Erotische Nebentätigkeiten
Eine Finanzbeamtin, die im Internet als Domina posierte (VG Berlin, Urt. v. 11.06.2008 – 80 A 17/07; #ArbeitsRechtKurios v. 02.03.2018); eine Justizhauptmeisterin, die der gewerbsmäßigen Prostitution nachging und gegen Bezahlung an einer Gangbang-Party teilnahm (VG Münster, Urt. v. 19.03.2013 – 13 K 2930/12, #ArbeitsRechtKurios v. 13.10.2017); eine Grundschullehrerin, die in einem Swingerclub tätig war und sich dort auch „aktiv vergnügte“ (LAG Hamm, Urt. v. 19.1.2001 – 5 Sa 491/00, #ArbeitsRechtKurios v. 09.05.2022). Kuriose Fälle – die alle eines gemeinsam haben: Ihr Dienstherr bzw. Arbeitgeber warf den Genannten vor, für ihre Aktivitäten keine Nebentätigkeitsgenehmigung zu haben.
Auf der sicheren Seite fühlte sich insofern eine Justizvollzugsobersekretärin, die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen tätig war. Ihr war zunächst gestattet, dass sie nebenbei als Moderatorin/Administratorin auf verschiedenen Internet-Plattformen für ein Unternehmen tätig sein kann. Später zeigte sie an, dass sich die genehmigte Nebentätigkeit ändern werde. Zwar werde sie weiterhin die bisherigen Aufgaben wahrnehmen, künftig allerdings gemeinsam mit ihrem Mann und einer Freundin auf selbständiger Basis mit eigenen Portalen. Auch das wurde ihr genehmigt.
Wenn Erfolg zum Verhängnis wird
Was die Beamtin im Internet machte, war offensichtlich sehr erfolgreich – und genau das führte zu Problemen. Schon nach kurzer Zeit meldete sie jährliche Nebeneinkünfte von mehr als 90.000 Euro. Die Leiterin der JVA bat sie daraufhin um Darlegung der Inhalte ihrer Tätigkeit, um Angabe der Internet-Adresse sowie um eine detaillierte Aufstellung des Arbeitsumfangs.
Das alles lieferte die Beamtin auch brav. Zu ihren Internet-Aktivitäten führte sie aus, dass es sich „um ein sog. Social Media Network“ handle, „vergleichbar mit Facebook oder StudiVZ und ähnlichen bekannten Portalen“. So ganz vergleichbar war das Portal aber nicht mit anderen Social-Media-Plattformen, stellte die Leiterin der JVA fest. Es handelte sich um ein Internet-Portal, auf dem erotische Chats stattfanden.
Die Nebentätigkeitsgenehmigung wurde daraufhin widerrufen. Zur Begründung wurde angeführt, dass eine Beeinträchtigung der dienstlichen Belange vorliege. Es sei zu befürchten, dass der Betrieb einer erotischen Chat-Plattform dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung, konkret der JVA, schade. Die Kenntnis der Gefangenen von der Nebentätigkeit der Beamtin könne zu einer Beeinträchtigung ihrer Akzeptanz führen.
Hohe Einnahmen = hohe Arbeitsleistung
Auch die hohen Einkünfte sprächen für die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen. Nach einem Erlass des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen sei eine solche Beeinträchtigung grundsätzlich anzunehmen, wenn die Einnahmen aus Nebentätigkeiten 40 Prozent des jährlichen Grundeinkommens übersteigen. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass hohe Einnahmen auch eine hohe Arbeitsleistung erfordern. Zudem könne die Treuepflicht der Beamtin zu ihrem Dienstherrn beeinträchtigt werden, wenn nicht mehr ihre Besoldung, sondern ihre Nebentätigkeit die hauptsächliche Verdienstquelle darstellt.
Gegen den Bescheid, in dem die Nebentätigkeit widerrufen wurde, erhob die Beamtin Klage. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass auf ihrer Chat-Plattform weder sittenwidrige noch strafbare Handlungen stattfinden. Die Gefangenen hätten keine Möglichkeit auf ihre Person zu schließen. Berücksichtige man die zu zahlende Steuer lägen die Einnahmen auch innerhalb der in dem Erlass dargelegten 40-Prozent-Grenze. Von einer Überschreitung des zulässigen zeitlichen Arbeitsaufwandes könne nicht die Rede sein.
Vor dem VG Aachen hatte die Beamtin keinen Erfolg. Das Gericht sah den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung als rechtmäßig an, weil sich nach der Erteilung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ergeben habe.
Über Moral und Autorität
Das Gericht betonte, dass es sich „einer moralischen Bewertung der Nebentätigkeit der Klägerin und des Inhalts der von ihr und ihrem Ehemann betriebenen Internetseite“ enthalte – um anschließend ausführlich die moralische Seite der Tätigkeit zu bewerten.
Das VG Aachen erkannte zwar an, dass sich die „gesellschaftlichen Moralvorstellungen in den vergangenen 30 Jahren grundlegend geändert“ haben. „Der Umgang mit Erotik ist deutlich freier geworden und für große Teile der Bevölkerung nicht mehr anstößig“, so das Gericht. In dem von der Beamtin betriebenen Portal ginge es aber um mehr als den Austausch erotischer Inhalte, nämlich auch die Anbahnung persönlicher Kontakte mit freien Mitarbeiterinnen.
Mit „Blick auf den Kreis derjenigen Kolleginnen und Kollegen der Klägerin, die von ihrer und ihres Ehemannes Nebentätigkeit Kenntnis haben“ sei es nicht nur möglich, sondern „sogar wahrscheinlich, dass sich der Betrieb einer solchen erotischen Internetplattform über kurz oder lang auch im Kreis der Häftlinge herum spricht (sic!)“. Die könnten dann „zu der Annahme gelangen, dass die Klägerin selbst bei der Leistungserbringung mitwirkt oder jedenfalls maßgeblich auf deren Art und Weise einwirkt“. Es liege „auf der Hand“, dass damit „ihre Autorität den Häftlingen gegenüber Schaden nehmen kann“.
Beides geht nicht
Der Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung sei auch deshalb rechtmäßig, weil die Einkünfte der Beamtin rechtlich zulässig als Indiz für die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen herangezogen wurden. Nach Berechnungen des Gerichts waren die Einnahmen der Frau aus der Nebentätigkeit erheblich höher als ihre Beamtenbesoldung – und überstiegen damit auch die in dem Erlass des Justizministeriums genannten 40 Prozent des jährlichen Grundeinkommens überdeutlich.
Dieses Einkommen indiziere einen Arbeitseinsatz, der ihre Verpflichtung beeinträchtigen kann, sich „mit ihrer gesamten Arbeitskraft in den Dienst ihres Dienstherrn zu stellen“. Zu dieser Verpflichtung gehöre es auch, dass sich die Beamtin „in der verbleibenden Freizeit erholt und diese Zeit nur in dem genehmigten Umfang zur Erzielung von Nebeneinkünften verbraucht“. Umstände, die die dem Erlass zugrunde liegende Vermutung widerlegen, habe die Beamtin nicht vorgetragen.
Damit musste sich die Frau zwischen ihrer bisherigen Haupt- und ihrer bisherigen Nebentätigkeit entscheiden. Und das bedeutet: Ein sicherer Beamten-Job mit vielen Privilegien (Pension, Beihilfe usw.) oder ein höheres Einkommen. Eine schwierige Entscheidung. Wie sie ausgegangen ist, ist nicht bekannt.