Das Thema
Sabbaticals sind während der Corona-Pandemie ein wenig in den Hintergrund getreten. Dies lag vor allem an der großen Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem fehlte die Aussicht auf eine sinnerfüllte Auszeit mit uneingeschränkten Reisen und anderen Freizeitaktivitäten. Vor diesem Hintergrund fand eine Entscheidung des LAG Hamburg bislang wenig Beachtung (Urt. v. 04.03.2020 – 5 SaGa 2/19). Dabei enthielt sie eine bemerkenswerte Erkenntnis, die inzwischen auch von der Literatur geteilt wird: Durch Geltendmachung von Brückenteilzeit im Blockmodell können Arbeitnehmer grundsätzlich ein Sabbatical erzwingen. Bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen geht das sogar im einstweiligen Rechtsschutz. Dafür bestehe in der Regelung des § 9a TzBfG eine gesetzliche Grundlage. Doch welche Auswirkungen haben solche Blockmodelle auf die Vergütung und wie reagieren Arbeitgeber richtig?
Erscheinungsformen
Ein Sabbatical ist eine Auszeit von der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis. In der Regel geht es um einen Zeitraum von ca. drei Monaten bis zu einem Jahr. In dieser Zeit sollen Beschäftigte die Möglichkeit haben, sich zu erholen (das Wort Sabbatical ist abgeleitet vom hebräischen Wort “schabbat” = ruhen). In der Praxis existieren unzählige Variationen. Vor allem können Sabbaticals durch unbezahlte Freistellung während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses oder durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Wiedereinstellungszusage erfolgen. Beliebter sind Blockmodelle und der Einsatz von Zeitwertkonten. Die Beschäftigten füllen diese zuvor z.B. mit Überstunden und Urlaubstagen oder sie verzichten in einer Ansparphase auf einen Teil ihres Lohns, bis der gewünschte Sabbatical-Zeitraum finanziert ist. Dabei sind Wertguthaben gesondert gegen Insolvenzrisiken zu sichern (§ 7e SGB IV). Abzugrenzen sind Sabbaticals von Eltern- und Pflegezeit sowie von Altersteilzeit und vom Bildungsurlaub.
Kein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Gewährung von Sabbaticals
Viele Arbeitgeber bieten Sabbaticals inzwischen von sich aus an. Ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Gewährung von Sabbaticals besteht jedoch nicht. Auch enthalten nur wenige Tarifverträge entsprechende Regelungen. Vor allem im öffentlichen Dienst sind relevante Bestimmungen vorhanden (§ 28 TVöD). Betriebsräte können Sabbaticals aber nicht erzwingen. Ein entsprechendes Initiativrecht steht ihnen nicht zu.
Anspruch auf Brückenteilzeit
Ein Anspruch auf Gewährung eines Sabbaticals kann sich für Beschäftigte aber aus § 9a TzBfG ergeben. Danach kann ein Arbeitnehmer verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum verringert wird, der mindestens ein und höchstens fünf Jahre beträgt, (§ 9a Abs. 1 TzBfG). Ferner muss der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigen und das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestanden haben. Dazu muss der Arbeitnehmer die Verringerung seiner Arbeitszeit, den Umfang der Verringerung und den begehrten Zeitraum der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn in Textform geltend machen. Er soll dabei den gewünschten Umfang der Reduzierung und die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben (§ 9a Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 2 TzBfG). Die Verringerung kann dabei grundsätzlich auch auf null Stunden pro Woche erfolgen. Das Gesetz sieht keine Mindest- oder Maximalvorgaben für das reduzierte Arbeitszeitvolumen vor. Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass er für einen bestimmten Zeitraum gar nicht arbeitet.
Der Arbeitgeber kann das Verlangen des Arbeitnehmers ablehnen, soweit betriebliche Gründe entgegenstehen (§ 9a Abs. 2 Satz 1 TzBfG i.V.m. § 8 Abs. 4 TzBfG). Die entgegenstehenden betrieblichen Gründe können sich auch auf den gewünschten Umfang der Verringerung der Arbeitszeit und auf die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit beziehen (§ 9a Abs. 3 TzBfG i.V.m. § 8 Abs. 4 TzBfG). In Frage kommt etwa eine drohende wesentliche Beeinträchtigung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsablaufs oder der Sicherung des Betriebs oder eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung. Ferner gibt es inzwischen eine ganze Fülle von Rechtsprechung zu rechtsmissbräuchlicher Brückenteilzeit (z.B. mit Freistellungsphasen über Weihnachten/Neujahr oder über die Ferienzeit). Außerdem können Arbeitgeber die Gewährung von Brückenteilzeit nach § 9a Abs. 2 Satz 2 TzBfG ablehnen, wenn – je nach Gesamtzahl der Arbeitnehmer – bereits eine bestimmte Anzahl anderer Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit entsprechend verringert hat.
„Brückenteilzeit Null“ und die Nachteile
Nach einem Urteil des ArbG Stralsund vom 11.09.2019 (3 Ca 121/19) sei die reine Reduzierung der Arbeitszeit auf null nicht von § 9a TzBfG gedeckt, dies sei nur im Blockmodell möglich. Das TzBfG sei kein Sonderurlaubs- oder Sabbaticalgesetz. Diese Auffassung dürfte aber nicht im Einklang mit dem Gesetz stehen. § 9a TzBfG beschränkt nur die Länge des Zeitraums der Arbeitszeitverkürzung auf ein Mindest- und Höchstmaß, regelt solche Grenzen aber nicht im Hinblick auf das reduzierte Arbeitszeitvolumen (LAG Hamburg v. 04.03.2020).
Ein Arbeitnehmer kann ein Sabbatical daher durch Brückenteilzeit erzwingen, indem er eine Reduzierung seiner Arbeitszeit auf null während des gesamten von ihm definierten Zeitraums verlangt (Modell „Brückenteilzeit Null“). In diesem Fall muss das Sabbatical mindestens ein Jahr dauern (§ 9a Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Während des erzwungenen Sabbaticals besteht dann kein Anspruch auf Zahlung von Vergütung. Es gilt der Grundsatz “ohne Arbeit kein Lohn” (vgl. § 614 Satz 1 BGB). Dies vermindert die Attraktivität des erzwungenen Sabbaticals für Arbeitnehmer. Nach Ablauf eines Monats einer unbezahlten Freistellung entfällt der Sozialversicherungsschutz (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV); die Arbeitnehmer müssen sich dann insbesondere selbst krankenversichern. Ferner erwerben Arbeitnehmer in der arbeitsfreien Zeit keinen Urlaubsanspruch (BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 315/17). Bei ganzjährigen Sabbaticals fällt zudem der Anspruch auf Jahresurlaub vollständig weg. Schließlich haben Beschäftigte während eines solchen Sabbaticals keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Anspruch auf Brückenteilzeit im „Blockmodell“
Es ist sogar möglich, dass Arbeitnehmer ein Sabbatical erzwingen können, das weniger als ein Jahr dauert. Dem steht auch nicht § 9a Abs. 1 Satz 2 TzBfG (“mindestens ein Jahr”) entgegen. Wie das geht, zeigt das bereits erwähnte Urteil des LAG Hamburg: Arbeitnehmer können Brückenteilzeit auch im sogenannten „Blockmodell“ geltend machen. Dazu müssen sie verlangen, dass die Arbeitszeit für einen Zeitraum von einem Jahr verringert wird und innerhalb dieses Zeitraumes so verteilt wird, dass sie in bestimmten „Blöcken“ (z.B. Monaten) gar nicht arbeiten. So hat das LAG Hamburg entschieden, dass eine Arbeitnehmerin verlangen konnte, dass ihr Arbeitgeber ihre Arbeitszeit innerhalb eines Jahreszeitraumes für drei bestimmte Monate des betreffenden Jahres auf 0 Stunden verringert, während sie in den verbleibenden neun Monaten weiterhin 40 Stunden pro Woche arbeitet (LAG Hamburg v. 04.03.2020). Dies war nach Ansicht des Gerichts zulässig, da § 9a Abs. 1 Satz 2 TzBfG keine gleichmäßige Verteilung der verringerten Arbeitszeit über einen bestimmten Zeitraum (hier ein Jahr) vorsehe. Daher könne die Arbeitszeit in bestimmten Abschnitten der Arbeitszeitverringerung auch auf null Stunden reduziert werden. Die Arbeitnehmerin war nach Auffassung des Gerichts zudem nicht auf das vertraglich vereinbarte Modell der Arbeitszeitverteilung (etwa pro Woche oder Monat) beschränkt, sondern habe im Rahmen des § 9a TzBfG Anspruch auf eine entsprechende Vertragsänderung (hin zu einer Jahresarbeitszeit). Die Brückenteilzeit im Blockmodell sei auch mit der in § 9a Abs. 1 S. 2 TzBfG definierten Mindestdauer der Arbeitszeitverringerung von einem Jahr vereinbar. Die Dauer der Arbeitszeitverringerung sei dann das jeweilige Jahr, dessen (Jahres-)Arbeitszeit verringert wird und in dem das Sabbatical somit stattfindet.
Arbeitgeber können auch die Brückenteilzeit im Blockmodell ablehnen, wenn
- betriebliche Gründe entgegenstehen (§ 9a Abs. 2 Satz 1 TzBfG),
- die Höchstzahl innerhalb des Unternehmens erreicht ist (§ 9a Abs. 2 Satz 2 TzBfG) oder wenn
- die Verteilung der Arbeitszeit bzw. die blockweise Freistellung rechtsmissbräuchlich sind (siehe oben).
Anspruch auf verstetigte Vergütung bei Brückenteilzeit im Blockmodell?
Die Auswirkungen auf die Vergütung sind bei einseitig erzwungenen Blockmodellen bislang kaum betrachtet worden. Aber auch hier gilt im Hinblick auf die Freistellungsphase zunächst der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ (vgl. § 614 Satz 1 BGB). Insbesondere können Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch während der Zeiten ohne Beschäftigung auch nicht durch gleichmäßige Absenkung sämtlicher Monatsgehälter des Jahres erreichen, indem ein angepasstes, verstetigtes Monatsgehalt gezahlt wird. Das Gesetz sieht nicht vor, dass die (Jahres-)Vergütung gleichmäßig monatlich entsprechend der nach § 9a TzBfG durchgesetzten Arbeitszeitverringerung absinkt. Mit anderen Worten: Während Monaten mit Null-Stundenwochen beträgt der Vergütungsanspruch vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen 0,00 €, in den übrigen Monaten des Jahres (dessen Arbeitszeit verringert wird) ist er an die jeweilige Arbeitszeit angepasst. Dies folgt schon daraus, dass die Verpflichtungen zur Arbeitsleistung und Vergütungszahlung synallagmatisch verbunden sind. Im Ausgangsfall des LAG Hamburg wurde daher die Klage auf eine verstetigte Vergütung auch während der Monate vollständiger Freistellung (0-Stundenwoche) zu Recht abgewiesen. Dafür fehle eine gesetzliche Anspruchsgrundlage.
Kein Grund zur Sorge für Arbeitgeber
Das erzwungene Sabbatical muss Arbeitgeber daher nicht beunruhigen. Sie müssen sich zwar darauf einstellen, dass die Erzwingung eines Sabbaticals durch Brückenteilzeit möglich ist. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass sich dies zu einem weit verbreiteten Phänomen ausweitet. Dafür begründet ein erzwungenes Sabbatical für Arbeitnehmer häufig zu viele Nachteile. Ferner unterliegen die Brückenteilzeit und ihre Geltendmachung insgesamt recht strengen Voraussetzungen, die Arbeitgeber stets sorgfältig prüfen sollten. Die bessere Wahl ist natürlich die vorausschauende Planung und einvernehmliche Regelung eines Sabbaticals.
Sabbatical besser proaktiv regeln
Besteht eine Arbeitnehmervertretung, sind kollektivrechtliche Regelungen zu den Voraussetzungen einer Inanspruchnahme empfehlenswert, um im Betrieb oder unternehmensweit einen einheitlichen Standard zu erreichen. Viele Unternehmen haben solche Standards bereits in Sabbatical-Richtlinien gesetzt (teils als globale Policies). Dennoch überwiegen in der Praxis noch immer individuelle Lösungen auf einzelvertraglicher Basis, insbesondere wenn einschlägige Regelungen in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen fehlen.