Das Thema
Wird ein Zeitarbeitnehmer von einem Verleiher an einen Entleiher überlassen, hat dieser ab dem ersten Tag des Einsatzes einen Anspruch auf Gleichstellung hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen (einschließlich des Entgelts), die einem vergleichbaren Stammbeschäftigten im Betrieb des Entleihers gewährt werden (sog. equal treatment) – so der gesetzliche Grundsatz in § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG, der in der Praxis jedoch die Ausnahme darstellt.
Die mit Zeitarbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsverträge enthalten nämlich regelmäßig eine Bezugnahmeklausel auf ein Tarifwerk der Zeitarbeit (BAP/DGB oder iGZ/DGB), um so den Gleichstellungsgrundsatz ausschließen. Für das sog. equal pay, also die Gleichstellung hinsichtlich des Entgelts, ist dies seit dem 01.04.2017 nur noch eingeschränkt möglich. Eine entsprechende Abweichung ist grundsätzlich auf die ersten neun Monaten der Überlassung des Zeitarbeitnehmers an einen Entleiher beschränkt, es sei denn, es kommt ein sog. Branchenzuschlagstarifvertrag zur Anwendung (§ 8 Abs. 4 S. 2, 3 AÜG).
Das BAG hat jüngst die Anforderungen an die Gestaltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf ein Tarifwerk der Zeitarbeit konkretisiert (Urt. v. 16.10.2019 – 4 AZR 66/18; Vorinstanz: LAG Bremen v. 06.12.2017 – 3 Sa 64/17).
Werden in diesem Zusammenhang Fehler gemacht, besteht die Gefahr, dass der Gleichstellungsgrundsatz nicht wirksam abbedungen wurde und folglich equal pay/equal treatment ab dem ersten Tag der Überlassung zu gewähren ist.
Die Bewertung durch das BAG
Die Parteien streiten über Differenzvergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des equal pay. Der Kläger bei dem beklagten Verleiher als Zeitarbeitnehmer beschäftigt. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag wird auf das Tarifwerk iGZ/DGB verwiesen.
Das BAG hob die noch klageabweisende Entscheidung des LAG Bremen auf und verwies die Sache zurück. Die Beklagte sei dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger das Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es der Entleiher einem bei ihm beschäftigten vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewähre. Eine zur Abweichung vom Gebot der Gleichstellung berechtigende Abrede hätten die Parteien nicht getroffen. Eine lediglich punktuelle Vereinbarung tariflicher Bestimmungen genüge insoweit nicht. Gleiches gelte für die bloße Inbezugnahme sachlich und inhaltlich zusammenhängender Regelungsbereiche oder -komplexe aus den Tarifwerken für die Arbeitnehmerüberlassung.
Unschädlich seien hingegen vertragliche Regelungen über Gegenstände, die tariflich nicht geregelt seien und deshalb keine verdrängende Wirkung entfalten würden, sowie Vertragsbestimmungen, die zugunsten des Arbeitnehmers von den tariflichen Festlegungen abwichen und deshalb auch im Fall einer beiderseitigen Tarifgebundenheit nach § 4 Abs. 3 TVG zulässig wären (sog. Günstigkeitsvergleich). Dies ergebe eine Auslegung der gesetzlichen Vorschriften. Zwar sei der Wortlaut von § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG a.F. nicht eindeutig, die Gesetzessystematik spreche hingegen deutlich für die Notwendigkeit der vollständigen vertraglichen Inbezugnahme des jeweiligen Tarifwerks in seiner Gesamtheit, um die Verdrängung des Gleichstellungsgebots herbeizuführen. Für ein solches Verständnis könnten auch der Sinn und Zweck des § 9 Nr. 2 AÜG a.F. angeführt werden.
Die mögliche Abweichung durch Tarifverträge vom Gleichstellungsgrundsatz beruhe nämlich auf der Erwägung, dass tarifvertragliche Regelungen eine hinreichende Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer böten, da grundsätzlich von der Parität der Vertragspartner ausgegangen werden könne. Dabei habe der Gesetzgeber nicht zwischen der Geltung des Tarifvertrages kraft Tarifgebundenheit und der Anwendung kraft vertraglicher Inbezugnahme unterschieden. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm stütze diese Auslegung.
Bezugnahmeklausel: Wirkung ist beschränkt
Das Tarifwerk iGZ/DGB sei jedoch vorliegend nicht vollständig in Bezug genommen worden, weil verschiedene Regelungen des Arbeitsvertrages von den tariflichen Bestimmungen abwichen und nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen Vorrang vor diesen hätten. Damit beschränke sich die Wirkung der Bezugnahmeklausel auf den verbleibenden Teil der Tarifverträge.
Die abweichenden Bestimmungen seien auch nicht so ausgestaltet, dass sie ausschließlich zugunsten des Klägers wirken würden. Den Parteien bleibe es aber unbenommen, transparente Kollisionsregeln für das Verhältnis einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Abrede zu den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen aufzustellen.
Einzelnen, konkreten Vereinbarungen der Parteien könne zudem nicht entnommen werden, dass die vertraglichen Abreden lediglich nachrangig gegenüber den tariflichen Regelungen gelten sollten. Eine Kollisionsregel (vgl. BAG v. 25.09.2013 – 5 AZR 778/12) fehle.
So liste der letzte Satz der Einleitung des Arbeitsvertrags lediglich auf, dass für das Arbeitsverhältnis die gesetzlichen Bestimmungen, die in Bezug genommenen Tarifverträge sowie die vertraglichen Regelungen gelten sollten, ohne selbst die verschiedenen Normebenen in eine bestimmte Hierarchie zu stellen oder eine Regel für den Fall einer Kollision aufzustellen.
Erhebliche Auswirkungen der Entscheidung für die Praxis
Zunächst ist festzustellen, dass sich das Urteil des 4. Senats zwar zunächst auf die vor dem 01.04.2017 geltende Rechtslage bezieht, sich die obigen Erwägungen aber grundsätzlich – unter Berücksichtigung der “Struktur” des AÜG – auch auf die ab dem 01.04.2017 geltenden gesetzlichen Bestimmungen übertragen lassen dürften. Die Ausführungen des BAG behalten daher für die Rechtslage ab dem 01.04.2017 Gültigkeit und sind folglich für ab diesem Zeitpunkt abgeschlossene Arbeitsverträge zu beachten.
Im Hinblick auf den vom BAG entschiedenen Fall dürfte sich das Erstaunen über das Ergebnis zunächst in Grenzen halten, wurden doch an zahlreichen Stellen im Arbeitsvertrag von dem beklagten Verleiher “Modifikationen” von dem an sich in Bezug genommenen Tarifwerk iGZ/DGB vorgenommen. Dabei hat sich das BAG nur noch mit einigen von dem Kläger benannten Klauseln im Arbeitsvertrag befasst, der noch über weitere “Pfeile im Köcher” verfügte, indem u.a. noch eine Abweichung von der tarifvertraglichen Arbeitszeit gerügt wurde.
Der 4. Senat hat es jedoch bei den exemplarisch im Urteil herausgegriffenen sechs Bestimmungen belassen, um die arbeitsvertraglichen Abweichungen zu Lasten des Zeitarbeitnehmers vom Tarifwerk iGZ/DGB herauszuarbeiten.
Nicht jede Abweichung vom Tarifwerk der Zeitarbeit führt zur Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes
Fraglich ist dabei, ob die schiere Masse der Änderungen der tariflichen Bestimmungen im konkreten Fall den Ausschlag für die Bewertung gegeben hat, dass der Gleichstellungsgrundsatz nicht wirksam abbedungen werden konnte. Dies mag insbesondere vor dem Hintergrund zumindest als zweifelhaft erscheinen, da BAG – unabhängig von der dem Umfang und der “Intensität” der arbeitsvertraglichen Modifikationen – recht apodiktisch feststellt, dass grundsätzlich eine vollständige Inbezugnahme der tariflichen Vorschriften erforderlich sein soll, um den Gleichstellungsgrundsatz wirksam ausschließen zu können. Diesen Ausführungen könnte zu entnehmen sein, dass grundsätzlich jede zu Lasten des Zeitarbeitnehmers wirkende arbeitsvertragliche Abweichung von den tariflichen Bestimmungen, sei diese auch noch so geringfügig, schaden soll. Ob allerdings tatsächlich jede auch noch so minimale arbeitsvertragliche Änderung der tariflichen Bestimmungen, die zu Lasten des Zeitarbeitnehmers wirkt, dazu führt, dass der Gleichstellungsgrundsatz ab dem ersten Tag der Überlassung einschlägig ist, dürfte dennoch in Abrede zu stellen sein.
Dies lässt sich insbesondere mit einer Änderung des Wortlautes der gesetzlichen Vorschriften begründen. Der Entscheidung des BAG lag § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG a.F. zugrunde, der mit Wirkung zum 01.04.2017 in § 8 Abs. 2 S. 3 AÜG “überführt” worden ist. Während das Gesetz in der Altfassung noch davon ausging, dass “im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren können”, heißt es in der aktuellen Fassung, dass “im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrages vereinbaren können” [Anm.: Hervorhebungen durch den Verfasser].
Ausreichend ist folglich, dass auf Grundlage der seit dem 01.04.2017 geltenden Vorschrift das Tarifwerk der Zeitarbeit (als Tarifvertrag gem. § 8 Abs. 2 S. 3 AÜG) in Bezug genommen wird, nicht hingegen, dass auf sämtliche tariflichen Regelungen verwiesen werden muss, wie dies nach dem Wortlaut von § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG a.F. und des dort verwendeten Plurals noch erforderlich gewesen ist (a.A. wohl Hamann, jurisPR-ArbR 8/2020 Anm. 1, der jedoch von einem gleichbleibenden Wortlaut der Vorschrift ausgeht). Daraus ist abzuleiten, dass nicht jede minimalste und für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses im Zweifel unwesentliche Abweichung von dem Tarifwerk der Zeitarbeit zur Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes führt.
Es kommt nicht darauf an, ob von einer “wesentlichen Arbeitsbedingung” abgewichen wird
Erschwerend kommt hinzu, dass das BAG zum Nachteil des Zeitarbeitnehmers von dem Tarifwerk abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag als schädlich ansieht, wenn diese einen tariflich bestimmten Komplex betreffen, der aber keine “wesentliche Arbeitsbedingung” gem. § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG betrifft. Dazu zählt das BAG abschließend nur die in Art. 3 Abs. 1 lit. f) der Zeitarbeitsrichtlinie aufgezählten Konditionen, nämlich Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage sowie das Arbeitsentgelt (vgl. BAG v. 23.03.2011 – 5 AZR 7/10). Insbesondere Ausschlussfristen werden von dem BAG nicht als wesentliche Arbeitsbedingung angesehen, doch zeigt die aktuelle Entscheidung vom 16.10.2019, dass auch eine zum Nachteil des Zeitarbeitnehmers wirkende Abweichung in diesem Zusammenhang dem an sich beabsichtigten Ausschluss der Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes entgegenstehen kann.
Es kommt daher nicht darauf an, ob die zu Lasten des Zeitarbeitnehmers im Arbeitsvertrag vereinbarte Abweichung vom Tarifvertrag eine “wesentliche Arbeitsbedingung” gem. § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG (im engeren oder im weiteren Sinne) betrifft oder nicht.
Wie wirken sich Änderungen am Tarifvertrag aus?
Zudem kann sich durch eine nachträgliche Änderung des Tarifvertrages ergeben, dass sich eine bei Abschluss des Arbeitsvertrages noch unkritische Regelung im Nachhinein als für den Zeitarbeitnehmer nachteilig erweist. Auch dies soll nach Ansicht des BAG relevant sein, zumindest wenn die Anpassung des Tarifvertrages bei Abschluss des Arbeitsvertrages schon feststand, z.B. weil die Tarifvertragsparteien bereits einen neuen Tarifvertrag verhandelt haben, der zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt in Kraft treten soll.
Nicht zu Lasten der Arbeitsvertragsparteien kann aber das allgemeine Risiko gehen, dass sich ein Tarifvertrag zukünftig ändern wird und die arbeitsvertragliche Regelung dann zum Nachteil des Zeitarbeitnehmers abweicht. Dies muss im Übrigen auch gelten, wenn sich zwar eine Änderung des Tarifvertrages anbahnte oder andeutete, diese aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages aufgrund einer fehlenden Verständigung der Tarifvertragsparteien noch nicht verbindlich festgelegt worden ist.
BAG zeigt Lösungsmöglichkeiten auf: Aufnahme einer Kollisionsklausel
Unabhängig davon lässt der 4. Senat arbeitsvertragliche Modifikationen der tariflichen Bestimmungen ausnahmsweise zu, ohne dass dies die (gewünschte) Abbedingung des Gleichstellungsgrundsatz ausschließen würde und begründet dies teilweise recht ausführlich. Auch zeigt das BAG zeigt eine abstrakte Lösungsmöglichkeit auf, um die Kollision zwischen den arbeitsvertraglichen Abreden und den in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen aufzulösen.
Der 4. Senat geht zunächst davon aus, dass ausdrücklich in einen Arbeitsvertrag aufgenommene Klauseln grundsätzlich Vorrang im Verhältnis zu den nur aufgrund einer Verweisung geltenden tariflichen Regelungen haben sollen. Durch eine Kollisionsklausel kann klargestellt werden, welches Verhältnis zwischen den arbeitsvertraglichen Abreden und den in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen gelten soll.
Das BAG weist aber drauf hin, dass eine entsprechende Kollisionsklausel das Transparenzgebot beachten muss. Die Anforderungen an die AGB-rechtliche Wirksamkeit sind allerdings hoch, wie das BAG bereits in Zusammenhang mit CGZP-Fällen zu entscheiden hatte (vgl. BAG v. 19.02.2014 – 5 AZR 920/12 ). Vor diesem Hintergrund dürfte es mit erheblichen Zweifeln verbunden sein, ob es gelingt eine den Anforderungen des BAG genügende, AGB-rechtlich wirksame Kollisionsklausel zu “entwickeln”. Ausgeschlossen ist dies freilich nicht.
Auswirkungen für die Praxis: Die “Hausaufgaben” für Verleiher
Für diejenigen Verleiher, die in den mit den Zeitarbeitnehmern geschlossenen Arbeitsverträgen uneingeschränkt auf die Tarifwerke der Zeitarbeit Bezug nehmen, ergibt sich aus der Entscheidung wenig Neues. Interessant wird es für diejenigen Verleiher, die zunächst auf das Tarifwerk BAP/DGB bzw. iGZ/DGB verwiesen haben, aber dann im Arbeitsvertrag davon (möglicherweise auch unbewusst und ohne “böse Absicht”) zum Nachteil des Zeitarbeitnehmers abweichende Abreden davon getroffen haben.
Hier besteht das Risiko, dass der Verleiher von den Zeitarbeitnehmern auf die Einhaltung des Gleichstellungsgrundsatzes und damit auf equal pay ab dem ersten Tag der Überlassung in Anspruch genommen wird. Die Erfahrungen aus der “Abwicklung der CGZP” zeigen, dass dieses Risiko in der Regel beherrschbar sein dürfte; herausfordernder und wirtschaftlich gleichsam bedrohlicher ist jedoch der Umstand, dass sich auch die Bundesagentur für Arbeit und die DRV für die Entscheidung des BAG und deren “Umsetzung” bei dem Verleiher interessieren könnten. Wird der Gleichstellungsgrundsatz nicht wirksam abbedungen, werden regelmäßig die tariflichen bzw. gesetzlichen Mindestarbeitsbedingungen nicht gewährt, z.B. bei einem Verstoß gegen das equal pay-Gebot. Dies kann erlaubnisrechtliche Schritte (bis hin zum Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gem. § 5 AÜG), Ordnungswidrigkeiten und nicht unerhebliche Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen (zumindest für die letzten vier Jahre) nach sich ziehen. Zudem sind an einen bedingten Vorsatz auch strafrechtliche Konsequenzen geknüpft (§ 266a StGB).
Verleiher sollten Arbeitsvertragsmuster prüfen
Verleihern ist aufgrund des aktuellen Urteils des BAG vom 16.10.2019 dringend zu empfehlen, die bisher verwendeten Arbeitsvertragsmuster zu prüfen bzw. anwaltlich prüfen zu lassen und diese im Bedarfsfall an die vom 4. Senat gestellten Anforderungen anzupassen. Das im Zweifel geänderte Muster sollte sodann zwingend für Neueinstellungen verwendet werden.
Dabei sind Verleiher gut beraten, mit Blick auf die Unwägbarkeiten, die sich aus der rechtlich komplexen Abgrenzung auf Grundlage der Entscheidung des BAG ergeben, ob eine Abweichung von dem Tarifwerk der Zeitarbeit ausnahmsweise unschädlich ist, im Wesentlichen auf die tariflichen Vorschriften zu verweisen und darüber hinaus keine Experimente zu wagen, indem zu tariflichen Teilregelungen ergänzende Abreden im Arbeitsvertrag getroffen werden. Weniger dürfte in diesem Fall mehr sein, selbst wenn auf diese Art und Weise die bisherige Flexibilität im Arbeitsverhältnis durch eine entsprechend “offene” Gestaltung des Arbeitsvertrages – wie sie bisher mitunter gelebt wurde – ein Stück weit verloren geht.
Ob auch eine “Umstellung” der Altverträge erfolgt bzw. erfolgen sollte, hängt von dem Ergebnis der Prüfung des Arbeitsvertrages und der daraus abgeleiteten Erkenntnis ab, wie hoch das Risiko eingeschätzt wird, dass aufgrund der Vertragsgestaltung der Gleichstellungsgrundsatz in der Vergangenheit nicht wirksam abbedungen worden ist. Wird dieses als hoch bewertet, dürfte eine “Umstellung” durch den Abschluss von Änderungsverträgen erforderlich sein, um zu verhindern, dass sich die oben dargestellten erlaubnisrechtlichen und wirtschaftlichen sowie ggf. strafrechtlichen Risiken weiter erhöhen. Dabei muss der Verleiher aber einkalkulieren, dass bei einer flächendeckenden “Umstellung” der Arbeitsverträge der Bestandsmitarbeiter ein nicht unerheblicher organisatorischer Aufwand entsteht und durch deren Ansprache erst “schlafende Hunde” bzw. entsprechende Begehrlichkeiten geweckt werden.
Im Ergebnis gibt es zahlreiche rechtliche und tatsächliche Erwägungen, die es bei der Entscheidung, wie auf das Urteil des BAG vom 16.10.2019 reagiert werden sollte, zu beachten gilt. Wichtig ist dabei aber, dass darauf reagiert wird (keine “Vogel-Strauß-Haltung”).
BAG klärte nicht alle offenen Fragen
Trotz der Brisanz des Urteils ist spannend, worüber das BAG aufgrund der bereits nicht hinreichenden (vertraglichen) Inbezugnahme des Tarifwerks der Zeitarbeit nicht entscheiden musste. Der 4. Senat konnte beispielsweise ausdrücklich offenlassen, ob die gesetzlich ausdrücklich als zulässig anerkannte Möglichkeit, den Gleichstellungsgrundsatz durch die Anwendung der Tarifverträge der Zeitarbeit oder eine entsprechende Bezugnahme auf diese abzubedingen, mit europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Dies wird teilweise bestritten. Die damit befassten Instanzgerichte sind – soweit bekannt – bislang unisono von einer Europarechtskonformität ausgegangen
Mangels vollständiger Inbezugnahme bedurfte es zudem keiner Entscheidung, ob es sich bei den Tarifverträgen der Zeitarbeit um ein einheitliches oder ein mehrgliedriges Tarifwerk handelt. Mit der Beantwortung dieser Frage werden insbesondere die für die Praxis relevanten AGB-rechtlichen Anforderungen an die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf dieses festgelegt.
Am Rande sei noch ergänzend erwähnt, dass das BAG dem LAG Bremen noch ein umfängliches “Prüfprogramm” mit auf den Weg gibt, das es bei der Bestimmung der Höhe des equal pay-Anspruchs zu berücksichtigen hat. Dabei bestätigte der 4. Senat seine bisherige Rechtsprechung zum Thema.
BAG verdeutlicht die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem equal pay – Anspruch
Im Ergebnis verdeutlichen diese Feststellungen des BAG nochmals mit einer entsprechenden Deutlichkeit, welche Schwierigkeiten bei der gerichtlichen Geltendmachung und Durchsetzung eines equal pay-Anspruchs bestehen. Der Zeitarbeitnehmer trägt, so er keine Auskunft nach § 13 AÜG vorlegen kann, die volle Darlegungs- und Beweislast, insbesondere hinsichtlich der bei dem Entleiher geltenden Entgeltbedingungen (auch während der Zeiträume der Entgeltfortzahlung).
Wichtig ist, dass das BAG (erneut) feststellt, dass der Zeitarbeitnehmer seinen equal pay-Anspruch nicht durch das Herunterrechnen eines dem Stammbeschäftigten verstetigt gewährten Monatsgehalts auf einen Stundenlohn, der für die Vergütung von Zeitarbeitnehmern nach den in der Branche geltenden Tarifwerken grundsätzlich üblich ist, berechnen und beziffern kann. Dies gilt im Übrigen – so dürfte die Rechtsprechung des BAG zu verstehen sein – auch für Personaldienstleister, die im Rahmen der equal pay-Berechnung während eines laufenden Einsatzes in der Praxis ein bei dem Kunden gewährtes Monatsentgelt auf einen Stundensatz herunterrechnen und diesen dann mit den von dem Zeitarbeitnehmer tatsächlich bei dem Kunden in einem Monat geleisteten Stunden multiplizieren. Das BAG stellt insoweit ausdrücklich klar, dass auch ein auf Grundlage eines Stundenlohns vergüteter Zeitarbeitnehmer im Rahmen der Gleichstellung einen Anspruch auf die Zahlung eines (verstetigten) Monatsgehalts hat.