Das Thema
Allen neueren Arbeitsformen ist gemein, dass sowohl für ihre Einführung, ihre konkrete Ausgestaltung, als auch für ihre Beendigung kein gesetzlicher Rahmen existiert. Das bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode begonnene Vorhaben des BMAS, Homeoffice und Mobilarbeit durch ein „Mobile-Arbeit-Gesetz“ verbindlich zu regeln, ist gescheitert und wird durch die Ampelkoalition so nicht mehr verfolgt. Während die Rechtsprechung hierfür auf die allgemeinen Regelungen zurückgreift, bestehen für Arbeitgeber, wenn sie ihren Mitarbeitern Homeoffice, Mobilarbeit, Workation und Co. gewähren, stets rechtliche Risiken. Kommt es dabei zu Leistungsdefiziten oder Pflichtverletzungen, stellen sich Unternehmen die Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen sie Mitarbeiter dazu verpflichten können, an ihren betrieblichen Arbeitsplatz zurückzukehren.
Beendigungsmöglichkeiten hängen von der Rechtsgrundlage ab
Wie mobile Arbeitsformen beendet und Mitarbeiter wieder dazu verpflichtet werden können, an ihren betrieblichen Arbeitsplatz zurückzukehren, hängt maßgeblich von der Rechtsgrundlage ab, auf der sie begründet worden sind.
Für die Tätigkeit im Homeoffice gilt: Sofern keinerlei kollektivrechtliche oder individualvertragliche Vereinbarung (z.B. eine Homeoffice-Vereinbarung) geschlossen wurde, die die Beendigung des Homeoffice regelt, kann der Arbeitgeber die Homeoffice-Tätigkeit in der Regel durch einseitige Weisung im Sinne des § 106 Satz 1 GewO wieder beenden. Ein Weisungsrecht kommt nur dann nicht in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer nur ein Einsatzort zugewiesen wurde und er annehmen durfte, dass sich der Arbeitsvertrag nur auf diesen Arbeitsort beschränkt (BAG, Urt. v. 17.01.2006 – 9 AZR 226/05). Das ist jedenfalls nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Homeoffice-Tätigkeit „bis auf Weiteres“ erlaubt ist (LAG Köln, Beschl. v. 24.06.2010 – 9 Ta 192/10). Ein Weisungsrecht besteht auch dann, wenn eine wirksame örtliche Versetzungsklausel in eine Vereinbarung aufgenommen wurde.
Interessen des Arbeitnehmers müssen ausreichend berücksichtigt werden
Das Weisungsrecht darf jedoch nur nach billigem Ermessen im Sinne des § 106 Satz 1 GewO i.V.m. § 315 BGB ausgeübt werden. Das gilt mit und ohne Versetzungsklausel gleichermaßen. Das BAG (Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16) verlangt hierfür „eine Abwägung der wechselseitigen Interessen“ von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. In diese sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Zu den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers an einer weiteren Tätigkeit im Homeoffice zählen insbesondere die mit der Rückkehr an den betrieblichen Arbeitsplatz verbunden Fahrtzeiten und Fahrtkosten.
Die Intensität des Eingriffs in berechtigte Arbeitnehmerinteressen hängt entscheidend davon ab, in welchem Umfang der Mitarbeiter bisher im Homeoffice beschäftigt war: Ist er nur an einzelnen Tagen im Homeoffice, fällt die Beeinträchtigung deutlich geringer aus als bei einem Arbeitnehmer, der in Vollzeit an fünf Tagen pro Woche im Homeoffice beschäftigt ist.
Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, die Homeoffice-Tätigkeit zu beenden, liegt nach dem LAG München etwa vor, wenn betriebliche Gründe dem Homeoffice entgegenstehen. Hieran sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Ausreichend ist z.B. eine vom betrieblichen Arbeitsplatz abweichende technische Ausstattung oder unzureichende Datenschutzmaßnahmen (LAG München, Urt. v. 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21). Ebenso verhält es sich, wenn die Quantität oder Qualität der Arbeitsleistung im Homeoffice nachgelassen hat.
Das gilt erst recht, wenn die Schlecht- oder Minderleistung die Schwere eines Kündigungsgrundes im Sinne der §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG erreicht hat. Dann käme gegebenenfalls auch eine Änderungskündigung – als milderes Mittel zur Beendigungskündigung – in Betracht.
Je nach Vereinbarung auch Widerruf oder Teilkündigung möglich
Besteht eine Homeoffice-Vereinbarung kommt bei entsprechend wirksamem Vorbehalt auch ein Widerruf des Homeoffice in Betracht. Ob detaillierte Widerrufsgründe notwendig sind, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Da sich mit einem Widerruf der Homeoffice-Tätigkeit aber nur der Arbeitsort und nicht die Vergütung des Arbeitnehmers ändert, dürfte die Rechtsprechung des BAG zum Widerruf von Vergütungsbestandteilen nicht vorbehaltslos zu übernehmen sein.
Nichtsdestotrotz sollte auch kein vorbehaltsloser Widerruf in eine Homeoffice-Vereinbarung aufgenommen werden. Das LAG Düsseldorf sah darin eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters und lehnte einen wirksamen Widerruf der Homeoffice-Tätigkeit ab. Die Vertragsklausel verstoße gegen das gesetzliche Leitbild des § 106 Satz 1 GewO, wonach die Ausübung des einseitigen Weisungsrechts des Arbeitgebers billigem Ermessen entsprechen muss (LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.09.2014 – 12 Sa 505/14). Empfehlenswert ist es auch, eine Widerrufsfrist aufzunehmen.
Möglich ist es auch, in einer Homeoffice-Vereinbarung ein Teilkündigungsrecht zu vereinbaren. Jedenfalls hat das LAG Hamm (Urt. v. 16.03.2023 – 18 Sa 832/22) eine Klausel, die die Teilkündigung einer entsprechenden Zusatzvereinbarung mit einer Frist von einem Monat vorsah, als zulässig erachtet. Ein solches Teilkündigungsrecht unterliege nicht den Regelungen des KSchG. Das gilt auch, wenn ein Teilkündigungsrecht in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist (LAG Nürnberg, Urt. v. 11.05.2021 – 7 Sa 289/20).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch das LAG Hamm in seiner Entscheidung auf das Urteil des LAG Düsseldorf (v. 10.09.2014) verweist, sodass kein vorbehaltsloses Kündigungsrecht vereinbart werden sollte. In einer entsprechenden Klausel sollten daher Kündigungsgründe aufgenommen werden oder geregelt sein, dass die Ausübung des Teilkündigungsrechts die Interessen des Arbeitnehmers ausreichend berücksichtigt.
Ergänzend: Beteiligung des Betriebsrats
Zu berücksichtigen ist, dass die Rückkehr an den betrieblichen Arbeitsplatz eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG darstellen kann. Das ist nach dem BAG (Beschl. v. 20.10.2021 – 7 ABR 34/20) der Fall, wenn der Arbeitnehmer
- bisher weit überwiegend im Homeoffice gearbeitet hat
- und auf unabsehbare Zeit wieder im Betrieb eingesetzt werden soll.
Wann eine weit überwiegende Tätigkeit im Homeoffice vorliegt, entschied das BAG nicht. Jedenfalls dürfte dies unzweifelhaft anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich im Homeoffice arbeitet. Schwierigkeiten bestehen, wenn er nur zum Teil, etwa nur an einzelnen Tagen in der Woche oder nur für einen bestimmten Zeitraum, im Homeoffice arbeitet. In diesen Fällen dürfte eine weit überwiegende Tätigkeit bereits vorliegen, wenn der Mitarbeiter in quantitativer Hinsicht mehr als 50 % seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung im Homeoffice erbringt.
Ist der Arbeitnehmer also weit überwiegend im Homeoffice tätig und soll er nun dauerhaft wieder an seinen betrieblichen Arbeitsplatz zurückkehren, liegt eine mitbestimmungspflichtige Versetzung vor. Der Betriebsrat ist zu beteiligen.
Rückkehr aus dem „Mobile Office“
Für die Beendigung von Mobilarbeit, also der Arbeit an wechselnden Arbeitsorten, gelten grundsätzlich dieselben Voraussetzungen wie für die Beendigung einer Tätigkeit im Homeoffice. Auch hier kommt es auf die Rechtsgrundlage an. Vorteilhaft für Arbeitgeber ist, dass eine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort kaum möglich ist, da der Arbeitnehmer in der Regel nicht nur an einem Ort tätig ist. Das dürfte im Rahmen billigen Ermessens zugunsten des Arbeitgebers berücksichtigt werden.
Beendigung von Workation und Homeoffice im Ausland
Verlegen Arbeitnehmer ihr Homeoffice ins Ausland oder begeben sie sich auf eine Workation, ist die Beendigung grundsätzlich schwieriger. Die Eingriffsintensität in berechtigte Interessen des Mitarbeiters ist regelmäßig höher, da diesem bei frühzeitiger Abreise gegebenenfalls hohe Kosten entstehen können. Das kann – neben den Kosten für die Abreise (z.B. Flugtickets) und für eine angemietet Unterkunft im Ausland – auch solche für die Anmietung einer eigenen Wohnung betreffen, wenn die ursprüngliche Wohnung im Inland für die Zeit der Workation untervermietet oder gar gekündigt wurde.
Erschwerend kommt hinzu, dass jedenfalls eine Workation aufgrund steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften in der Regel befristet ist und die vorzeitige Beendigung einer ohnehin bereits befristeten Vereinbarung nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen dürfte. Es gilt der Grundsatz: Befristung oder vorzeitige Beendigungsmöglichkeit (so auch ErfK, Preis, BGB, § 611a Rn. 169, der von einer „Beendigung oder Befristung“ spricht; ebenso Bayreuther, NZA 2021, 1593, 1596).
Trotzdem sollten Arbeitgeber nicht auf Regelungen zur Beendigung von Workation und Homeoffice im Ausland verzichten.
Gestaltungsempfehlungen und Handlungsmöglichkeiten für die Praxis
Es zeigt sich, dass Arbeitgeber bereits vor der Gewährung von Homeoffice, Mobilarbeit, Workation und Co. die (vorzeitige) Beendigung der Tätigkeit mitberücksichtigen sollten. Es empfiehlt sich ohnehin, die Rahmenbedingungen in einer Richtlinie oder einer Betriebsvereinbarung festzuhalten. Ergänzend zu unternehmensinternen Leitlinien sollte eine entsprechende Zusatzvereinbarung mit dem jeweiligen Mitarbeiter abgeschlossen werden.
Um Missverständnisse und Streitigkeiten vorzubeugen, ist bestenfalls in entsprechenden Vereinbarungen eine Versetzungsklausel in Hinblick auf den Arbeitsort aufzunehmen. In Anlehnung an Versetzungsklauseln in Arbeitsverträgen sollte das Recht des Arbeitgebers zur Beendigung ausdrücklich unter den Vorbehalt billigen Ermessens gestellt und davon abhängig gemacht werden, dass das arbeitgeberseitige betriebliche Interesse an der Beendigung das Interesse des Mitarbeiters an der Aufrechterhaltung der mobilen Arbeitsform überwiegt.