Ein Zeugnis, das es in sich hat
„Arbeitszeugnisse sind lästig. Arbeitnehmer fürchten versteckte Botschaften zu ihrem Nachteil, Arbeitgeber scheuen den Aufwand eines Rechtsstreits um Formulierungen.“ Das schrieb Dr. Bernd Wiesenbauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesarbeitsgericht, in einem Beitrag in der Zeitschrift “Recht der Arbeit” (RdA 2020, 283). Und das stimmt. Aber manchmal verstecken Arbeitgeber ihre Botschaften nicht einmal und scheuen auch nicht vor Auseinandersetzungen zurück, bei denen klar ist, dass sie sie verlieren werden. Das zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln (Beschluss vom 14.2.2017 – 12 Ta 17/17).
Nach einer Kündigung kam es, wie so oft, zu einem Kündigungsrechtsstreit. In der Güteverhandlung wurde dann ein Vergleich geschlossen. Darin war neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter anderem festgelegt, dass der Arbeitgeber ein „wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis“ erteilt. Dieser Verpflichtung kam der Arbeitgeber aber nicht nach.
Auf Antrag der ehemals Beschäftigten setzte das Arbeitsgericht daher ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise für jeweils 100 Euro Zwangsgeld einen Tag Zwangshaft fest, damit er seine Pflicht erfüllt. Dagegen wandte sich der Arbeitgeber, der während des Beschwerdeverfahrens ein mit „Zeugnis“ überschriebenes Schriftstück an seine ehemalige Beschäftigte übermittelt hatte. Und dieses „Zeugnis“ hatte es in sich!
Über Bemühen und Schöpfungspausen
Wörtlich heißt es in dem Schreiben:
„Aktenzeichen (…) oder (…) der Kanzlei L
Zeugnis
Fr. N H war bei uns als Gebäudereinigungskraft, speziell im Objekt A Arkaden, eingesetzt. Geschlechterbezogen war Frau H sehr beliebt.
Ihre Aufgaben hat Frau H nach Anweisungen sehr bemüht erledigt. Die Anstrengungen Ihrer (sic!) Tätigkeit hat Fr. H sehr regelmäßig mit Schöpferpausen bedacht und Ihre (sic!) Arbeitszeiten nach Ihren (sic!) Anforderungen ausgeführt.
Wir wünschen Fr. H für die Zukunft alles Gute.“
Schlicht eine Provokation
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde des Arbeitgebers nicht ab. Zur Begründung führte es aus, dass das Schreiben kein Arbeitszeugnis sei, sondern schlicht eine „Provokation“. Und so sah es auch das LAG Köln.
Es legte in seiner Entscheidung zunächst dar, dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung bei erhobenem Erfüllungseinwand regelmäßig (nur) zu prüfen ist, ob überhaupt ein Zeugnis erteilt wurde, welches formalen und inhaltlichen Mindestanforderungen genügt. Einen bestimmten Inhalt kann man dagegen in einem solchen Verfahren nicht erzwingen.
Ein „Zeugnis“, das „polemisch und in grob unsachlichem und ironischen Stil verfasst ist und bei dessen Vorlage sich der Arbeitnehmer der Lächerlichkeit preisgeben würde, erfüllt jedoch nicht die Mindestanforderungen an die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses“, so das Gericht. Ein solches „Zeugnis“ stellt keine Erfüllung des titulierten Anspruchs dar. Und genau so war es hier.
Diskreditierende Äußerungen und Orthographiefehler
Das Landesarbeitsgericht führte dazu aus:
„Das einzige, was in dem Schreiben (…) den Bezug zu einem Arbeitszeugnis herstellt, ist die Überschrift ‚Zeugnis‘ sowie die Benennung des Namens und einer Tätigkeitsbeschreibung der Gläubigerin. Im Übrigen besteht das vermeintliche Zeugnis lediglich aus diskreditierenden Äußerungen über die Gläubigerin, die ihr Persönlichkeitsrecht verletzen.
So gehört selbstredend kein gerichtliches Aktenzeichen in ein Arbeitszeugnis. Vorliegend wurde der Hinweis auf einen geführten Rechtsstreit sogar im Fettdruck noch besonders herausgestellt. Die weiteren Ausführungen zu einer „geschlechterbezogenen“ Beliebtheit der Klägerin sowie angeblichen „Schöpferpausen“ und angeblichen Arbeitszeiteinteilungen nach eigenen Anforderungen der Gläubigern (sic!) diskreditieren die Gläubigerin unangemessen und polemisch und gehören offensichtlich nicht in ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis, ebenso wenig wie die zahlreichen Orthographiefehler.“
Eine klare Sache
Womit dem Landesarbeitsgericht ausgerechnet in dem Satz ein Rechtschreibfehler unterlaufen ist, in dem es die Orthographiefehler in dem vermeintlichen Zeugnis anprangert. Aber so etwas passiert halt. Jedenfalls betonte das Kölner Gericht nachfolgend zu Recht, dass das Arbeitsgericht das Schreiben in seiner Nichtabhilfeentscheidung „rechtsfehlerfrei als ‚Provokation‘ bezeichnet“ hat.
Die Kosten für das erfolgslose Rechtsmittel muss damit natürlich der Arbeitgeber tragen. Und Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, waren nach Meinung des Landesarbeitsgerichts nicht gegeben.
Womit in diesem Rechtsstreit alles gesagt war. Und auch wenn es zu so mancher Entscheidung über Arbeitszeugnisse viel zu erläutern, oft auch zu kritisieren gibt. Hier kann man, wie es die Fachanwältin für Arbeitsrecht Lydia Brodrück in einer Besprechung des Beschlusses in der Zeitschrift “Arbeitsrecht Aktuell” (ArbrAktuell 2017, 202) gemacht hat, ein recht kurzes Fazit ziehen: „Die Entscheidung ist zutreffend“.
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