Das Thema
Der Hype um ChatGPT ist gigantisch. Die am häufigsten verwendete Anwendungsmöglichkeit ist das automatische Erstellen von Texten, was Arbeitnehmern ermöglichen kann, ihren Arbeitsaufwand erheblich zu reduzieren. Im HR-Bereich könnten durch ChatGPT beispielsweise Bewerbungen nach vorgegebenen Kriterien geprüft oder Arbeitsverträge und Kündigungen geschrieben werden. Auch können sich Arbeitnehmer deutlich einfacher und vor allem schneller Informationen zu jeglichen Themen beschaffen.
Doch während vor allem dem zunehmenden Einzug von ChatGPT im akademischen Kontext große mediale Beachtung geschenkt wird, ist die juristische Auseinandersetzung mit dem Thema bislang eher zu kurz gekommen. Ziel dieses Beitrags ist es daher, arbeitsrechtliche Aspekte herauszuarbeiten, die beachtet werden sollten, damit sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ChatGPT in Zukunft gewinnbringend und rechtssicher nutzen können.
Wie funktioniert ChatGPT?
ChatGPT beschreibt sich selbst als ein leistungsstarkes Sprachmodell, das von OpenAI entwickelt wurde, um menschenähnliche Konversationen auf der Grundlage von künstlicher Intelligenz (KI), besonders maschinellem Lernen, zu führen. Es handelt sich bei ChatGPT also um einen sprach- und textbasierten Chatbot, der mit einer großen Anzahl von Texten aus dem Internet, insbesondere aus sozialen Medien und Online-Foren, Zeitungsartikeln und Büchern „gefüttert“ und auf diese Weise trainiert wurde.
ChatGPT kann Nachrichten, kurze Texte und Gedichte schreiben, sowie komplizierte Sachverhalte erklären. Die Anwendung kann zur automatischen Datenanalyse eingesetzt werden, um Datenmengen aus einem großen, unübersichtlichen Datensatz bequem zu extrahieren. Jeder kann sich mit seiner E-Mail-Adresse und Telefonnummer einen Account erstellen, anmelden und über die Texteingabe mit dem System kommunizieren, wobei der Chatbot aus der „Unterhaltung“ lernt, wenn der User dem nicht widerspricht.
Wo liegen die Stärken und/oder Herausforderungen?
Fragt man ChatGPT, so gibt der Chatbot als seine Stärken Vielseitigkeit, Anpassungsfähigkeit, Lernfähigkeit, eine 24/7-Verfügbarkeit sowie Datenschutz an.
Allerdings bestehen bei der ungefilterten Eingabe personenbezogener Daten datenschutzrechtliche Bedenken, auf die unten eingegangen wird.
Über seine Leistungsfähigkeit verliert ChatGPT kein Wort. Zwar ist der Chatbot auch fachlich häufig sehr zuverlässig; trotzdem sollte sich der Anwender gerade auf Gebieten, die ein hohes Maß an Genauigkeit bedürfen, nicht unkontrolliert auf die Ausgaben des KI-Tools verlassen (vgl. zu medizinischen Fragen Sarraju/Bruemmer/Van Iterson/Cho/Rodriguez/Laffin, Appropriateness of Cardiovascular Disease Prevention Recommendations Obtained From a Popular Online Chat-Based Artificial Intelligence Model). OpenAI weist selbst auf bestehende Schwächen seiner KI-Technologie hin.
Zudem ist zu beachten, dass die Antworten von ChatGPT nur auf Datensätzen bis 2021 beruhen. Die Informationen können also veraltet sein, was gegebenenfalls zu unzutreffenden Antworten führt.
Gleichwohl gewährleistet die Nutzung des Chatbots ein größtenteils verlässliches Mindestmaß an Plausibilität in einer dem Menschen deutlich überlegenen Geschwindigkeit, und kann insofern eine erhebliche Effizienzsteigerung bieten.
Einführung im Wege des Direktionsrechts
Um arbeitsaufwendige Prozesse zu optimieren, finden technologische Entwicklungen häufig Einzug in betriebliche Abläufe. Arbeitgeber könnten daher ein Interesse daran haben, dass ChatGPT im Arbeitsalltag der Arbeitnehmer verwendet wird.
Kraft seines Weisungsrechts ist der Arbeitgeber befugt, unter anderem den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Hiervon gedeckt ist grundsätzlich auch die Weisung, eine bestimmte Software zu nutzen. Dass ein Arbeitnehmer seine geschuldeten Dienste gemäß § 611a BGB im Lichte des § 613 BGB weder ganz noch teilweise weiterdelegieren darf, sondern sie in Person erbringen muss (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 16.06.1986 – 4 (5) Sa 684/85, Rn. 27), steht dabei nicht in Konflikt mit der Nutzung von KI, die nach dem deutschen Rechtsverständnis (noch) nicht als Dritter, sondern als bloßes Arbeitsmittel einzustufen ist (vgl. zu ähnlichen Erwägungen im Urheberrecht Wandtke/Bullinger/Thum, 6. Aufl. 2022, UrhG § 7 Rn. 18).
Eine Weisung des Arbeitgebers zur Nutzung von ChatGPT ist daher unproblematisch möglich, sofern bei der Erstellung des Accounts die datenschutzrechtlichen Anforderungen gewahrt werden (dazu näher unten).
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei eigenmächtiger Nutzung
Umgekehrt kann es für Arbeitgeber insbesondere in Bereichen, in denen es auf ein hohes Maß an Genauigkeit ankommt, im Einzelfall sinnvoll sein, Arbeitnehmern die Nutzung von ChatGPT im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu untersagen. Dies dürfte kraft des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts möglich sein. Da die gleiche Arbeit heute schon ohne die Hilfe von ChatGPT erbracht wird, sein Einsatz aber nicht unerhebliche Risiken mit sich bringen kann, dürfte die betriebsbezogene und sachliche Untersagung wohl billigem Ermessen entsprechen. Entgegenstehende individualvertragliche, betriebsverfassungsrechtliche, tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen wird es aufgrund der Neuheit der Materie kaum geben. Sollte sich der Arbeitnehmer nach Untersagung der Nutzung von ChatGPT durch den Arbeitgeber weisungswidrig verhalten, wäre beispielsweise an eine Abmahnung bis hin zu weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen denkbar, sofern die entsprechenden sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob der Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Nutzung von ChatGPT durch den Arbeitnehmer hat. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht aufgrund der besonderen persönlichen Bindung im Arbeitsverhältnis eine Auskunftspflicht, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an einer Mitteilung hat (BAG vom 07.09.1995 – 8 AZR 828/93, Rn. 25 ff.). Lässt der Arbeitnehmer seine Aufgaben ausschließlich durch ChatGPT erbringen, besteht ein direkter Zusammenhang zu der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten vertraglichen Leistung. Mangels entgegenstehender Interessen des Arbeitnehmers hat er den Arbeitgeber in diesem Fall wohl über die Nutzung von ChatGPT in Kenntnis zu setzen.
Mitbestimmung des Betriebsrats?
Sollte der Arbeitgeber kraft seines Weisungsrechts die Arbeitnehmer dazu verpflichten, ChatGPT betrieblich zu nutzen, ist zu klären, ob und inwieweit der Betriebsrat in eine solche Entscheidung einbezogen werden muss. Die gleichen Erwägungen sind auf der anderen Seite auch für die arbeitgeberseitige Untersagung der Nutzung von ChatGPT am Arbeitsplatz anzustellen.
Grundsätzlich unterliegt es der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen (BAG vom 07.11.1996 – 2 AZR 811/95, Rn. 22). Dies gilt insbesondere für die Adaption des digitalen Wandels. Allerdings ist die Entscheidungsmacht des Arbeitgebers nicht grenzenlos, sondern kann durch Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten beschränkt sein.
Mitbestimmungsrecht in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)
Ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG scheidet von vorneherein aus. Darunter fallen verbindliche Vorschriften des Arbeitgebers, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz beeinflussen. Ist hingegen die Erbringung der Arbeitsleistung als solche betroffen, ist keine Mitbestimmung erforderlich (BAG vom 23.02.2016 – 1 ABR 18/14, Rn. 20). Zwar ist durch den Einsatz von ChatGPT nicht der Inhalt der Arbeit, sondern das Arbeitsmittel betroffen. Eine Konkretisierung der geschuldeten Arbeitsleistung hinsichtlich der Ausführungsweise soll aber ausreichen, um ein mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten anzunehmen (BAG vom 23.08.2018 – 2 AZR 235/18, Rn. 28).
Verhalten oder die Leistung der (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG)
Wenn es sich bei der Nutzung von ChatGPT allerdings um die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen handelt, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, könnte § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG grundsätzlich ein solches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen.
Als Überwachung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gilt bereits das Sammeln schon vorliegender Informationen (BAG vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, Rn. 40), die hier durch die Nutzung von ChatGPT entstehen. Somit ist zumindest für OpenAI als Betreiber von ChatGPT erkennbar, welche Anfragen der jeweilige Nutzer an ChatGPT stellt beziehungsweise, wofür er ChatGPT nutzt. Allerdings kann bei der Erstellung eines Nutzerkontos eine andere beziehungsweise eine fiktive Identität verwendet werden, die keinen Rückschluss auf die wahre Identität des Nutzers zulässt.
Zum anderen können diese Informationen nach derzeitigem Stand nicht von den Arbeitgebern konkret zur Überwachung der Arbeitnehmer herangezogen werden, da sie weder öffentlich zugänglich sind noch gegenüber OpenAI ein Anspruch auf Herausgabe der grundsätzlich zur Verhaltenskontrolle geeigneten Daten besteht. Insofern scheidet ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG schon allein aufgrund des fehlenden Zugriffs (vgl. BAG vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15) nach aktueller Rechtslage aus.
Hinweise zum Datenschutz
Die personenbezogenen Daten, die ChatGPT bei der Erstellung eines Accounts erfasst, sind neben einem nicht überprüften Namen auch eine E-Mail-Adresse sowie eine Telefonnummer. An die E-Mail-Adresse wird der Bestätigungslink geschickt und an die Telefonnummer der Sicherheitscode.
Die für die Anfragen von Nutzern bereitgestellte Daten verwendet OpenAI grundsätzlich zum Training von ChatGPT. Dem kann der jeweilige Nutzer jedoch durch Opt-out mittels eines von OpenAI bereitgestellten Formulars widersprechen. Gerade, wenn Nutzer personenbezogene Daten im Rahmen ihrer Anfragen an ChatGPT bereitstellen, sollte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden.
Von der Eingabe personenbezogener Daten im Rahmen der an ChatGPT gestellten Anfragen raten wir insbesondere aus den folgenden Gründen ab. Die Daten werden in den USA gespeichert, nicht nur von OpenAI, sondern auch von nicht näher bestimmbaren Service Providern. Eine dauerhafte Löschung der Chathistorie ist nur möglich, wenn der Nutzer seinen Account deaktiviert. Letzteres erscheint aufgrund der steigenden Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT eher unwahrscheinlich, so dass die (personenbezogenen) Daten dauerhaft von OpenAI gespeichert werden. Die von OpenAI im Rahmen von ChatGPT verwendeten technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten sind unbekannt. Vor diesem Hintergrund sollte im Rahmen der betrieblichen Nutzung auch darauf geachtet werden, keine sonstigen vertraulichen Informationen, etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, in den Anfragen zu verwenden.
Schließlich ist – insbesondere im Zusammenhang mit Abmahnungen und Kündigungen – Art. 22 Abs. 1 DSGVO zu beachten, wonach ein grundsätzliches Verbot einer ausschließlich auf automatisierter Verarbeitung beruhenden Entscheidung besteht. Die Letztentscheidungskompetenz muss dabei bei einer natürlichen Person verbleiben. Darauf sollten Unternehmer ihre Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Verwendung von ChatGPT hinweisen.
Ausblick zum “flächendeckenden” Einsatz und Fazit
Aktuell eignet sich ChatGPT aus Arbeitgebersicht (noch) nicht, um es in größerem Maße in den Betriebsablauf zu integrieren, zumal OpenAI in Deutschland keine Firmenaccounts anbietet. Auch vor dem Hintergrund, dass ChatGPT derzeit auf Daten aus dem Jahr 2021 beruht, halten sich die Einsatzmöglichkeiten noch in Grenzen. Allerdings ist eine stetige Weiterentwicklung von ChatGPT sowie eine regelmäßige Anpassung der Nutzungsbedingungen zu erwarten, die Arbeitgeber im Blick behalten sollten.
Es erscheint insbesondere nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft weitergehende Anwendungsmöglichkeiten geben wird, die sogar geeignet sein könnten, einzelne Arbeitnehmer gänzlich zu ersetzen. Ein Beispiel wäre der Einsatz von ChatGPT als automatisierter Call Center Agent im Kundensupport, der häufig gestellte Fragen unverzüglich beantwortet. Als Konsequenz davon wären sogar betriebsbedingte Kündigungen denkbar (vgl. Röder/Gebert, NZA 2017, 1289, 1290). Daran, dass eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein muss, würde sich durch den Einsatz von ChatGPT freilich nichts ändern; diese müsste daher durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen.
Bei einem „flächendeckenden“ Einsatz müssten Arbeitgeber in Erwägung ziehen, ob dies als Betriebsänderung durch Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG – ähnlich wie beispielsweise der Übergang zur EDV-gestützten Arbeit (vgl. BeckOK ArbR/Besgen, 66. Ed. 1.12.2022, BetrVG § 111 Rn. 29) – einzustufen wäre mit der Folge, dass der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist. An eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG mit den damit verbundenen Konsequenzen wäre aber auch zu denken, wenn ein Personalabbau infolge des Einsatzes von ChatGPT geplant ist, der einen erheblichen Teil der Belegschaft betrifft, d. h. insbesondere die für die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen maßgeblichen Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind.
Auch wenn diese Szenarien im Zusammenhang mit ChatGPT heute noch „Zukunftsmusik“ sind, so steht dennoch fest, dass die technische Entwicklung rasant voranschreitet und die Arbeitswelt weiter verändern wird. Arbeitgeber sind gut beraten, sich mit den Möglichkeiten von KI und wie diese – auch im Sinne der Arbeitnehmer – gewinnbringend und rechtssicher eingesetzt werden kann, auseinanderzusetzen. ChatGPT mag (noch) Schwächen haben, ist aber unbestritten ein Meilenstein in der Entwicklung von KI und deshalb ein guter Anlass.