Das Thema
Das Thema
Bereits im letzten Beitrag wurde aufgezeigt, dass sich das jährliche Mitarbeitergespräch in immer mehr Unternehmen auf dem Prüfstand befindet. Man geht zunehmend davon aus, dass dieser Klassiker zu statisch, zu individuell und zu wenig eigenverantwortlich gestaltet ist.
Stattdessen soll mit agileren Methoden gearbeitet werden, z.B. wie bei Facebook mit einem sechsmonatigen Performance Summary Cycle, bei dem Mitarbeiter sich zum einen selbst bewerten, zum anderen erhalten Sie ein Feedback von Kollegen, einen sog. „Peer-Review“, und parallel legen Manager und Leiter ihre eigene Messlatte über die Herausforderungen der letzten sechs Monate fest und nehmen dann eine Kalibrierung der Leistungsbewertung vor.
In diesem Beitrag liegt der Fokus auf dem Aspekt der formalen Beurteilung dem Geben bzw. Nehmen von Feedback.
Teil 1 (HR Management)
Die Notwendigkeit formaler Urteile und von Feedback
Niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass Feedback im Hinblick auf Lernen und kontinuierliche Verbesserung unerlässlich ist. Dies gilt für individuelle Mitarbeiter genauso wie für ganze Teams. Zugleich kommen Unternehmen ohne formale Urteile nicht aus. Letztere sind immer dann erforderlich, wenn es um die Nominierung in Förderprogramme, um Beförderungen, um Gehaltserhöhungen oder um die Entlassung von Mitarbeitern geht. Dies gilt für statisch wie auch für agil geführte Unternehmen.
Bereits bei der Personalauswahl werden formale Urteile gefällt, etwa wenn es um die Einstellung oder Ablehnung eines Bewerbers geht.
Herausforderungen und Besonderheiten in einem agilen Kontext
Nun ergeben sich für agil geführte Unternehmen charakteristische Herausforderungen in Bezug auf beide Aspekte, für die formale Beurteilung und für Feedback. In einem agilen Kontext erfolgt Feedback kurzfristig, häufig und zeitnah. Dabei kommt dem Kundenfeedback eine höhere Bedeutung zu als etwa dem Feedback, das durch eine übergeordnete Führungskraft gegeben wird. Man geht davon aus, dass das Einholen von Feedback in der Verantwortung des Feedbacknehmers liegt.
Schwieriger gestaltet sich die Frage der formalen Beurteilung. In einer statischen Welt oblag es meist der direkten Führungskraft, einmal im Jahr eine Leistungs- bzw. Kompetenzbeurteilung über einen Mitarbeiter vorzunehmen. In einer agilen Welt agieren Führungskräfte aber mehr als Coach oder führen partnerschaftlich. Und hier gilt die Regel, dass diese Führungsrollen ein formales Urteilen nicht zulassen – Coaches don’t judge!
Formale Urteile versus Feedback
Hier kommt nun eine entscheidende Differenzierung zum Tragen. Formale Urteile funktionieren technisch und vor allem psychologisch nach gänzlich anderen Mechanismen als Feedback, weswegen beide Aspekte nie vermischt werden sollten. Urteile führen zu extrinsischen Konsequenzen unabhängig davon, was der Beurteilte darüber denkt. Feedback hingegen soll zu intrinsischer Reflexion anregen. Urteile gehören dem Urteilenden. Feedback aber gehört dem Feedbacknehmer. Urteile werden durch eine Autorität vorgesehen und geplant. Feedback sollte hingegen aktiv eingeholt werden. Urteile erfordern häufig eine Quantifizierung (im Sinne von Schulnoten). Feedback wirkt vor allem qualitativ.
Werden beide Aspekte vermischt, wirkt vor allem das Urteil. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Führungskraft zunächst Feedback gibt um dann im nächsten Schritt zum Urteil auszuholen. Anstatt intrinsischer Reflexion wird man einen Verhandlungsprozess erfahren. Ähnliches gilt, wenn Mitarbeiter Feedback-Apps nutzen, die es Allen erlauben, Feedback zu geben und zu nehmen, diese Informationen dann aber für die Generierung formaler Urteile herangezogen werden.
Letzteres wurde beispielsweise bei den Unternehmen Zalando oder N26 versucht, mit zum Teil drastischen Folgen. Im einen Unternehmen sprechen die Mitarbeiter von „360-Grad-Überwachung“ und im anderen haben sie ganz einfach einen Betriebsrat gegründet. Dass Erfahrungen dieser Art nicht nur für die Mitarbeiter unerfreulich, sondern im Falle einer öffentlichen Berichterstattung schädlich für die Arbeitgebermarke sind erfordert kaum eine explizite Erwähnung.
Die Trennung von Urteil und Feedback
Aus den oben genannten Gründen gehen Unternehmen immer mehr dazu über, Feedback von Urteilen zu trennen. Dies kann nur dann funktionieren, wenn die Ergebnisse unterschiedlichen Instanzen gehören – Urteile dem Unternehmen, Feedback dem Feedbacknehmer. Auch sollten die Akteure unterschiedliche Instanzen sein. Eine Führungskraft kann nicht Feedback geben und Urteilen zugleich. Eine zeitliche Trennung, wie sie in vielen Unternehmen praktiziert wird ist nicht genug. Wenn eine Führungskraft ihre Aufgabe darin sieht, Feedback zu geben, dann sollten Urteile beispielweise von einer unabhängigen Instanz (etwa einem separaten Komitee) gefällt werden.
Teil 2 (Arbeitsrechtliche Gestaltung)
Arbeitsrechtliche Trennung von Urteil und Feedback
Auch arbeitsrechtlich ist eine entsprechende Trennung erforderlich. Denn Feedback und Urteile folgen unterschiedlichen Anforderungen.
1.1 Feedback ohne formale Beurteilung und dessen rechtliche Grenzen
Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann grundsätzlich eine Feedback-Kultur für agiles Arbeiten in vernetzten Teams arbeitsrechtlich unproblematisch eingeführt werden, wenn das Feedback dem Feedbacknehmer tatsächlich gehört.
1.2 Rechtliche Grenzen bei Einführung einer Feedback-App
Sobald allerdings neue Feedback-Formate auf technischer Basis, wie z.B. Feedback-Apps eingeführt werden, die dazu geeignet sind, das Verhältnis oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, ist die Einführung einer solchen App – sofern ein Betriebsrat existiert – automatisch mitbestimmungspflichtig gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Auf die subjektive Überwachungsabsicht kommt es nicht an (BAG, NZA 2014, S. 439f). Dann ist für die Einführung und Nutzung einer solchen App eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat zu erarbeiten.
1.3 Rechtliche Grenzen bei Nutzung einer sozialen Plattform für Kundenfeedbacks
Eine weitere Grenze ist dort erreicht, wo Arbeitgeber indirekt ein Feedback von ihren Mitarbeitern über soziale Plattformen durch Dritte, insbesondere durch Kunden, einholen können. Das BAG hatte in seinem Urteil (BAG, Beschl. v. 13.12.2006-1 ABR 7/15) entschieden, dass eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite, die es den Nutzern von Facebook ermöglicht, über die Funktion „Besucher-Beiträge“ Postings zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten Arbeitnehmer einzustellen, die einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden können, eine technische Einrichtung ist, die zur Überwachung der Arbeitnehmer i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geeignet ist.
Durch arbeitnehmerbezogene Besucherbeiträge und deren Veröffentlichung auf der Facebookseite der Arbeitgeberin werden deren Arbeitnehmer – so das BAG – einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Die Einführung und Nutzung einer sozialen Plattform, die also eine indirekte Beurteilung der Mitarbeiter über ein Kundenfeedback ermöglicht, ist damit mitbestimmungspflichtig, sofern ein Kundenfeedback auf den Einzelnen rückführbar ist und Ergebnisse für den Arbeitgeber zugänglich sind. Da hierbei auch DS-GVO-Anforderungen sowie der Schutz des Persönlichkeitsrechts zu beachten sind, empfiehlt sich auch insoweit der Abschluss einer IT-Betriebsvereinbarung/IT-Policy zur Abdeckung der Risiken.
Da Urteile über den Einzelnen dem Unternehmen gehören, kann eine solche formale Beurteilung nur mit Zustimmung des Mitarbeiters zumeist auf Basis eines Beurteilungsbogens erfolgen.
Entsprechende Beurteilungsgrundsätze sind dabei wiederum mitbestimmungspflichtig gem. §§ 84 ff. Abs. 1, 2 BetrVG im Fall der Existenz eines Betriebsrates.
Fazit
Unternehmen sollten im agilen Kontext durchaus den Mut haben, neue Feedback-Formate einzuführen, um gemeinsam mit ihren Mitarbeitern transparent ihre Ziele in einer neuen agilen Organisationsstruktur erreichen zu können. Allerdings darf eine neue Feedback-Kultur nicht durch die Hintertür zu einer formalen Beurteilung des Einzelnen führen.
Dies würde nicht nur erhebliche Unzufriedenheiten und Misstrauen in der Belegschaft schaffen, sondern darüber hinaus die Mitbestimmungspflichten des Betriebsrates auslösen. Hierauf muss Facebook im o.g. Beispiel auch geachtet haben.
Ausblick auf den nächsten Beitrag
Transformation von Vergütungsmodellen im agilen Kontext („New Pay“)