Nebentätigkeit im Swingerclub
„Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird“, hieß es in § 8 Abs. 1 S. 1 des Bundesangestelltentarifvertrags. Und von einer Grundschullehrerin kann man erwarten, dass sie keinen Swingerclub betreibt, meinte das Land Nordrhein-Westphalen und kündigte deshalb einer angestellten Lehrkraft. Der Personalrat und das Arbeitsgericht Herford (Urteil vom 8.11.1999 – 1 Ca 1717/97) fanden das richtig. Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 19.1.2001 – 5 Sa 491/00) bewertete den Sachverhalt aber etwas lockerer.
Die fast fünfzigjährige Frau, Mutter von drei Kindern, war seit sechs Jahren im öffentlichen Dienst, seit fünf Jahren an einer Grundschule im Angestelltenverhältnis tätig. Die Schulbehörde warf ihr vor, dass sie während ihrer Lehrtätigkeit einige Jahre lang auch einen Swingerclub betrieben habe. Diese Nebentätigkeit sei nicht genehmigt gewesen und auch nicht genehmigungsfähig.
Swinging life
„Von einer Grundschullehrerin“, so die Schulbehörde, „wird erwartet, daß sie den ihr anvertrauten Schülern nicht nur fachliche Kenntnisse sondern auch allgemeine Werte nahe bringt. Dies läßt sich aber mit dem Betrieb eines Paarclubs, der von der Mehrheit der Bevölkerung als moralisch anstößig empfunden wird, nicht vereinbaren“. Die Behörde wies darauf hin, dass für dieses Etablissement in der Zeitschrift „Swinging life“ geworben werde, so dass ihr Verhalten auch öffentlich bekannt sei.
Und das waren noch nicht alle Verfehlungen, die man der Frau vorwarf. Die Angestellte hatte zudem die Einnahmen aus dem Club nicht versteuert, was auch zu einem Strafverfahren führte.
Die Lehrerin legte dar, dass das finanzgerichtliche Verfahren noch laufe und deshalb gar nicht klar sei, dass sie Steuerpflichten nicht nachgekommen ist. Betrieben werde der Swingerclub aber ohnehin von ihrem Mann. Sie habe sich dort lediglich „aktiv vergnügt“. Das, meinte die Lehrerin, mag man als moralisch anstößig empfinden, ein Kündigungsgrund sei es aber nicht. Wie sich Lehrer in ihrer Freizeit vergnügten, sei ihre Privatsache, wenn die direkten schulischen Belange nicht tangiert würden. Und das sei bei ihren Aktivitäten in dem hundert Kilometer von der Schule entfernt liegenden Club, nicht der Fall.
‚Ein kleines geiles Nest‘
Vor dem Arbeitsgericht Herford hatte sie mit dieser Argumentation keinen Erfolg. Das Gericht sah in ihren außerschulischen Betätigungen eine mit den Pflichten einer Grundschullehrerin nicht vereinbare Pflichtwidrigkeit.
In dem Berufungsverfahren führte die Lehrerin dann unter anderen an, dass die Werbeanzeigen für den Club ohne ihr Wissen geschaltet worden seien. Und die hatten es nach den Darstellungen des Landes in sich. Wörtlich wurde dazu in dem Berufungsverfahren ausgeführt:
„Wie es im „Q…-B.(…)…(…) zugeht, wird überdies in entsprechenden Zeitschriften durch Artikel, wie in der Anlage in Ablichtung beigefügt, lustvoll geschildert. Im ‚kleinen geilen Nest für Paare und Singles‘ wird man von der Grundschullehrerin S… – dies ist wohlgemerkt die Klägerin – freundlichst empfangen, die ausweislich des Artikels mit ihrem Mann zusammen das Etablissement leitet.“
Halb so wild und lange her
Diese „Art der Tätigkeit und Mitwirkung im Bereich des sexuellen Gewerbes (…) mache eine Weiterbeschäftigung oder eine Rückkehr in die Tätigkeit einer Grundschullehrerin im öffentlichen Dienst schlichtweg unmöglich“, so das beklagte Land.
Das sah das LAG Hamm anders: Allein das „Mitbetreiben des Clubs ohne vorherige Einholung einer Nebentätigkeitsgenehmigung, deren Notwendigkeit unterstellt, macht für sich allein die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar“. Das gelte umso mehr, als die Tätigkeit zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit drei Jahren eingestellt war.
Dass die Lehrerin nach Ausspruch der Kündigung wegen der hinterzogenen Steuern zu 90 Tagesätzen verurteilt wurde, rechtfertige die Kündigung auch nicht. Außerdienstlich begangene Straftaten seien nur dann zur Kündigungsrechtfertigung geeignet, wenn sie ein gewisses Gewicht habe. Das sei etwa bei über längere Zeit fortgesetzten Handlungen oder bei Straftaten, die im unmittelbaren Widerspruch zu der Aufgabe der Beschäftigungsbehörde stehen, der Fall. Aber so etwas könne hier nicht angenommen werden.
Keine Swingerthemen im Unterricht
Auch dass sich die Lehrerin in dem Swingerclub „sexuell betätigt“ hat, rechtfertige keine Kündigung – völlig unabhängig davon, ob sie diesen nun mitbetrieben habe oder nicht.
Eine außerhalb des Dienstes ausgeübte sexuelle Neigung stelle grundsätzlich keinen Kündigungsgrund dar. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie diese in den dienstlichen Bereich hineingetragen hat. „Insbesondere“, so das Landesarbeitsgericht, sei nicht ersichtlich, dass die Grundschullehrerin „etwa den Unterricht abweichend vom Lehrplan oder sonstigen Vorgaben dahin gehend gestaltet hat oder gestalten wird, den Schülern Werte zu vermitteln, die den persönlichen Neigungen der Klägerin entsprechen“.
Der Vorwurf des Landes, das Verhalten der Angestellten habe sich nicht „im stillen Kämmerlein“ ereignet, rechtfertige keine andere Einschätzung. Weder ihr Familienname, noch ihr Beruf sei jemals einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden – auch nicht durch die vom Land angeführten Werbeanzeigen.
Zitat falsch – Klage erfolgreich
Das Gericht wies in der Entscheidung darauf hin, dass das von der Beklagten angeführte „Zitat“, inhaltlich unrichtig war. Das hatte der Vertreter des Landes bei der Verhandlung bestätigt.
Und es sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Club recht weit von der Schule der Klägerin entfernt befindet. Zwar nicht hundert Kilometer, wie die Lehrerin behauptet hatte, aber immerhin siebzig, wie das Gericht unter Hinweis auf das Routenprogramm „Power-Route“ darlegte.
Damit hatte die Kündigungsschutzklage Erfolg. Die Grundschullehrerin konnte ihrem Beruf weiter nachgehen, ebenso wie ihren sexuellen Neigungen. Ob sie darauf nach dem ganzen Ärger noch Lust hatte, ist nicht bekannt.
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