Das Thema
Mobiles Arbeiten ist spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 in der modernen Arbeitswelt etabliert. Berufliche Tätigkeiten, die keine Präsenzarbeit erfordern, werden häufig auch mobil ausgeübt. Viele Arbeitgeber sind insofern dazu übergegangen in ihren Betrieben bzw. Unternehmen mobiles Arbeiten auf vertraglicher Basis anzubieten. Dies geschieht durch individuelle Vereinbarungen mit einzelnen Arbeitnehmern oder kollektive Regelungen in Form von Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen.
Andererseits fehlen klare und einheitliche gesetzliche Regelungen. Ein gesetzlicher Anspruch auf mobiles Arbeiten besteht derzeit gerade nicht. Zwar hatte die aufgelöste Ampel-Koalition die Einführung diesbezüglicher gesetzlicher Grundlagen für mobile Arbeit beziehungsweise Homeoffice in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Versuche zur Umsetzung scheiterten aber bereits im Entwurfsstadium. So sah der Entwurf des Mobile Arbeit-Gesetzes (kurz MAG; vgl. dazu auch den EFAR-Beitrag „Mobile Arbeit Gesetz (MAG): Weiterer Referentenentwurf (jetzt ohne Rechtsanspruch) veröffentlicht“) aus 2020 die Einführung eines Erörterungsanspruchs in § 111 GewO vor. Arbeitnehmer sollten ihren Wunsch zur mobilen Arbeit an den Arbeitgeber herantragen. Dieser wiederum war verpflichtet, etwaige Konditionen mobiler Arbeit mit ihnen zu erörtern. Ziel war der Abschluss einer Vereinbarung. Eine ablehnende Entscheidung hätte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist mitteilen und begründen müssen. Ansonsten wäre ein (zumindest befristeter) Anspruch auf mobile Arbeit fingiert worden. Die Regelungstechnik folgte damit bereits vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen, zum Beispiel dem Teilzeitverlangen aus § 8 TzBfG.
Im Arbeitsschutzrecht wiederum mangelt es an einer hinreichenden Differenzierung zwischen Homeoffice, mobilem Arbeiten und Telearbeit.
Wie auf nationaler Ebene gibt es auch auf europäischer Ebene für eine einheitliche bzw. klare Regelung des mobilen Arbeitens bislang keine Einigung.
Wenngleich keine Anspruchsgrundlagen geschaffen wurden, hat das BMAS im Juni 2024 zumindest Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Betriebs- und Tarifparteien zur vertraglichen Umsetzung mobiler Arbeit in Betrieben und Unternehmen veröffentlicht (abrufbar unter: Veröffentlichung arbeits(schutz)rechtlicher Empfehlungen für hybride Bildschirmarbeit – BMAS), um auf den im Koalitionsvertrag formulierten Auftrag zu reagieren.
Die Empfehlungen des BMAS
Die Empfehlungen nehmen Bezug auf die bestehende Rechtslage. Vorausgesetzt wird die Schaffung vertraglicher Regelungen zur Einführung mobiler Arbeit auf betrieblicher Ebene. Die Empfehlungen geben dem jeweiligen Anwender dabei eine Schrittfolge (7 Schritte) zur Ein- und Durchführung mobiler Arbeit vor:
- Dies beginnt mit der gemeinsamen Festlegung der Ziele sowie der Definition des Begriffs der mobilen Arbeit in Abgrenzung oder einklammernd zum ,,Homeoffice‘‘ (Schritt 1)
- und setzt sich fort mit der Festlegung der geeigneten mobilen Tätigkeiten, der zulässigen Arbeitsorte, des zeitlichen Anteils mobiler Arbeit an der Gesamtarbeitsleistung sowie Regelungen zur Erreichbarkeit und festen Präsenzzeiten (Schritte 2 und 3).
- Die (meist) vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten zur Arbeitsausstattung und zum Arbeitsschutz finden sich in Schritt 4.
- Abschließend werden in den Schritten 5 bis 7 die auch im Rahmen mobiler Arbeit zu beachtenden allgemeinen arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben aufgeführt (Gefährdungsbeurteilung, Information der Arbeitnehmer, Kontrollen).
Flankiert werden die jeweiligen Schritte, die nicht (zwingend) als zeitliche Reihenfolge verstanden werden können, durch Hinweise zu den Beteiligungsrechten des Betriebsrats, bspw. nach – dem Mitte 2021 eingeführten – § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bezüglich der Ausgestaltung des mobilen Arbeitens.
Fazit und Ausblick
Im Februar 2025 sollen nunmehr Neuwahlen stattfinden. Ob die Einführung gesetzlicher Anspruchsgrundlagen zur mobilen Arbeit bei den Parteien weit oben auf der Agenda steht, darf angesichts der (welt)politischen und wirtschaftlichen Lage bezweifelt werden. Die Parteiprogramme vor der Bundestagswahl 2021 sahen unterschiedliche Ansätze vor. SPD und Bündnis 90/Die Grünen setzten auf einen gesetzlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten, die SPD zudem auf einen Mindestumfang von 24 Tagen pro Jahr auf Basis einer 5-Tage-Woche. Die FDP befürwortete einen Erörterungsanspruch und eine klare Abgrenzung zur Anwendbarkeit der Arbeitsstättenverordnung. Die CDU sprach sich für vertragliche Regelungen auf betrieblicher und tariflicher Ebene aus.
Gerade weil es aber auch 2024 an klaren gesetzlichen Regelungen fehlt, sind die Empfehlungen des BMAS umso begrüßenswerter. Die teils möglichen, teils verpflichtenden Eckpfeiler zur betrieblichen Umsetzung mobiler Arbeit (1. Anspruchsumfang; 2. Beteiligung des Betriebsrats; 3. Arbeitsschutz) werden dem Anwender in den Empfehlungen mitgegeben. Das gilt vor allem für den Bereich des allgemeinen Arbeitsschutzes. Gefährdungsbeurteilungen sind für Arbeitgeber verpflichtend. Wesentliche Prüfungsschritte werden in den Empfehlungen genannt: 1. Gefahrenermittlung und Bewertung, bei mobiler Arbeit insbesondere auf Grundlage von Check- und Fragelisten; 2. Festlegung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen; 3. Evaluation der Prüfergebnisse. Auf die Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit Gefährdungsbeurteilungen (vgl. insbesondere § 6 Abs. 1 ArbSchG) hätte allerdings stärker eingegangen werden können. Nimmt man die Handlungsempfehlungen zudem als Gedankenstütze für vertragliche Regelungen zur mobilen Arbeit, mag man auch über die Vereinbarung eines Rückkehrrechts der Arbeitnehmer zur reinen oder weit überwiegenden Präsenzarbeit nachdenken.
Klare Regelungen können Rechtssicherheit schaffen. Das gilt vor allem im Hinblick auf den Arbeitsschutz. Die mitunter nicht einfache Abgrenzung mobiler Arbeit und Homeoffice von der Telearbeit und der Anwendbarkeit der Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung würde gerade Arbeitgebern zugutekommen. Dies hatte sich die Ampel-Koalition eigentlich auch in den Koalitionsvertrag geschrieben. Es bleibt zu hoffen, dass die Thematik daher nicht zu sehr aus dem Fokus einer kommenden Regierung gerät.