Das Thema
Gerade erst hat Siemens entschieden und öffentlichkeitswirksam kommuniziert, auch nach der Pandemie stark auf wechselnde Arbeitsorte zu setzen. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer soll künftig an zwei bis drei Tagen pro Woche nicht mehr ins Büro oder ins Werk kommen müssen, obwohl arbeitsvertraglich vereinbarter Arbeitsort das Büro/Werk ist. „Einen harten Anspruch auf das Homeoffice gibt es allerdings nicht“, so ein Personalmanager von Siemens.
Arbeitsrechtlich entstehen aus den derzeit vielerorts aktuellen Überlegungen, eine Regelmäßigkeit zwischen mobiler Arbeit (im weitesten und engeren Sinne) und einem festem Arbeitsplatz im Büro herzustellen, zahlreiche Fragen, unter anderem:
Darf der Arbeitgeber überhaupt eine teilweise Tätigkeit im Homeoffice einseitig anordnen, wenn Arbeitsort das Büro ist?
Einseitig anordnen kann der Arbeitgeber eine teilweise Homeoffice-Tätigkeit nur dann, wenn es eine entsprechende individuelle Vereinbarung oder eine Betriebsvereinbarung dazu gibt. (Zur Anordnung von Homeoffice im Rahmen der akuten Corona-Lage)
Jedoch kann der Arbeitgeber jederzeit auf freiwilliger Basis anregen, dass Arbeitnehmer, wie nun bei Siemens, ca. an zwei bis drei Tagen pro Woche freiwillig im Homeoffice arbeiten dürfen, wenn sie dies wollen.
Jedoch sollten auch die Einzelheiten einer teilweisen Homeoffice- oder Mobile Office-Tätigkeit (etwa im Hinblick auf den Aufenthalt im Ausland) schriftlich vereinbart werden.
Wie organisiert man arbeitsrechtlich eine solche Hybridlösung, also den Spagat zwischen Büroarbeitsplatz und Homeoffice?
Auch wenn eine freiwillige Hybridlösung arbeitsrechtlich nicht wie eine dauerhafte Homeoffice-Lösung zu behandeln ist, treffen den Arbeitgeber, sofern er auch die Tätigkeit im Homeoffice/Mobile Office zulässt, bestimmte Arbeitsschutzpflichten:
- Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ist von beiden Parteien zu gewährleisten; so gelten die Grundsätze zur Vertrauensarbeitszeit entsprechend.
- Die Einhaltung der Schutzvorschriften der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättVO) sowie auch die Pflicht zum Ergreifen von geeigneten Schutzmaßnahmen gem. § 618 BGB (Schutz vor Gefahr für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers) hat der Arbeitgeber, wenn auch in abgespeckter Form, bei der Hybridlösung zu beachten. Allerdings bleiben auch die Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers, insbesondere seine Pflicht zum Eigenschutz (§ 15 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchutzG) sowie die Pflicht zur Meldung unmittelbarer erheblicher Gefahren (§ 16 ArbSchutzG) bestehen.
- Da ein Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit im Homeoffice typischerweise regelmäßig auch personenbezogene Daten gem. Art. 4 Nr. 2 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) verarbeitet, bleibt der Arbeitgeber auch bei der Hybridlösung datenschutzrechtlich Verantwortlicher gem. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO und hat für die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben nach der DS-GVO zu sorgen.
Aufgrund der vorbezeichneten Compliance-Pflichten des Arbeitgebers sowie der Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers ist eine sog. Homeoffice-Vereinbarung oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung auch für ein teilweises Tätigwerden im Homeoffice ratsam. Nur auf diese Weise können Arbeitgeber sich bestmöglich im Haftungsfall z.B. bei behaupteten Arbeitszeitverstößen, bei Dienstunfällen oder möglichen Datenschutzverstößen absichern.
Hinweis: Bei mobiler Arbeit – anderes als bei Homeoffice-Arbeit – sind die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers weniger ausgeprägt, da die Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers auf die konkrete Arbeitsumgebung anerkanntermaßen eingeschränkter sind. Allerdings spielt der Datenschutz auch im Mobile Office eine gesteigerte Rolle.
Arbeitsschutzpflichten und Gefährdungsbeurteilung im Homeoffice wurden zudem ergänzt im #EFAR schon behandelt.
Sind Arbeitgeber verpflichtet, im Fall des teilweisen Homeoffices/Mobile Offices Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen oder einen (pauschalen) Kostenausgleich zu gewähren?
Bei der Hybridlösung sollte eine solche Verpflichtung durchaus „sparsamer“ gehandhabt werden, als bei einer ausschließlichen Homeoffice-Tätigkeit. Denn schließlich stellt der Arbeitgeber bei einer Hybridlösung in erster Linie unverändert den Büroarbeitsplatz mit sämtlichem Equipment (ganz oder zeitanteilig) zur Verfügung.
Da das BAG bereits in einem Urteil aus 2013 (14.10.2003 – 9 AZR 657/02) einen Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers für sog. „Vermögensopfer“ im Interesse des Arbeitgebers analog § 670 BGB bestätigt hat und der Umfang eines solches Aufwendungsersatzes in der Praxis diskussionswürdig ist, sind Arbeitgeber gut beraten, wenn sie mit den Mitarbeitern auch bei einer Hybridlösung eine geringe Kostenpauschale für die wenigen Tage im Homeoffice vereinbaren. Denn anderenfalls könnten Arbeitnehmer versuchen, gem. § 670 BGB auch für ihre teilweise Tätigkeit im Homeoffice Aufwendungsersatzansprüche z.B. in Bezug auf Miet-, Energie-, Internet-, Telefonie- und sonstige Betriebskosten und –mittel geltend zu machen.
Durch eine entsprechende Pauschale (z.B. bei zwei Tagen pro Woche Homeoffice EUR 10 – 40 pro Monat) können damit sämtliche Kosten pauschaliert abgedeckt werden. Wichtig ist noch der Hinweis, dass der Arbeitnehmer bei wechselnder Tätigkeit keine Kosten für die Fahrt zum Betrieb des Arbeitgebers geltend machen kann.
Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, wenn sie feststellen, dass die teilweise Homeoffice-Tätigkeit im Einzelfall nicht gut funktioniert?
Homeoffice-Tätigkeiten setzen in der Tat ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Organisationstalent des einzelnen Arbeitnehmers voraus. Dazu ist nicht jeder Arbeitnehmer gleichermaßen imstande. Möchte der Arbeitgeber die Hybridlösung deshalb doch rückgängig machen, ist dies arbeitsrechtlich nur möglich, wenn er sich bei einer unbefristeten Vereinbarung über die Hybridlösung ein Widerrufsrecht vorbehalten hat.
Nach den Vorgaben des BAG muss das Widerrufsrecht so formuliert sein, dass der Arbeitnehmer transparent erkennen kann, in welchen Situationen er mit einem Widerruf rechnen muss. Deshalb kommt einem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt hierbei eine besondere Wichtigkeit zu. Hierfür bedarf es also einer ausdrücklichen Vereinbarung (ausführlich zur Beendigung von Tätigkeiten im Homeoffice)