Das Thema
Die Corona-Pandemie traf Arbeitgeber und Arbeitnehmer unerwartet. Insbesondere in der Arbeitswelt entstanden zahlreiche Herausforderungen, auf die es rechtlich vermeintlich noch keine Antwort gab. Mit den pandemiebedingten Maßnahmen stieg daher auch die Anzahl der einschlägigen Gerichtsverfahren. So betrafen seit März 2020 deutschlandweit bislang knapp 10.000 Verfahren Infektionsschutzmaßnahmen. Hiervon fielen zwar verhältnismäßig wenige auf die Arbeitsgerichtsbarkeit. Dennoch wurden viele untergerichtliche Entscheidungen mit Spannung erwartet und sorgten in der Öffentlichkeit für Aufsehen.
Kein Homeoffice-Anspruch für Arbeitnehmer
Wenn betriebliche Gründe bekannt werden, die dem Arbeiten im Homeoffice entgegenstehen, können Arbeitgeber eine einmal erteilte Weisung auf die Homeoffice-Nutzung nachträglich ändern. So entschied das LAG München (Urt. v. 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21, vgl. Arbeitgeber darf Rückkehr aus Homeoffice anordnen). Die (neue) Weisung des Arbeitgebers muss jedoch “billigem Ermessen” entsprechen. Im vom LAG entschiedenen Fall genügte einerseits die technische Ausstattung am Wohnort des Arbeitnehmers nicht der im Büro des Arbeitgebers, wodurch es zu Problemen mit der Weiterverarbeitung bzw. Nutzbarkeit von Dateien und Dokumenten kam. Darüber hinaus durfte der Arbeitgeber seine zuvor erteilte Weisung auf Nutzung des Homeoffice zurücknehmen, da der Arbeitnehmer für die Ausübung der Tätigkeit den Laptop seiner Ehefrau nutzte. Es war damit nicht gesichert, aufgrund welcher Datenschutzmaßnahmen die Unternehmensdaten vor dem Zugriff Dritter geschützt waren. Im Übrigen hielt das LAG München fest, dass ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice nicht besteht. Bekanntlich hat sich ein solcher auch in der politischen Diskussion zumindest in der abgelaufenen Legislaturperiode nicht durchsetzen können und die aktuelle Homeofficepflicht für Arbeitgeber läuft voraussichtlich im März 2022 aus.
In einem anderen Fall entschied das LAG Köln (Urt. v. 12.04.2021 – 2 SaGa 1/21, vgl. LAG Köln: Kein Beschäftigungsanspruch bei ärztlich attestierter Unfähigkeit, eine Maske zu tragen) zwar hauptsächlich, dass eine bestehende Maskenpflicht im Betrieb des Arbeitgebers auch für einen Arbeitnehmer gelte, der durch ärztliches Attest vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit wurde. Das Gericht hielt aber auch fest, dass ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Homeoffice-Tätigkeit mangels der notwendigen technischen Ausstattung an seinem Wohnort nicht bestehe. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, damit der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung vollständig von zu Hause erbringen könne.
Praxistipp: Ein genereller Anspruch auf Homeoffice besteht nicht. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollten Arbeitgeber vorab stets prüfen, ob die Tätigkeit der Arbeitnehmer zu Hause überhaupt erbringbar ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem, welche technische Ausstattung vorhanden ist und ob den Vorgaben des Datenschutzrechts entsprochen werden kann. Es empfiehlt sich, für Homeoffice-Tätigkeiten die technischen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Dadurch ist sichergestellt, dass alle Geräte auf dem notwendigen technischen Stand sind. In den übrigen sollte man sich vom Arbeitnehmer darlegen lassen, wie die Arbeit zu Hause erbracht werden soll. Unabhängig von den derzeit geltenden Regelungen aufgrund der pandemischen Lage bleibt abzuwarten, ob die Gesetzgebung erneut einen Anspruch der Arbeitnehmer auf mobile Arbeit sowie dessen konkrete Ausgestaltung in Angriff nimmt.
Sonderzahlungen (“Corona-Bonus”) – Nur ausnahmsweise besteht eine Rückzahlungsverpflichtung
Das ArbG Oldenburg (Urt. v. 25.05.2021 – 6 Ca 141/21) entschied, dass eine sogenannte Rückzahlungsklausel mit einer vereinbarten Bindungsdauer von zwölf Monaten für einen gewährten Corona-Bonus in Höhe von 550 Euro unwirksam ist. Wirksamer Gegenstand einer Rückzahlungsklausel ist grundsätzlich, dass eine vom Arbeitgeber gewährte Sonderzahlung zurückgezahlt werden muss, wenn das Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Stichtag aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen, beendet wird. Das Gericht stützte seine Entscheidung zum einen darauf, dass die vorgesehene Bindungsdauer von zwölf Monaten bei einer Sonderzahlung in Höhe von 550 Euro zu lang sei. Daneben hielt es die Rückzahlungsklausel für unwirksam, da mit der Sonderzahlung nicht nur die Betriebstreue, sondern auch bereits erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden sollte. Darauf deute die Formulierung „einmal steuerfrei in Bezug auf die Corona-Pandemie“ hin. Hieraus folge, dass die Belastungen des Arbeitnehmers während der Pandemie finanziell ausgeglichen und anerkannt werden sollten.
Praxistipp: Das ArbG Oldenburg bestätigt mit seiner Entscheidung die bereits gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu Sonderzahlungen. Rückzahlungsklauseln können nur dann wirksam vereinbart werden, wenn durch die Sonderzahlung ausschließlich Betriebstreue honoriert werden soll. Formulierungen, die ein Indiz für auch honorierte Arbeitsleistung sein können, müssen in daher jedem Fall vermieden werden, da in diesem Fall die Rückzahlungsklausel von vornherein unwirksam wäre. Für Sonderzahlungen, die nur Betriebstreue honorieren und für die eine Rückzahlungsklausel vorgesehen ist, gilt folgende Faustformel: Bei Kleingratifikationen (bis 100 Euro) ist jedwede Rückzahlungsklausel unwirksam. Für Gratifikationen darüber bis zu einem Bruttomonatsgehalt kann man Klauseln vereinbaren, die eine Bindungsdauer von maximal drei Monaten vorsehen, und bei einer Sonderzahlung über einem, aber unter zwei Bruttomonatsgehältern kann eine Bindungsdauer von sechs Monaten vorgesehen werden.
Testpflicht im Unternehmen
Das ArbG Offenbach (Urt. v. 03.02.2021 – 4 Ga 1/21) entschied im Eilverfahren, dass Arbeitgeber den Zutritt zum Betriebsgelände grundsätzlich vom Nachweis eines negativen Corona-Tests abhängig machen können. Das Unternehmen hatte per Betriebsvereinbarung den Zugang zum Betriebsgelände ab einer Inzidenz von 200 nur nach Vorlage eines negativen Testergebnisses zugelassen. Arbeitgeber seien verpflichtet, ihre Mitarbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, so das Gericht. Insbesondere nach dem ArbSchG treffe den Arbeitgeber die Pflicht, unter Berücksichtigung der Umstände die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Eine Unzumutbarkeit der Testpflicht für die Arbeitnehmer lehnte das ArbG angesichts der pandemischen Lage ab.
Praxistipp: Aufgrund des dynamischen Verlaufs der pandemischen Lage hatten sich die Umstände seit der Entscheidung des ArbG Offenbach geändert, da die Inzidenzen über einen längeren Zeitraum auf einem relativ konstant und niedrigen Niveau waren und eine erhebliche Anzahl der Menschen in Deutschland geimpft ist. Arbeitgeber mussten daher besonders darauf achten, bei der Einführung entsprechender Regelungen zum Schutz der Belegschaft auf Datenschutz- und Diskriminierungsproblematiken in Bezug auf ungeimpfte Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Aufgrund der dramatischen Entwicklungen in den vergangenen Wochen, sah sich der Gesetzgeber jedoch zu einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) veranlasst, die am 18.11.2021 beschlossenen wurde. Diese sieht unter anderem eine 3G-Pflicht am Arbeitsplatz vor. Die Frage, was Arbeitgeber für ihren Betrieb konkret vorgeben können, hat der Gesetzgeber nun bereits vorweggenommen.
Rund um den Betriebsrat
Die beiden nachfolgend zusammengefassten Entscheidungen sind mit Blick auf die im Jahr 2022 anstehende Wahlperiode und die Komplikationen zu lesen, die die Corona-Pandemie sowohl bei der Aufstellung von Wahlvorständen als auch bei der Durchführung von Betriebsversammlungen mit sich gebracht hat:
Eine Wahlvorstandsbestellung auf dem Betriebsparkplatz führt nicht zur Nichtigkeit der Wahl
Nach dem ArbG Weiden (Beschl. v. 18.12.2020 – 3 BVGa 2/20) ist die Bestellung eines Wahlvorstands auch bei einer spontanen Betriebsversammlung auf dem Parkplatz des Betriebs nicht nichtig. Hintergrund der Entscheidung war die beabsichtigte erstmalige Wahl eines Betriebsrats. Drei Wahlinitiatoren luden alle Beschäftigten unter Aushang eines Hygienekonzepts und Mitteilung an den Arbeitgeber zur Wahl eines Wahlvorstands in den Betriebsräumlichkeiten ein. Nach dieser Einladung wurde von der Landesregierung ein „Teil-Lockdown“ beschlossen. Dieser verhinderte aus Sicht des Arbeitgebers die Durchführung der Betriebsversammlung in den Betriebsräumlichkeiten. Die Versammlung der Beschäftigten fand zwar zum geplanten Zeitpunkt statt, allerdings auf dem Parkplatz des Betriebs. Das ArbG Weiden kam zum Ergebnis, dass die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands nur auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt sei. Auch in Pandemiezeiten sei das Recht zur Durchführung von Betriebsratswahlen nicht ausgesetzt. Die Wahl müsse unkompliziert möglich sein und allenfalls im Nachgang anfechtbar. Rechtlich bedeutet dies, dass die Wahl zunächst wirksam war. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Fehler im Wahlverfahren so gravierend ist, dass er die Nichtigkeit zur Folge hat. Dann muss der Wahl aber “der Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn stehen”. In diesen Fällen gilt die Wahl als von Anfang an nicht existent.
Praxistipp: Die Anforderungen an die absolute Nichtigkeit von wahlvorbereitenden Handlungen sind hoch. Den Arbeitgeber trifft auch dann eine Unterstützungspflicht, wenn die Bestellung des Wahlvorstands anfechtbar ist. Andernfalls bestünde stets die Gefahr der Wahlverzögerung und eines betriebsratslosen Betriebs. Arbeitgeber sollten ihre Unterstützungspflicht ernst nehmen und – solange die Nichtigkeit nicht offensichtlich ist – dieser Pflicht nachkommen. Ein pflichtwidriges Verhalten stellt eine rechtswidrige Wahlbehinderung dar und kann strafbar sein, §§ 20 Abs. 1, ,119 Abs. 1 BetrVG.
Ermöglichung von Online-Versammlungen des Betriebsrats
Die Verhinderung von Versammlungen aus pandemischen Gründen hatte u.a. eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 14.04.2021 – 15 TaBVGa 401/21) zum Gegenstand. Das LAG entschied im einstweiligen Verfügungsverfahren, dass der Arbeitgeber Hardware für die Durchführung von Videokonferenzen im erforderlichen Umfang zu stellen habe. Geld für die Beschaffung müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat indes nicht zahlen.
Praxistipp: Dem Betriebsrat steht lediglich einen Überlassungsanspruch hinsichtlich beantragter Sachmittel zu. Ein Anspruch auf Geld, um die Sachmittel eigenständig zu beschaffen, hat er hingegen nicht. Aufgrund der Neuregelung in § 30 Abs. 2 BetrVG zur Möglichkeit von Video- und Telefon-Betriebsratssitzungen sollten Arbeitgeber den Betriebsrat auf ein entsprechendes Verlangen hin ausreichend ausstatten.
Vergütungsanspruch bei behördlicher Schließung
Erst kürzlich hat das BAG (Urt. v. 13.10.2021 – 5 AZR 211/21, vgl. Betriebsrisiko und Lockdown) darüber entschieden, ob bei einer Betriebsschließung aufgrund einer behördlichen Anordnung ein Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer besteht. Die Arbeitnehmerin war geringfügig beschäftigt. Aufgrund einer Betriebsschließung auf Basis einer Allgemeinverfügung der Freien Hansestadt Bremen konnte sie nicht weiterbeschäftigt werden. Ein Bezug von Kurzarbeitergeld war aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung ausgeschlossen. Nachdem der Arbeitgeber die Zahlung einstellte, klagte sie auf Zahlung des Lohns. Das LAG Niedersachsen entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Das Betriebsrisiko des Arbeitgebers habe sich mit der behördlich angeordneten Betriebsschließung zu seinen Lasten realisiert. Das BAG sah dies anders: Muss ein Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen “Lockdowns” zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, ist er nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen. Der Arbeitgeber trage das Risiko des Arbeitsausfalls nicht, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. Hier realisiere sich gerade nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Risiko, wie dies bis zur Entscheidung des BAG von überwiegenden Teilen der Literatur und Instanzgerichte angenommen wurde. Vielmehr obliege es dem Staat, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen. Sei dies bei geringfügig Beschäftigten nicht gewährleistet, beruhe dies auf Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem.
Praxistipp: Das Urteil des BAG schafft für Unternehmen Rechtssicherheit und finanzielle Erleichterung. Dies gilt zumindest im Hinblick auf Betriebsschließungen während der derzeitigen Corona-Pandemie. Abzuwarten bleibt, inwiefern der Grundsatz, dass Arbeitgeber in der Regel das Betriebsrisiko – z.B. bei Naturkatastrophen – tragen, konkretisiert wurde und ob durch die Entscheidung des BAG Schlüsse für andere Sachverhaltskonstellationen gezogen werden können. Hier gilt es, die Entscheidungsgründe des Urteils (bislang liegt nur die Pressemitteilung vor) abzuwarten.
Fazit
Auch wenn einige Entscheidungen brisant erscheinen und die teils kuriosen Sachverhalte eine besondere Bedeutung suggerieren, kann in der Gesamtschau doch festgestellt werden: Die Arbeitsgerichte haben sich durch die aufgeheizte Stimmung in der Arbeitswelt nicht beirren lassen und sind den allgemeinen Grundsätzen der BAG-Rechtsprechung vielerorts treu geblieben. So kommt es, dass viele Entscheidungen nicht nur im Ergebnis nachvollziehbar sind. Aufgrund ihrer fundierten Begründung geben sie das erforderliche Rüstzeug an die Hand, um auch in Zukunft jede noch so kuriose Konstellation nüchtern einordnen zu können.