Genitalien im Getränkefach
Der gekündigte Arbeitnehmer, ein Maurer, hatte sich bei einem Kollegen erkundigt, ob der „von diesem gerade beladene Transporter dem Schwein gehöre“. Mit der derben Bezeichnung war ein anderer Mitarbeiter des Unternehmens gemeint.
Nachdem seine Frage bejaht wurde, hatte der Arbeiter „die Fahrertüre (weiter) geöffnet, seine Genitalien (Penis und Hoden) entblößt und diese in das Getränkefach der Fahrertüre eingehängt, wobei er mit seinen Genitalien die Innenverkleidung des Transporters berührt hat. Dabei hat der Kläger durch seine Haltung und durch Geräusche so getan, als ob er seine Notdurft verrichtet.“ Das hatten auch andere Kollegen beobachtet.
Wegen dieses Vorfalls kündigte das Unternehmen dem Maurer außerordentlich fristlos. Dagegen wehrte sich der Mann mit einer Kündigungsschutzklage. Die war allerdings nur mäßig erfolgreich.
An sich schon,…
Der Sachverhalt ist nach Meinung des ArbG Weiden „an sich“ für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Das Gericht führte dazu unter anderem aus, dass der Maurer seinen Kollegen „vor anderen als Schwein bezeichnet hat und bewusst dessen Auto in ekelerregender Weise an der Innenverkleidung der Fahrertüre mit seinen Genitalien berührt hat“. Zudem habe er andere Mitarbeiter „in die Rolle von Zeugen einer erheblichen Absenkung des Niveaus des Umgangs miteinander gezwungen – und das absichtlich“.
All das stelle eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitgebers dar, der ein schützenswertes Interesse daran hat, dass seine „Arbeitnehmer untereinander respektvoll umgehen, gedeihlich zusammenarbeiten und Dienstfahrzeuge nicht missbraucht und verunreinigt werden“. Und nicht nur das!
„Aus Sicht des Gerichts liegt überdies eine sexuelle Belästigung“ der anwesenden Kollegen „durch den Kläger gem. S. 3 IV AGG (sic!) vor, indem er diese während der Beladung der Transporter mit seinen entblößten Genitalien und seinem Vorgehen an der Fahrertüre behelligte (Berühren der Innenverkleidung und ‚Einhängen‘ ins Getränkefach)“. Die anderen Mitarbeiter, so das Gericht, werden „in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt, das darin besteht, selbst darüber zu entscheiden, ob sie von einem anderen in ein sexualbezogenes Geschehen involviert werden wollen oder eben nicht“.
…aber!
Eine außerordentliche fristlose Kündigung war nach Meinung des ArbG Weiden unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der gegenteiligen Interessen der Parteien gleichwohl nicht gerechtfertigt. Auch wenn das Verhalten des Klägers eine erhebliche Pflichtverletzung darstelle, sei es „bei näherer Betrachtung der Gesamtumstände … nicht ganz so dramatisch“, wie von dem Unternehmen angenommen.
Das Gericht hob hervor, dass es sich bei dem Maurer und seinen Kollegen „eher um ‚Männer der Tat‘ als der stets vornehmen Umgangsformen handelt und in der Baubranche ein rauerer Umgangston herrscht, als z.B. in einer Bank“. Das sei „mildernd einzukalkulieren“.
Die Belästigung der anwesenden Kollegen sei „von ihrer Intensität her eher als gering einzustufen“. Die „Aktion“ habe sich nicht gegen sie gerichtet, eine „Betroffenheit oder Entrüstung“ lag „bei keinem der – sogar auch lachenden Kollegen – vor“.
Zudem spreche für den Kläger, dass er immerhin schon 4,5 Jahre bei dem Unternehmen beschäftigt war und es bislang keine Beanstandungen gab. Der Maurer war wegen seiner guten Arbeitsleistungen kurz vor der Kündigung von seinem Arbeitgeber sogar ausdrücklich gelobt worden. Da auch nicht zu erwarten sei, dass der Mann „innerhalb der überschaubaren Kündigungsfrist ein vergleichbares Fehlverhalten wiederholt, überwiegt insgesamt das Arbeitnehmerinteresse dasjenige des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung“, so das Gericht.
Avar und Ferketei
Soweit so gut – jedenfalls aus Sicht des gekündigten Maurers. Geholfen hat es dem Mann aber nur wenig. Denn das ArbG Weiden deutete die unwirksame außerordentliche Kündigung gemäß § 140 BGB in eine ordentliche fristgerechte Kündigung um. Die war nach Meinung des Gerichts wirksam.
Das Gericht führte aus, dass der Beschäftigte „gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen“ hat, „und avar (sic!) erheblich“. Eine Herabwürdigung seines Kollegen, „die Zurschaustellung seiner Genitalien und Verschmutzung der Fahrerinnentüre durch Berührung wurde vom Kläger nicht nur in Kauf genommen, sondern war sogar beabsichtigt“. Zudem habe er den Fahrer des Wagens „durch die Ferketei (sic!) zum Putzen gezwungen“.
Bei einer solchen Aktion könne er „nicht mehr ernsthaft auf Billigung durch den Arbeitgeber hoffen“. Eine Abmahnung sei hier entbehrlich. Der Maurer habe „durch sein niveauloses Vorgehen … die Grenze des guten Geschmacks in einem Maße überschritten, dass ihm klar gewesen sein muss, dass er damit seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt“.
Das Gericht sah daher eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist als „angemessene Reaktion“ an. Und damit war der Mann seinen Job los – wenn auch etwas später als von dem Arbeitgeber gewollt.