Rundung? Oder gar ein Abrundungsgebot?
Meine Anregung: Klarstellen „der Beschäftigte, der zum Überschreiten des Grenzwertes führt, zählt nicht als Überschreitung des Grenzwertes“
Weitere Anregungen, etwa zum Sachgrund
Wie soll das eigentlich rein praktisch umgesetzt werden: z.B. werden bei Bäcker Bretz, der fünf Filialen hat und bei dem insgesamt 75 Arbeitnehmer tätig sind, zur gleichen Zeit am selben Tag vier Aushilfen (Ferienjobber) sachgrundlos von den Filialleitern angestellt … keiner weiss vom anderen; vielleicht war ja doch der „Betrieb“ gemeint, auf den sich die Quote bezieht? Wäre angesichts solcher Fragestellungen wünschenswert. Und muss der Sachgrund lediglich objektiv vorliegen, oder muss er im Vertrag stehen, um später den Beweis erbringen zu können?
Meine Anregung: Klarstellen dass der Sachgrund nur objektiv vorhanden sein muss, als Bezug den Betrieb hernehmen.
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