Das Thema
150 Seiten umfasst der Entwurf des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) in der am 19.12.2018 durch das Kabinett beschlossenen Fassung, mit welcher es nun den Weg im parlamentarischen Teil des Gesetzgebungsverfahrens fortsetzen wird: Erörterung im Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates am 29.01.2018, eine Beschlussfassung zur Stellungnahme muss durch den Bundesrat sodann bis zum 15.02.2019 erfolgen.
Es ist ein Artikelgesetz, welches an unzähligen Stellschrauben der wesentlichen Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen in Deutschland drehen wird. Diese sind das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG), die Beschäftigungsverordnung (BeschV) und die Aufenthaltsverordnung (AufenthV).
Zusammen mit Dr. Gunther Mävers soll in zwei Teilen eine erste Bestandsaufnahme erfolgen. Während sich der hier vorliegende Teil 1 mit Änderungen zu Verfahrens-, Prozess- und Strukturänderungen befasst, werden die Schwerpunkte von Teil 2 im Bereich der materiell-rechtlichen Änderungen liegen.
Nach Art. 33 Abs. 1 werden die vorgesehenen Änderungen zu Beginn des 7. Kalendermonats in Kraft treten, der auf die Verkündung folgt. Sollen die Änderungen entsprechend der ausgerufenen Marschroute der Bundesregierung spätestens zum 01.01.2020 in Kraft treten, muss der Gesetzgebungsprozess mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt bis Ende Juni 2019 abgeschlossen werden.
Die Themen der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung (§§ 60b und 60c AufenthG-E) werden entsprechend der Differenzierung nach dem Kabinettsbeschluss an dieser Stelle ausgeblendet. Sie finden sich in einem speziellen Gesetz über (die) Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung nun wieder.
Vom Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zur Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt
Das Aufenthaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland ist von Anfang an von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt geprägt, was die Einreise, den Aufenthalt und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch einen Ausländer betrifft. Bis zum Erhalt der entsprechenden Erlaubnis besteht ein Verbot. Für Drittstaatsangehörige ist der gesetzliche Rahmen das AufenthG, welches in § 4 Abs. 1 bis 3 AufenthG jene Verbote mit Erlaubnisvorbehalt statuiert.
Mit dem FEG soll ein paradigmatischer Wechsel erfolgen durch die Streichung der § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG und der Ergänzung um einen neugefassten § 4a AufenthG-E. Jener § 4a AufenthG-E würde anstelle eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eine grundsätzliche Erlaubnis zur umfassenden Erwerbstätigkeit vorsehen, sofern der drittstaatsangehörige Ausländer über einen Aufenthaltstitel i.S.d. § 4 Abs. 1 AufenthG verfügt. Die Verbote mit Erlaubnisvorbehalt für Einreise und Aufenthalt würden indes fortbestehen.
Insbesondere für die Duldung, also für die Bestätigung des Vorliegens von tatsächlichen oder rechtlichen gegen eine Abschiebung sprechenden Gründe (§ 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG), gilt diese Neuregelung nicht. Sie ist kein Aufenthaltstitel und würde auch nicht zu diesem werden.
Neuregelung bedarf klarer Einordnung
Gerade bei den Diskussionen aus der jüngeren Vergangenheit um den UN-Migrationspakt bedarf diese Neuregelung einer klaren Einordnung: Jene geplante Neuregelung trägt dem Umstand Rechnung, dass seit Inkrafttreten des AufenthG bereits nach und nach die Möglichkeiten des Arbeitsmarktzugangs für Drittstaatsangehörige erweitert worden sind. Soweit der Zweck, für den der Aufenthaltstitel beantragt würde, aber Erwerbstätigkeit wäre (§§ 18 – 21 AufenthG; Kapitel 2 Abschnitt 4), würde sich an der Grundstruktur wenig ändern. § 4a Abs. 1 S. 2 AufenthG-E ließe die teilweise oder vollständige Beschränkung der Erwerbstätigkeit durch Gesetz zu und § 4a Abs. 2 AufenthG-E verbünde die dann im Einzelfall notwendige Erlaubnis mit § 39 AufenthG, also mit dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit (im Weiteren: BA).
Nach wie vor soll die BA bei einer unselbstständigen Beschäftigung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Kapitel 2 Abschnitt 4 zustimmen (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG-E), sofern nicht durch
- ein Gesetz (insb. das AufenthG)
- die Beschäftigungsverordnung (im Weiteren: BeschV) oder
- eine zwischenstaatliche Vereinbarung
darauf zu verzichten wäre. Bei Beteiligung der BA würde wie bisher § 34 BeschV gelten mit der Möglichkeit der Beschränkung etwa auf bestimmte Tätigkeiten oder einen bestimmten Arbeitgeber. Diese Vorgaben zu Beschränkungen wären zwingend in dem Aufenthaltstitel zu übernehmen (§ 4a Abs. 3 S. 2 AufenthG-E). Eine darüber hinausgehende Beschäftigung würde eine illegale Beschäftigung darstellen (§ 4a Abs. 3 S. 3 und 4 AufenthG-E) und die Sanktionsmöglichkeiten nach § 404 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB III auslösen.
Beschränkungen wären natürlich auch kraft Gesetzes möglich, so etwa bei der Blauen Karte EU und deren Zuschnitt auf eine bestimmte Tätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber für die ersten zwei Jahre (§ 18b Abs. 2 S. 5 AufenthG-E).
Dies sind nur einige Beispiele, warum der Arbeitsmarkt auch zukünftig protektiert bleiben und § 4a AufenthG-E Steuerungsmöglichkeiten eröffnen würde.
Endlich: Zivilrechtlicher Durchschlag von Betriebsübergängen und Rechtsformänderungen
Ein in der Praxis höchstproblematischer Fall sind Auswirkungen von Betriebsübergängen i.S.d. § 613a BGB wie auch Rechtsformänderungen beim Arbeitgeber. Ist aktuell ein Aufenthaltstitel auf einen bestimmten Arbeitgeber beschränkt, zeitigen Betriebsübergänge nach § 613a BGB keine aufenthaltsrechtlichen Wirkungen. Ein beschränkter Aufenthaltstitel muss erst geändert werden, bevor die Tätigkeit nach dem Betriebsübergang fortgesetzt werden darf. Je nach zuständiger Ausländerbehörde und dem Verfahren können bis zu mehrere Monate dafür ins Land gehen. Gleiches gilt für Fälle der Rechtsformenänderungen.
Dem soll zukünftig § 4a Abs. 3 S. 5 AufenthG-E Rechnung tragen, indem in jenen Fällen eine Änderung des Aufenthaltstitels nicht mehr notwendig wäre.
Keine Einwanderungsgesetzbuch, keine Änderungen bei Typen von Aufenthaltstiteln
Spätestens nun sollte klar sein, dass das FEG kein wie von verschiedenen Seiten gefordertes Einwanderungsgesetzbuch wäre. Dennoch würde das FEG durch seine Änderungen das bereits angesprochene Kapitel 2 und dessen Abschnitt 4 wie auch den vorhergehenden Abschnitt 3 neu fassen. Jener Abschnitt regelt die Voraussetzungen bei dem Aufenthaltszweck „Ausbildung“. Es würde also zumindest ein „Einwanderungsgesetzbüchlein“ sein.
Die Kategorien von Aufenthaltstiteln sollen unverändert bleiben, lediglich die einzelnen speziellen Normen mit ihren Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründen würden sich teils verschieben. Nach alter Rechtslage erteilte Aufenthaltstitel nach dem Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 würden einschließlich etwaiger inhaltlicher Beschränkungen fortgelten (§ 101 Abs. 4 AufenthG-E), sofern der Aufenthaltszweck und der zu Grunde liegender Sachverhalt unverändert blieben.
Verfahrens- und Prozessänderungen, insbesondere das beschleunigte Fachkräfteverfahren
Als Grundsatz bestimmt § 71 Abs. 1 AufenthG, dass u.a. für die Erteilung von Aufenthaltstiteln als „aufenthaltsrechtliche (…) Entscheidungen“ sowie für sonstige Maßnahmen die Ausländerbehörden zuständig sind. Da das AufenthG in landeseigener Verwaltung ausgeführt wird, legen die einzelnen Bundesländer die genaue Zuständigkeit fest. In der Regel werden aber ausgehend vom (geplanten) Wohnort die jeweiligen kreisfreien Städte oder Landkreis tätig mit Ausnahmen für Berlin, Bremen, Hamburg und im Saarland. Visa werden nach § 71 Abs. 2 AufenthG von den jeweiligen Auslandsvertretungen Deutschlands erteilt.
Mit § 71 Abs. 1 S. 3 AufenthG-E sollen die einzelnen Bundesländer verpflichtet werden, mindestens eine sog. zentrale Ausländerbehörde zu schaffen. Für Bundesländer mit „ausgeprägtem Fachkräftebedarf“ wie Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden sogar bis zu vier dieser zentralen Ausländerbehörden erwartet. Deren Aufgabe würde die Durchführung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens sein. Beschleunigung soll das Verfahren in Hinblick auf die Ersteinreise von Fachkräften mit sich bringen.
Denn entgegen dem ersten Referentenentwurf vom 26.11.2018 beschränkt § 71 Abs. 1 S. 3 AufenthG-E den Anwendungsbereich des beschleunigten Verfahrens nun ausdrücklich auf das Visumverfahren. Der Referentenentwurf sprach indes noch davon, dass die zentralen Ausländerbehörden „nach Einreise (…) die Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis [vornehmen].“
Vorteil neuer Zuständigkeitsregelungen erschließt sich nicht
Worin der Vorteil dieser Zuständigkeitsbündelung nur für Visumsverfahren liegen sollte, erschließt sich nicht: Ginge mit Einreise die Zuständigkeit wieder auf die dezentralen Ausländerbehörden über, wäre wenig gewonnen. Weder gegenüber den Auslandsvertretungen noch gegenüber jenen dezentralen Ausländerbehörden hätte die Vorabzustimmung der zentralen Ausländerbehörde eine Bindungswirkung. Dies macht auch die Begründung des Entwurfs ganz deutlich:
„Die Ausländerbehörde fungiert dabei als Schnittstelle der verschiedenen im Verfahren beteiligten Stellen. Nach Vorliegen aller erforderlichen Voraussetzungen stimmt sie der Visumerteilung vorab zu (…). Darüber hinaus wird durch die Erteilung der Vorabzustimmung bestätigt, dass nach Prüfung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Inland aus Sicht der Ausländerbehörde der Erteilung des Visums nichts entgegen steht (z.B. Lebensunterhaltssicherung). Bei der Vorabzustimmung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um ein reines Verwaltungsinternum; Rechtsmittel sind nur gegen die Ablehnung der Erteilung des Visums gegeben.“
Zur dessen Anwendung bestünde keine Pflicht, der Antragsteller würde selbst über die Nutzung des beschleunigten Verfahrens entscheiden (§ 81a Abs. 1 AufenthG-E). Ansonsten bleiben die bisherigen Verfahrensbeschleunigungen nach § 36 Abs. 3 BeschV und § 31 Abs. 1 AufenthV zumindest parallel bestehen.
Fälle für ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren
- Visum zum Zweck der Aufnahme einer betrieblichen Aus- und Weiterbildung (§ 16a AufenthG-E);
- Visum, um Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Deutschland zu absolvieren (§ 16d AufenthG-E);
- Visum zur Ausbildungsplatzsuche (§ 17 Abs. 1 AufenthG-E);
- Visa für Fachkräfte mit Berufsausbildung bzw. akademischer Ausbildung einschließlich Konstellationen einer Blaue Karte EU (§ 18a und § 18b AufenthG-E);
- Visum für besonders hoch qualifizierte Fachkräfte (§ 18c Abs. 3 AufenthG-E);
- Visum für Forscher (§ 18d AufenthG-E) einschließlich Fällen der Nutzung von längerfristiger Mobilität (§ 18f AufenthG-E);
- Visum für unternehmensintern Transferierte (§ 19 AufenthG-E) einschließlich Fällen der Nutzung von längerfristiger Mobilität (§ 19b AufenthG-E);
- Visum für sonstige Beschäftigungszwecke i.S.d. § 19c AufenthG-E;
- -Visum zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte (§ 20 AufenthG-E).
Antragsteller im Anwendungsbereich des AufenthG soll weiterhin der drittstaatsangehörige Ausländer sein (siehe dazu: § 81 Abs. 1 AufenthG). Allerdings – und dies wäre ein Novum – könnte er seinen zukünftigen Arbeitgeber in Deutschland zur Beantragung und Durchführung des beschleunigten Fachkräfteverfahren für sich und seine Familienangehörigen (§ 81a Abs. 4 AufenthG-E) bevollmächtigen, sofern diese in einem zeitlichen Zusammenhang einreisen sollen. An anderer Stelle (§ 31 Abs. 1 AufenthV) wird dieser Begriff des „zeitlichen Zusammenhangs“ in der Regel mit einem Zeitfenster von 3 bis 6 Monaten gleichgesetzt. Die Übertragung dieser Auslegung auf § 81a Abs. 4 AufenthG-E erscheint sinnig.
Und noch weitere Überraschungen warten…
Der Arbeitgeber und die jeweils zuständige zentrale Ausländerbehörde sollen eine Vereinbarung treffen, die folgende Eckpunkte erhalten und sich zu Folgendem verhalten soll:
- Bestimmung und Festlegung bestimmter Kontaktdaten auch seitens der Behörde, verbunden mit der Sicherstellung der Erreichbarkeit (§ 82 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG-E);
- Festlegung der Mitwirkungspflichten von Arbeitgeber und drittstaatsangehörigem Arbeitnehmer einschließlich der vorzulegenden Unterlagen, wobei sich der Arbeitgeber verpflichten soll auf die Erfüllung der Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers hinzuwirken (§ 82 Abs. 2 Nr. 3, 4 und 6 AufenthG-E);
- Beschreibung des Abläufe in dem Verfahren in individualisierter Weise (§ 82 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG-E);
- Bestimmung von Folgen bei Nichteinhaltung der Vereinbarung (§ 82 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG-E).
Die Regelung des § 82 Abs. 3 AufenthG-E zeigt, dass ein klassisches ordnungsrechtliches Eigenverständnis zumindest bei jenen zentralen Ausländerbehörden fehl am Platze wäre. Denn nicht nur aufgrund der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, sondern auch wegen ihrer Schnittstellenfunktion in Verfahren mit Anerkennungsstellen und der Bundesagentur für Arbeit, falls erforderlich, und der jeweils zuständigen Auslandsvertretung wären die zentralen Ausländerbehörden der Antrieb für die Beschleunigung und die Vereinfachung der Fachkräfteeinwanderung.
Wesentliche Änderungen im Vergleich zum Erstentwurf dienen nicht der Beschleunigung
Nach § 81a Abs. 1 AufenthG-E wäre das Verfahren auf entsprechenden Antrag hin immer in den Fällen der §§ 16a, 16d, 18a, 18b und § 18c Abs. 3 AufenthG-E einzuleiten. In den übrigen Fällen würde die Klausel des § 81a Abs. 5 AufenthG-E Anwendung finden, wonach es angewendet werden könnte, wenn der Arbeitnehmer ein qualifizierter Beschäftigter wäre. Der Begriff der „qualifizierten Beschäftigung“ wäre gesetzlich in § 2 Abs. 12c AufenthG-E definiert.
Eine qualifizierte Beschäftigung wäre danach eine Tätigkeit, zu deren Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sein würden, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden. Ob der Mitarbeiter eine solche Ausbildung tatsächlich besäße, wäre unerheblich. Es käme auf die Anforderung an die Qualifikation für eine bestimmte Tätigkeit allgemein an. Als in Betracht kommende Personengruppen nennt die Begründung des Entwurfs „insbesondere IT-Spezialisten, Forscher und Führungskräfte“.
Den entsprechenden Mehraufwand würde sich die zentrale Ausländerbehörde mit einer weiteren Verwaltungsgebühr auch bezahlen lassen. 411 Euro werden nach dem Entwurf (§ 47 Abs. 1 Nr. 15 AufenthV-E) dafür angesetzt.
Die mehrfach angedeutete Beschleunigung würde die begleitende Regelung des § 31a AufenthV-E erzielen. Im Vergleich zum ersten Referentenentwurf ist diese Regelung jedoch stark „verwässert“ worden.
Würde der Arbeitgeber bei der zentralen Ausländerbehörde die Durchführung des beschleunigten Verfahrens beantragen, dann hätte
- die zuständige Auslandsvertretung binnen drei Wochen ab Vorlage der abschließenden Entscheidung der Ausländerbehörde (Vorabzustimmung) einen Termin zur Visumsbeantragung zu ermöglichen und
- binnen weiterer drei Wochen nach Einreichung eines Visumsantrags mit den erforderlichen Unterlagen darüber inhaltlich zu entscheiden.
Diese Veränderungen im Vergleich zum Erstentwurf sind wesentlich und lassen befürchten, dass es mit der Beschleunigung nicht wirklich ernst gemeint ist.
Gute Idee oder Rohrkrepierer im Wert von 411,00 € ?
Nach dem Erstentwurf hätte die zuständige Auslandsvertretung binnen zwei Wochen nach Information durch die zentrale Ausländerbehörde dem Ausländer einen Termin nach Absprache ermöglichen sowie in der Regel binnen drei Wochen nach Zustimmung der Ausländerbehörde zur Visumserteilung dieses auch erteilen müssen.
Ganz erhebliche Folgefragen sind damit verbunden: Wie soll der Antragsteller an die Vorabzustimmung gelangen? Muss er für deren Einreichung wiederum einen Termin vereinbaren und dafür Wochen oder gar Monate warten? In welchem Umfang werden Auslandsvertretungen sich „Plausibilitätsprüfungen“ der Entscheidungen der zentralen Ausländerbehörden herausnehmen oder aufgrund unterschiedlicher Rechtsauffassung die Vorabzustimmung als nicht bindend erachten? Und schließlich, wie werden die Auslandsvertretungen ebenso individuell über erforderliche Unterlagen beraten, wie es die zentralen Ausländerbehörden tun sollen und nicht noch weitere Unterlagen anfordern, die die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und zentraler Ausländerbehörde nicht erfassen?
Wenn sich an der Praxis der Auslandsvertretungen, insbesondere der Zurückweisung eines schriftlich durch einen Rechtsanwalt gestellten Antrag vor einer persönlichen Vorsprache des Antragstellers nichts ändert, kann aus einer guten Idee ein leidlicher und mit EUR 411 auch teurer Rohrkrepierer werden.
Etablierung eines „Zwei-Klassen-Aufenthaltsrechts“
Allgemein kann man das beschleunigte Fachkräfteverfahren durchaus als Etablierung eines „Zwei-Klassen-Aufenthaltsrechts“ bezeichnen, wenn damit ein besonderer Servicegedanke (seitens der zentralen Ausländerbehörden) und ein hohes Maß an Verfahrensbeschleunigung betont werden soll. Es unterliegt aber wie jedes andere aufenthaltsrechtliche Antragsverfahren den gleichen rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Vorgaben sowie Schutzmechanismen.
Nichtsdestotrotz nutzt der Gesetzgeber auch mit diesen verfahrensrechtlichen Ausgestaltungen seine ihm eigene Gestaltungshoheit. Benötigt Deutschland ausländische Fachkräfte, so kann es diese nicht monatelang auf eine Arbeitsaufnahme nach Rekrutierung warten lassen. Und Deutschland muss auch den internen Wettbewerb um die klügsten Köpfe und fähigsten Hände in Rechnung stellen, worauf die Entwurfsbegründung zu Recht hinweist (vgl. S. 131):
„Für die Sicherung des Fachkräftebedarfs sind langwierige Verfahren kontraproduktiv und im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte von Nachteil.“
Verschärfung von Mitteilungs- und Dokumentationspflichten
Der Arbeitgeber müsste auch zukünftig eine Fotokopie oder einen Scan des Aufenthaltstitels von Arbeitnehmern aufbewahren (§ 4a Abs. 5 S. 3 Nr. 2 AufenthG-E) und wäre zur Kontrolle verpflichtet, ob der Aufenthaltstitel die Erwerbstätigkeit nicht ganz verbietet oder zumindest teilweise beschränkt (§ 4a Abs. 5 S. 1 und S. 3 Nr. 1 AufenthG-E). Erstmals soll er auch gegenüber der Ausländerbehörde binnen Zwei-Wochen-Frist mitteilungspflichtig werden, wenn der Ausländer vorzeitig seine Beschäftigung beendet hat (§ 4a Abs. 5 S. 3 Nr. 3 AufenthG-E). Die Frist würde ab Kenntnis des Arbeitgebers zu laufen beginnen.
Die arbeitgeberseitige Mitteilungspflicht soll – anders als noch nach dem ersten Referentenentwurf – nicht nur mit bis zu EUR 1.000 für den Fall der zu späten, unrichtigen oder ausbleibenden Erfüllung bußgeldbewehrt werden. Vielmehr würde die Verletzung der (neuen) allgemeinen Mitteilungspflicht des Arbeitgebers der Verletzung der speziellen in Fällen der kurzfristigen Mobilität bei unternehmensinternen Transfers (§ 98 Abs. 2a Nr. 2 AufenthG-E) gleichgestellt werden. Der mögliche Sanktionsrahmen würde dadurch bis zu EUR 30.000 sein können.
Für die Verletzung der parallel bestehenden Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers über § 82 Abs. 6 S. 1 AufenthG-E wäre eine Sanktionierung mittels Bußgeld von bis zu EUR 1.000 möglich (§ 98 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG-E).
Anders als noch im ersten Referentenentwurf sähe der nun beschlossene Entwurf keine vergleichbaren Dokumentationspflichten mehr für Bildungsträger i.S.d. § 2 Abs. 12c AufenthG-E vor; von der Mitteilungspflicht hätten nach dem Erstentwurf sogar Hochschulen und Träger von Sprachkursen betroffen sein können. Allerdings würde auch bei Fällen der Ausbildung i.S.d. §§ 16 ff. AufenthG-E die erweiterte Mitteilungspflicht des Ausländers mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten über § 82 Abs. 6 S. 1 AufenthG-E gelten.
Abgerundet würden die Möglichkeiten einer nachträglichen Befristung der Aufenthaltstitel (§ 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG), worauf die verschärften Mitteilungspflichten abzielen, mittels einer Neuregelung des § 87 Abs. 2 AufenthG. Nach § 87 Abs. 2 AufenthG-E sollen zukünftig Stellen, die für die Gewährung von Sozialleistungen nach dem SGB II oder XII verantwortlich sind, dieses an die zuständigen Ausländerbehörden weitermelden. Hintergrund ist die Prüfung durch die Ausländerbehörde bei befristeten Aufenthaltstiteln (Aufenthaltserlaubnis, Blaue Karte EU, ICT-Karte oder Mobiler-ICT-Karte), ob (noch) die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG gegeben wäre.
Dies sind nur einige, aber die praxisrelevantesten Änderungsvorschläge, die das FEG enthält. Weitere wird der Beitrag von Dr. Gunther Mävers aufnehmen und vorstellen.
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