Ein Bad im Rhein
Die Corona-Krise hatte in vielerlei Hinsicht auch auf die Arbeitswelt massive Auswirkungen. Dazu gehörte, dass keine Betriebsfeste durchgeführt werden konnten. Umso mehr freuten sich die Mitarbeiter eines Unternehmens wohl auf die erste Feier nach der „Coronapause“. Und das Unternehmen ließ sich auch nicht lumpen.
Es lud die ca. 230 Gäste auf ein Restaurant- und Partyschiff ein. Bis ungefähr 22.00 Uhr verlief die Feier ausgelassen und fröhlich. Dann kam ein Mitarbeiter auf die Idee, ein Bad im Rhein zu nehmen. Er entkleidete sich bis auf die Unterhose, sprang in den Fluss und schwamm um das Schiff herum. Nachdem er sich aus dem Wasser begeben hatte, lief er in Unterwäsche über das Partydeck an anderen Gästen vorbei.
Tanz mit einem Plastik-Flamingo
Es war nicht das einzige Mal, dass der Mann auf einer Firmenveranstaltung auffiel. Auf einer anderen Festivität hatte er mit einem lebensgroßen Deko-Plastik-Flamingo getanzt. Mit dem war er schließlich im Aufzug zu einem Bildautomaten gefahren und hatte Selfies von sich gemacht. Für dieses Verhalten wurde er ermahnt.
Nach dem Vorfall auf dem Partyschiff zeigte das Unternehmen weniger Milde. Es kündigte den Mitarbeiter nach Anhörung des Betriebsrats außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Firma warf dem Mann vor, dass er sich selbst in Lebensgefahr gebracht habe. Zudem habe er auch potentiell Dritte gefährdet, die durch sein Verhalten zum Helfen hätten veranlasst werden können.
Der Arbeitgeber wies darauf hin, dass die Strömung am Standort des Schiffes sehr stark sei. Zudem herrsche reger Schiffsverkehr, teilweise mit nur wenigen Metern Abstand. Der Mann habe nach Angaben einer Toilettenfrau zuvor wohl Drogen zu sich genommen. Durch sein Verhalten sei „die Stimmung auf der Feier jäh zum Absturz gekommen“.
Keine Drogen, aber Alkohol
Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wehrte sich der Arbeitnehmer vor Gericht. Er führte an, dass die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Darin sei unter anderem ausgeführt, dass er unbekleidet in den Rhein gesprungen sei. Tatsächlich war er aber, wie das beklagte Unternehmen in dem Prozess einräumte, mit einer Unterhose bekleidet.
Drogen habe er nicht genommen. Allerdings wurde auf der Feier Alkohol ausgeschenkt – und das bereits ab 14.00 Uhr. Dafür aber habe das Unternehmen selbst gesorgt. Gefährlich war sein Verhalten seiner Ansicht nach nicht, weil der Pegelstand des Rheins niedrig gewesen sei. Und er habe durch seine Aktion auch nicht die Veranstaltung gestört.
Vor dem ArbG Düsseldorf hatte der Arbeitnehmer Erfolg (Urt. v. 7.3.2023 – 16 Ca 40/79/22). Das Gericht war der Meinung, dass sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung unwirksam sind, weil die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.
Unbekleidet meint nackt
In der Anhörung war unter anderem ausgeführt, dass der Mann „unbekleidet durch die versammelten Mitarbeiter“ gelaufen sei. „Unbekleidet“, so das Gericht, „meint ohne jegliche Kleidung, also nackt“. Nackt war er aber nicht, da er ja seine Unterhose anbehalten hatte.
Das mache einen wesentlichen Unterschied, meinte das Gericht. Es führte aus, dass es sich „sicher“ sei, „dass sich ggf. eine Vielzahl von Personen gerade durch die Nacktheit des Klägers gerade bei einer solchen Firmenveranstaltung gestört gefühlt hätte“. Aber daran fehle es.
Der Fehler bei der Anhörung könne auch nicht deshalb als unbeachtlich angesehen werden, weil der Betriebsrat selbst an Bord war. Es stehe nicht fest, dass alle Mitglieder des Gremiums den Mann bei seiner Aktion gesehen haben. „Gerade in solchen Fällen führen Schilderungen unter Mitarbeitern, die den Vorfall nicht gesehen, sondern nur Berichte gehört haben, dazu, dass Gerüchte entstehen“, so das ArbG Düsseldorf. Und „gerade deshalb war auch in diesem Fall Genauigkeit geboten.“
Abmahnung erforderlich
Womit es für den Mitarbeiter – um ein in der Entscheidung häufig benutztes Wort zu verwenden – vor dem Arbeitsgericht „gerade“ noch einmal gutgegangen ist. Zu Ende war der Rechtsstreit damit aber nicht.
Vor dem LAG Düsseldorf ging es weiter. Das teilte in der mündlichen Verhandlung die Argumentation der Vorinstanz zur fehlerhaften Betriebsratsanhörung nicht. Es sah in dem Verhalten des Beschäftigten auch eine Pflichtverletzung mit Bezug zum Arbeitsverhältnis.
Allerdings scheiterte die Kündigung nach Äußerungen der Kammer an der fehlenden vorherigen Abmahnung. Diese sei im vorliegenden Fall „nicht entbehrlich“ gewesen, „sondern das richtige und vorrangige Mittel als Reaktion auf die Pflichtverletzung“.
Mit einem blauen Auge davongekommen
Vor diesem Hintergrund verständigten sich die Parteien auf Vorschlag des Gerichts darauf, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird. Der Arbeitnehmer erhält danach für sein Verhalten auf der Firmenfeier eine Abmahnung. Die wird von ihm akzeptiert und er ist auch damit einverstanden, dass sie zur Personalakte genommen wird.
Womit der Mann zwar nicht völlig ungeschoren davon kam, aber immerhin seinen Job behalten konnte. Ob er aus dem Vorfall gelernt hat, wird die nächste Firmenfeier zeigen.