Mit dem Gesetzentwurf soll die Entgeltgrenze der geringfügig entlohnten Beschäftigung angehoben und zukünftig dynamisiert werden, indem die Entgeltgrenze bei der Vergütung liegt, die sich bei einer Tätigkeit von 10 Wochenstunden zu den jeweils geltenden Mindestlohnbedingungen ergibt. Gleichzeitig soll die Arbeitszeiterfassung für geringfügig Beschäftigte zwingend auf elektronischem Weg erfolgen.
Überforderung kleiner Unternehmen befürchtet
Der Deutsche Anwaltverein (DAV; Ausschuss Arbeitsrecht: u.a. Dr. Nathalie Oberthür, Prof. Dr. Björn Gaul, Dr. Barbara Reinhard, Dr. Christian Arnold, Dr. Susanne Clemenz, Dr. Thomas Müller-Bonanni) regt nun in einer Stellungnahme an, zu überprüfen, ob die elektronische Zeiterfassung aller geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse zwingend geboten ist, oder ob dies möglicherweise zu einer Überforderung insbesondere kleiner Unternehmen führen kann.
Eine vergleichbare Regelung zur elektronischen Zeiterfassung wurde 2020 in § 6 GSA Fleisch aufgenommen, um angesichts der besonders prekären Arbeits- und Lebensbedingungen in der fleischverarbeitenden Branche Kontrollen zu vereinfachen. Das Fleischerhandwerk wurde demgegenüber „vor dem Hintergrund der geringen Missbrauchsanfälligkeit von der Pflicht zur elektronischen Arbeitszeitaufzeichnung und Aufbewahrung, deren Einführung mit einem im Verhältnis zu der Unternehmensgröße höheren Aufwand als in der Fleischindustrie verbunden wäre, ausgenommen.“ (BR-Drucksache 426/20 v. 07.08.2020, S. 33).
Unverhältnismäßiger Aufwand
Vergleichbare Erwägungen könnten anzustellen sein, wenn die Verpflichtung zur elektronischen Zeiterfassung für alle geringfügig Beschäftigten eingeführt werden soll. Sie wäre unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens und unabhängig von dem Potential missbräuchlicher Arbeitsbedingungen und könnte so einen unverhältnismäßigen Aufwand begründen. Geringfügig Beschäftigte werden branchenübergreifend und flächendeckend eingesetzt, auch in kleinen Unternehmen, die nicht über elektronische Zeiterfassungssysteme verfügen. Der europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 14.05.2019 (C-55/18; Anm. d. Red.: vgl. dazu den #EFAR-Beitrag „EuGH: EU-Staaten müssen Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung verpflichten – Die wichtigsten Fragen“) die Verpflichtung zur objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassung festgestellt. Diese Erfassung zwingend und ohne Berücksichtigung von betrieblichen Besonderheiten elektronisch auszugestalten, folgt auch nach der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs nicht ohne weiteres aus den unionsrechtlichen Vorgaben.
Anm. d. Red.: Beiträge zu den Folgen der EuGH-Urteils (Instanzrechtsprechung, Gesetzesinitiativen, Mitbestimmung, Praxisfragen etc.) finden sich unter https://efarbeitsrecht.net/?s=zeiterfassung