Das Thema
Das Kurzarbeitergeld ist eines der wichtigsten Instrumente zur Überwindung der aktuellen Corona-Krise. Indem der Staat einen Teil der Lohnkosten übernimmt, hilft er, Arbeitsplätze zu erhalten und Unternehmen zu entlasten. Bis Juni 2020 haben die Unternehmen von der Möglichkeit der Kurzarbeit für mehr als 10 Mio. Arbeitnehmer Gebrauch gemacht. Aktuell ist die Bundesregierung dabei, die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld bis auf 24 Monate zu verlängern.
Mit fortschreitendem Bezug des Kurzarbeitergelds tritt aber auch der Blick auf die Risiken stärker in den Vordergrund. Sukzessive prüft die Agentur für Arbeit, ob jeweils die sozialversicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Im weiteren Zeitverlauf stellen sich vor allem aber vermehrt Abgrenzungsfragen zur betriebsbedingten Kündigung.
Kann überhaupt betriebsbedingt gekündigt werden, solange Kurzarbeitergeld bezogen wird und was sind die Folgen betriebsbedingter Kündigungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld?
Überblick zum Kurzarbeitergeld
Kurzarbeit ist die vorübergehende Kürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit wegen Mangels an Arbeit bei entsprechender Minderung der Entgeltansprüche. Das Kurzarbeitergeld ersetzt den Teil des Entgelts, der in Folge des Arbeitsausfalls nicht erarbeitet und ausgezahlt werden kann. Ohne das Kurzarbeitergeld läge das Wirtschaftsrisiko beim Arbeitgeber. Könnte er seine Mitarbeiter wegen der Corona-Krise nicht beschäftigen, würde er nach § 615 Satz 1 BGB den vollen Annahmeverzugslohn schulden. Davon entlastet ihn das Instrument der Kurzarbeit.
Das Kurzarbeitergeld deckt die sog. „Nettoentgeltdifferenz“ zwischen dem bisherigen „Soll-Entgelt“ und dem nach Reduzierung von Arbeitszeit verbleibenden „Ist-Entgelt“ in Höhe von 60% bzw. bei Arbeitnehmern mit Kindern 67% ab. Schon in der Finanzkrise 2008/2009 hat sich das Kurzarbeitergeld hervorragend bewährt, damit Unternehmen ihre Belegschaft behalten können, um nach Ende der Krise wieder voll „durchzustarten.“
Anspruchsvoraussetzungen für das Kurzarbeitergeld
In § 95 Satz 1 SGB III werden vier Anspruchsvoraussetzungen genannt: zunächst ein sog. erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall im Sinne von § 96 SGB III, dann die Erfüllung betrieblicher und persönlicher Voraussetzungen gemäß §§ 90, 98 SGB III sowie schließlich die Anzeige des Arbeitsausfalls gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB III bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk sich der Betrieb befindet. Die Anforderungen an den „erheblichen Arbeitsausfall“ hat die Bundesregierung im Rahmen der Corona-Krise deutlich abgesenkt (siehe Kurzarbeitergeldverordnung (KuGV-Bundesgesetzblatt 2020 I, 595)).
Nach § 1 Nr. 1 KuGV, mit der die Bezugsvoraussetzungen vereinfacht wurden, liegt ein erheblicher Arbeitsausfall schon dann vor, wenn mindestens 10% der beschäftigten Arbeitnehmer mehr als 10% Entgeltausfall haben. Hierbei genügt, dass diese Voraussetzung entweder im Betrieb oder der Betriebsabteilung gegeben ist (§ 97 SGB III). Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III ist eine zentrale Voraussetzung eines erheblichen Arbeitsausfalles, dass dieser „vorübergehend“ ist. Das ist dann der Fall, wenn aus der ex-ante-Betrachtung eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass in absehbarer Zeit wieder zur Vollarbeit übergangen werden kann.
Besteht umgekehrt keine solche Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben, gibt es auch keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Daher ist es vor allem bei längerer Beantragung der Bezugsdauer wichtig, dass bereits bei der Anzeige konkret dargelegt wird, worauf sich die Erwartung stützt, dass der Arbeitsausfall vorübergehend (und nicht endgültig) sein wird.
Wie immer, kommt es dabei am Ende auf die konkreten Umstände an. Im Zuge der Corona-Krise müssten daher Umstände dargelegt werden, die darauf schließen lassen, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums wieder zur Vollarbeit übergegangen werden kann. Als Anhaltspunkt für diesen Zeitraum kann man sich an der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld orientieren.
(Anm. d. Red.: Wirklich alles bei der Einführung von Kurzarbeit richtig gemacht? Warum eine Nachprüfung sinnvoll ist und welche Folgen bei einer unwirksamen Einführung drohen, lesen Sie hier.)
Abgrenzung zur betriebsbedingten Kündigung
Weitere Voraussetzung gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ist für den Bezug von Kurzarbeitergeld, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvereinbarung aufgelöst sein darf.
Der Zweck von Kurzarbeitergeld ist es gerade, Arbeitsplätze zu erhalten. Kurzarbeitergeld und betriebsbedingte Kündigungen schließen sich daher – von ihren Voraussetzungen her betrachtet – gegenseitig aus. Liegen die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit vor, fehlt es an dem für eine Beendigungskündigung notwendigen endgültigen Wegfall des Arbeitsplatzes. Eine betriebsbedingte Kündigung wäre daher unwirksam, wenn die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld vorliegen. Liegen dagegen die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung vor, kann kein Kurzarbeitergeld bezogen werden. Der Arbeitsausfall ist dann nämlich nicht vorübergehend, sondern endgültig.
Allerdings: Betriebsbedingte Kündigung ist während Kurzarbeit nicht generell ausgeschlossen
Das heißt allerdings nicht, dass der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung generell während der Kurzarbeit nicht möglich wäre; sie steht nur dem Bezug von Kurzarbeitergeld im Weg. Gleichzeitig trifft den Arbeitgeber in diesem Fall eine gesteigerte Darlegungslast vor dem Arbeitsgericht, weshalb der Beschäftigungsbedarf endgültig und nicht nur vorübergehend weggefallen ist.
Gerade in der Corona-Krise fällt die Abgrenzung der Voraussetzungen von Kurzarbeit und betriebsbedingten Kündigungen schwer. Die gefragte prognostische Entscheidung, ob der Wegfall von Aufgaben „vorübergehend“ oder „dauerhaft“ sein wird, lässt sich ohnehin meist nicht klar treffen und kann sich im zeitlichen Verlauf auch schnell wieder ändern. Einfacher wird es auch dadurch nicht, dass man sich dabei an der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld orientieren soll. Sie beträgt grundsätzlich 12 Monate, ist aber durch Rechtsverordnung auf bis zu 21 Monate verlängert worden und soll nach aktuellen Pressemeldungen sogar auf 24 Monate verlängert werden. Damit bleibt nur der Weg größtmöglicher Vorsicht, die jeweilige Höchstbezugsdauer zu Grunde zu legen.
Es liegt auf der Hand, dass eine Prognose für so lange Zeiträume in den meisten Fällen schwer fallen wird. Wenn die Höchstbezugsdauer demnächst von 21 auf 24 Monate verlängert wird, sollten bereits angestellte Prognosen jedenfalls erneut geprüft und auf die neue Höchstbezugsdauer von 24 Monaten aktualisiert werden. Unabhängig davon ist es generell in der Praxis so, dass sich eine bereits angestellte Prognose schnell ändern kann, indem z.B. geänderte Umstände (nunmehr) nahelegen, dass der Ausfall der Arbeit (doch) endgültig ist. In diesem Fall muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit anzeigen, dass der Arbeitsausfall nicht mehr nur vorübergehend ist.
Folge der Kündigung: Kurzarbeitergeld nicht mehr möglich
Die Folge wäre dann, dass Kurzarbeitergeld nicht mehr bezogen werden kann. Der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung ist dann möglich, sofern die hierfür bestehenden Voraussetzungen gegeben sind.
Sofern im jeweiligen Betrieb eine Betriebsvereinbarung existiert, die eine Reduzierung der Arbeitszeit ermöglicht, kann der Arbeitgeber gehalten sein, wegen des „ultima-ratio“ Grundsatzes der betriebsbedingten Kündigung, zunächst diese Möglichkeit voll auszuschöpfen (so BAG, Urt. v. 23.03.2012 – 2 AZR 548/10). Arbeitgeber müssen sich in jedem Fall darauf einstellen, dass der Begründungsaufwand zur Frage des dauerhaften Wegfalls von Arbeitsaufgaben bei streitigen Auseinandersetzungen um betriebsbedingte Kündigungen steigen wird. Problematisch kann es dabei vor allem sein, wenn der Arbeitgeber zunächst für den betreffenden oder vergleichbare Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld beantragt und somit einen nu r vorübergehenden Arbeitsausfall zu Grunde gelegt hat.
Nach den fachlichen Weisungen der BA entfällt die Grundlage für die Gewährung des Kurzarbeitergelds jedenfalls dann, sobald der Arbeitgeber konkrete Umsetzungsschritte, etwa für eine Stilllegung des Betriebes oder einen Personalabbau einleitet. Das kann z.B. der Ausspruch von Kündigungen oder der Abschluss von Interessenausgleichsverhandlungen mit endgültigen Namenslisten sein (siehe fachliche Weisungen Kurzarbeitergeld der BA, Gliederungspunkt 2.5 (Ziff. 96.19 ff.)). In diesem Stadium sollte der Arbeitgeber darauf achten, dass seine Maßnahmen nicht als Indizien für einen endgültigen Ausfall der Arbeit gedeutet werden können.