Das Thema
Im Zeichen der Corona-Krise suchen Unternehmen nach Möglichkeiten, Kosten einzusparen, insbesondere auch Personalkosten. Auch die betriebliche Altersversorgung bietet hierfür Ansatzpunkte. Dabei können die Unternehmen hier – im Gegensatz zu vielen anderen arbeitsrechtlichen Maßnahmen – in bestimmten Konstellationen sogar Einsparungen erreichen, ohne dass die Arbeitnehmer Liquiditätseinbußen hinnehmen müssen. Auch wenn Änderungen der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig schwierig sind, lohnt sich vor dem gegenwärtigen Hintergrund eine genauere Prüfung der Möglichkeiten.
Ersparte Beiträge in Beitragsorientierten Leistungszusagen
Eine Ersparnis für die Unternehmen ohne Liquiditätseinbußen für die Arbeitnehmer lässt sich im Rahmen einer arbeitgeberfinanzierten beitragsorientierte Leistungszusage (dabei werden Versorgungsleistungen durch Beiträge in der Ansparphase finanziert und aus den Beiträgen ergibt sich die Versorgungsleistung) umsetzen. Bei einer solchen Zusage führt der Arbeitgeber regelmäßig Beiträge an einen externen Versorgungsträger (d.h. an ein Versicherungsunternehmen, eine Pensionskasse, eine Unterstützungskasse oder einen Pensionsfonds) ab. Diese Beitragszahlungen kann das Unternehmen zeitweilig einstellen oder aufschieben.
a) Vorübergehende Einstellung von Beiträgen an Versorgungsträger
Eine tatsächliche Ersparnis ergibt sich nur dann, wenn die Pflicht zur Zahlung der Beiträge ganz entfällt, und sei es auch nur vorübergehend. Die Zahlungspflicht könnte für einen bestimmten Zeitraum, z.B. 6 oder 12 Monate, aufgehoben werden, wofür die Versorgungsordnung entsprechend zu ändern wäre.
Dies hat zur Folge, dass die Versorgungsleistung bei Eintritt des Versorgungsfalles niedriger ausfallen wird, weil Beiträge zur Finanzierung fehlen. Die Versorgungsberechtigten werden die Folgen der Sparmaßnahme also erst bei Eintritt des Versorgungsfalls zu spüren bekommen. Ob ihr Arbeitgeber aber heute Beiträge an den Versorgungsträger zahlt oder nicht, wirkt sich auf ihre momentane Liquidität nicht aus.
Schutz der Versorgungsanwartschaften
Da zukünftige Beiträge entfallen und somit die Versorgungsleistung reduziert wird, bedeutet dies einen Eingriff in die zu erwerbenden Versorgungsanwartschaften. Ein solcher Eingriff ist nicht ohne weiteres zulässig. Denn die Änderung der betrieblichen Altersversorgung muss den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Demnach muss jeder Eingriff gerechtfertigt sein. Eine Ablösung, die nicht durch einen entsprechenden Eingriffsgrund gerechtfertigt werden kann, ist unwirksam. Je tiefergehend der Eingriff in Versorgungsanrechte ist, desto höheres Gewicht müssen die Gründe für einen solchen Eingriff haben. Für Eingriffe in noch zu erwerbenden Versorgungsanwartschaften genügen allerdings sachlich-proportionale Gründe.
Arbeitgeber dürften sich dabei auf eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens berufen. Der allgemeine Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten reicht allerdings nicht aus. Entscheidend ist, ob wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, auf die ein vernünftiger Unternehmer reagieren darf. Zudem darf die Änderung nicht weiter in die künftigen Zuwächse eingreifen als zur Kosteneinsparung geboten. Der Eingriff muss sich in ein Gesamtkonzept einpassen, das auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtete ist, und die Ausgestaltung dieses Gesamtkonzepts muss plausibel sein.
Hierzu trifft das Bundesarbeitsgericht regelmäßig eine negative Abgrenzung. Nicht erforderlich sind:
- eine langfristig unzureichende Eigenkapitalverzinsung oder langfristige Substanzgefährdung,
- eine konkrete Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens,
- eine insolvenznahen Lage,
- ein ausgewogener, die Sanierungslasten angemessen verteilender Sanierungsplan,
- dass die einzelnen, zur Kosteneinsparung getroffenen Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, oder
- dass anderweitige Maßnahmen zur Kosteneinsparung ausgeschöpft sind, bevor Eingriffe in künftige Zuwächse vorgenommen werden.
Vielmehr muss der Arbeitgeber darlegen können,
- welche wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorliegen,
- in welchem Gesamtumfang eine Kosteneinsparung aus Sicht eines vernünftigen Unternehmers geboten war,
- wie das notwendige Einsparvolumen ermittelt wurde,
- wie das Gesamtkonzept aussieht, einschließlich sämtlicher anderen Maßnahmen, die zur Kosteneinsparung getroffen wurden,
- in welchem Umfang diese Maßnahmen bei prognostischer Betrachtung zur Einsparung beitragen,
- wie das auf die durchgeführten Maßnahmen entfallende Einsparpotential ermittelt wurde,
- in welchem Umfang die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung zur Kosteneinsparung beiträgt,
- nach welchen Kriterien das prognostizierte Einsparvolumen ermittelt wurde,
- (auf Einwand des Arbeitnehmers) weshalb anderweitige Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten nicht getroffen wurden und
- (auf Einwand des Arbeitnehmers) unternehmerische Entscheidungen, die auf den ersten Blick dem Ziel der Kostenreduzierung zuwiderlaufen, erklären.
Auswirkungen der Corona-Krise auf Versorgungsanwartschaften
Anlässlich der gegenwärtigen Corona-Krise kann ein Eingriff in zukünftig zu erwerbende Versorgungsanwartschaften zulässig sein. Grund für den Eingriff ist aber nicht die Corona-Krise als solche, sondern bleiben allein hieraus etwa resultierende wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens. Eine vorsorgliche Maßnahme wäre nicht gestattet.
Angesichts der Anforderungen der Rechtsprechung, sind die Änderungen der betrieblichen Altersversorgung sorgfältig vorzubereiten, damit die Ersparnis rechtswirksam erzielt werden kann. Es muss ein klares Konzept entwickelt werden, dass auch in Jahren oder Jahrzehnten noch einer rechtlichen Überprüfung standhält. Insbesondere ist zu bestimmen, welches Einsparvolumen erforderlich ist und in welchem Umfang für wie lange Beitragszahlungen eingestellt werden sollen.
Die Besonderheit des Konzepts und insoweit eine untypische Regelung ist die nur vorübergehende Einstellung der Beitragszahlungen. Einen (nur) vorübergehenden Eingriff scheint aber die Rechtsprechung im Grundsatz anzuerkennen. Denn das BAG weist regelmäßig darauf hin, dass die Neuregelung nicht weiter gehen darf als zur Kosteneinsparung geboten. Dies ist geradezu ein Verweis auf vorübergehende Maßnahmen, soweit diese möglich und ausreichend sind.
Abstimmungen mit dem Versorgungsträger
Bevor eine solche Maßnahme umgesetzt wird, ist mit dem Versorgungsträger zu klären, welche Folgen sich für die Verträge zwischen Unternehmen und Versorgungsträger ergeben. Regelmäßig bedeutet dies, dass die Versicherungsbedingungen zu prüfen sind. Eine Beitragsfreistellung dürfte zwar – auch vorübergehend – im Regelfall möglich sein. Doch entfällt damit möglicherweise ein vorgesehener Versicherungsschutz (z.B. bei einer Absicherung der Berufungsunfähigkeit) oder die Bedingungen nach der Wiederaufnahme der Beitragszahlungen verschlechtern sich. Letzteres kann wiederum – neben den reduzierten Beiträgen – ein zweiter Aspekt sein, der zu einer Verschlechterung der Versorgungsleistung infolge eines Eingriffs führt und der ebenfalls gerechtfertigt sein muss. Bevor die Maßnahme umgesetzt wird, sollten die Auswirkungen auf die letztlich zu erwartende Versorgungsleistung vollumfänglich geprüft werden.
b) Stundung von Beiträgen an Versorgungsträger
Statt der vorübergehenden Einstellung der Beitragszahlungen ist auch eine Stundung der Beiträge möglich. Die Ersparnis ist dann nur vorübergehend, denn nach Ablauf des Stundungszeitraums zahlt das Unternehmen die Beiträge nach.
Die Stundung sollte immer als weniger einschneidende Alternative zum (vorübergehenden) Wegfall der Beitragszahlungen in Betracht gezogen werden. Denn die Rechtsprechung fordert den geringsten Eingriff, der zur Erholung von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten erforderlich ist.
Stundungsvereinbarung mit den Mitarbeitern
Grundsätzliche Bedenken stehen einer Stundung nicht entgegen. Diese ist gegebenenfalls mit den Mitarbeitern zu vereinbaren. Für kaufmännische Angestellte ist zwar eine Stundung des Gehalts ausgeschlossen, weil dieses zwingend spätestens zum Monatsende gezahlt werden muss (§ 64 HGB). Dies erfasst allerdings nicht die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung. Diese zählen nicht zum Gehalt.
Auch im Übrigen ergeben sich keine Einschränkung im Hinblick auf das Hinausschieben der Zahlungen. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen und in Verbraucherverträgen darf der Arbeitgeber die Zahlung der Vergütung zwar nicht länger als 30 Tage nach Empfang der Arbeitsleistung hinausschieben (§ 308 Nr. 1a BGB). Doch für die Stundung von Beitragszahlungen lässt sich anführen, dass diese nur einen geringen Teil der Vergütung ausmacht und der Arbeitnehmer ohnehin erst im Versorgungsfall eine Leistung erhalten wird. Es ist ohnehin fraglich, ob die Beschränkung für solche Klauseln auf Stundungsvereinbarungen Anwendung findet. Denn in der Stundungsvereinbarung wird nicht die Zahlungsfrist geregelt, sondern eine bereits bestehende Fälligkeit wird hinausgeschoben.
Ähnliches gilt auch für individuell ausgehandelte Vereinbarungen, die keine Verbraucherverträge sind. In solchen Vereinbarungen darf die Erfüllung des Anspruchs auf Vergütung nur dann um mehr als 60 Tage nach Erbringung der Arbeitsleistung hinausgeschoben werden, wenn dies ausdrücklich vereinbart wird und im Hinblick auf die Belange des Arbeitnehmers nicht grob unbillig ist (§ 271 Abs. 1 BGB). Eine grobe Unbilligkeit dürfte abzulehnen sein. Aber auch hier ist davon auszugehen, dass die gesetzliche Beschränkung nicht für Stundungsvereinbarungen gilt.
Rechtfertigung von Verschlechterungen der Anwartschaften
Wie schon die Einstellung von Beitragszahlungen kann auch die Stundung infolge der späteren Beitragszahlung zu einer niedrigeren Versorgungsleistung führen. Diese Reduktion ist aber sehr viel geringer als im Fall des Wegfalls der Beitragszahlungen. Sie ist daher gerechtfertigt.
Abstimmung mit dem Versorgungsträger
Auch für die Stundung der Beiträge ist eine Abstimmung mit dem Versorgungsträger erforderlich. Denn im Verhältnis zwischen Unternehmen und Versorgungsträger muss die Zahlung ebenfalls gestundet werden. Bei Unterstützungskassen ist die Nachzahlung der Beiträge nicht ohne weiteres in einer einmaligen Zahlung möglich, weil Unterstützungskassen aus steuerlichen Gründen nur gleichbleibende oder steigende Beiträge annehmen können. Die Finanzverwaltung erkennt es steuerlich jedenfalls an, wenn sich die Beiträge ändern, weil das Unternehmen wegen einer schlechten wirtschaftlichen Lage in die Versorgungsanwartschaften eingreift. Dementsprechend ist aber auch anzuerkennen, wenn der Eingriff zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit „nur“ in einer Stundung von Beiträgen liegt und diese später nachgezahlt werden.
Ersparte Versicherungsprämien und Renten in Leistungszusagen
Unmittelbare Leistungszusagen in Form von arbeitgeberfinanzierten Direktzusagen sind regelmäßig nicht durch Beiträge finanziert. Dort ist vielmehr eine bestimmte Versorgungsleistung zugesagt. Ein Liquiditätsabfluss erfolgt erst in der Rentenphase.
a) Beitragsfreistellung von Rückdeckungsversicherungen
Eine Ausnahme bilden rückgedeckte Direktzusagen, die über Rückdeckungsversicherungen finanziert werden. Unternehmen können zusätzliche Liquidität gewinnen, indem sie die Rückdeckungsversicherungen beitragsfrei stellen und keine weiteren Versicherungsprämien mehr abführen. Damit entfallen aber nicht die Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung. Soweit diese nicht mehr über die Rückdeckungsversicherungen finanziert sind, müssen Pensionsrückstellungen ausgewiesen werden.
b) Stundungsvereinbarungen mit Rentnern
Wenn eine Leistungszusage im Regelfall nicht durch Beiträge finanziert wird, ergeben sich Liquiditätsabflüsse für den Arbeitgeber nur infolge der Zahlungen von Versorgungsleistungen an Rentner. Auch mit den Rentnern können Stundungsvereinbarungen getroffen werden wie mit aktiven Arbeitnehmern.
Ein Verzicht auf Versorgungsleistungen durch die Rentner ist dagegen nicht wirksam. Denn – von einigen Ausnahmen abgesehen – verbietet das Betriebsrentengesetz die Abfindung von Versorgungsleistungen gegenüber Rentnern. Daraus schließt die Rechtsprechung, wenn schon der Verzicht gegen eine Abfindung unzulässig ist, muss zum Schutz der Rentner erst Recht der Verzicht ganz ohne Gegenleistung unzulässig sein.
Entgeltumwandlung
Da in der Entgeltumwandlung die Arbeitnehmer die betriebliche Altersversorgung finanzieren, lässt sich daraus für den Arbeitgeber keine Ersparnis generieren. Allerdings kann zur Entlastung der Arbeitnehmer geprüft werden, ob auch hier mit externen Versorgungsträgern eine Freistellung von der Beitragspflicht möglich ist, so dass den Arbeitnehmern (vorübergehend) eine höhere Liquidität zur Verfügung steht.
Konzepte für die Praxis
Durch die Corona-Krise stehen Unternehmen vor bislang nicht bekannten Herausforderungen. Dabei sind neue Möglichkeiten zu suchen, um auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zu reagieren und Einsparpotenziale zu generieren. Auch die betriebliche Altersversorgung kann hierfür ein Lösungsansatz sein. Selbst wenn es regelmäßig schwierig ist, zu Lasten der Versorgungsberechtigten deren Anwartschaften zu verschlechtern, kann die derzeitige außergewöhnliche Konstellation zu einer Ausnahmesituation führen, die eine solche Verschlechterung erlaubt. Allerdings bleibt auch hier das Unternehmen an die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden. Ein Unternehmen kann eine Ersparnis aus der betrieblichen Altersversorgung nur insoweit erzielen, als dies nötig ist, um aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten herauszukommen. Dies verlangt ein sorgfältig geplantes Konzept.
Als Instrumente, die in dieses Konzept eingebunden werden, kommen sowohl Stundungsvereinbarungen als die vorübergehende Einstellung von Beitragszahlungen in Betracht. Letzteres wäre mit dem Betriebsrat umzusetzen oder kann im Fall einer Individualzusage an alle Mitarbeiter (insbes. Gesamtzusage) auch einseitig vom Unternehmen umgesetzt werden.