Das Thema
Im Zusammenhang mit den oft komplexen Versorgungswerken der betrieblichen Altersversorgung stellen sich Unternehmen regelmäßig die Frage, welche Informationen sie ihren Arbeitnehmern zur Verfügung stellen sollten oder gar müssen. Die Praxis zeigt, dass Arbeitnehmer immer wieder Ansprüche wegen unzulänglicher Aufklärung geltend machen. Im Fall einer schuldhaften Verletzung von Informationspflichten können Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber haben. Eine zusätzliche Herausforderung ergibt sich infolge einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2018, durch die die gesetzlichen Informationspflichten erweitert werden.
Reichweite der Informationspflicht
Für Arbeitgeber können sich Informationspflichten gegenüber den Arbeitnehmern als arbeitsvertragliche Nebenpflicht ergeben. Wann dies konkret der Fall ist, folgt aus den Umständen des Einzelfalles und einer umfassenden Interessenabwägung. Die genauen Grenzen sind daher unscharf. Je größer das erweckte Vertrauen oder je größer, atypischer und schwerer erkennbar die betriebsrentenrechtlichen Gefahren für den Arbeitnehmer sind, desto eher muss der Arbeitgeber informieren und desto weitreichender sind die Pflichten des Arbeitgebers.
Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind abzuwägen (ein #EFARBeitrag zu den grundlegenden Risiken der Beratung der Mitarbeiter durch die Personalabteilung). Wie groß das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ist, hängt insbesondere von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie sowie dem Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Vorhersehbarkeit ab. Eine Informationspflicht kann insbesondere dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer wegen besonderer Umstände darauf vertrauen durfte, der Arbeitgeber werde sich um die Versorgung kümmern oder werde auch den Interessen des Arbeitnehmers an einer optimalen Versorgung Rechnung tragen (BAG, Urt. v. 12. Dezember 2002 – 8 AZR 497/01).
Gesteigerte Informationspflichten treffen den Arbeitgeber vor allem dann, wenn eine nachteilige Vereinbarung auf seine Initiative hin und in seinem Interesse zu Stande kommt. Erhöhte Vorsicht ist insbesondere geboten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag anbietet (BAG, Urt. v. 17. Oktober 2000 – 3 AZR 605/99). Eine allgemeine Hinweispflicht auf von Gesetzes wegen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergehende Rechtsfolgen trifft den Arbeitgeber dagegen nicht (BAG, Urt. v. 15. Oktober 2013 – 3 AZR 10/12). Das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers steigt jedoch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit dem Ruhestand steht.
Ändert sich das Versorgungswerk, kann eine Pflicht zur Information bestehen – insbesondere, wenn der Beschäftigte in diesem Zusammenhang ein Wahlrecht ausüben muss. Jede nachteilige Änderung kann Anlass für eine erweitere Informationspflichten sein. Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht anlässlich der Einführung eines Antragserfordernisses auf etwaige Schadensersatzansprüche hingewiesen, ohne diese Frage allerdings zu beantworten (BAG, Urt. v. 21. Februar 2017 – 3 AZR 542/15).
Grenzen der Informationspflicht
Die Rechtsprechung erkennt andererseits auch die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers an und begrenzt so die Reichweite etwaiger Informationspflichten. So müssen Unternehmen z.B. nicht auf die Möglichkeit der Entgeltumwandlung hinweisen (BAG, Urt. v. 21. Januar 2014 – 3 AZR 807/11). Ob auf ein bestehendes Antragserfordernis zur Inanspruchnahme einer Versorgungsleistung hinzuweisen ist, hat das Bundesarbeitsgericht zuletzt offengelassen (BAG, Urt. v. 21. Februar 2017 – 3 AZR 542/15, ablehnend LAG Köln, Urt. v. 11. Januar 2017 – 11 Sa 351/16).
Es kann ausreichen, den Arbeitnehmer auf bestehende Regelungen, z.B. eine Betriebsvereinbarung (BAG, Urt. v. 15. April 2014 – 3 AZR 288/12), zu verweisen. Dies setzt aber voraus, dass klare und nachvollziehbare rechtliche Grundlagen zur Anwendung kommen, so dass der Arbeitnehmer weitestgehend schon allein daraus erkennen kann, welche Möglichkeiten und Folgen sich für seine betriebliche Altersversorgung ergeben.
Der Arbeitgeber kann Modellrechnungen zur Verfügung stellen, eine Verpflichtung hierzu besteht aber in aller Regel nicht. Solche Rechnungen bergen das Risiko, dass sie unrichtig oder zumindest verzerrend sind. Eine individuelle Betrachtung bieten die Modelle ohnehin nicht. Trifft der Arbeitnehmer auf Grundlage einer unrichtigen Modellrechnung eine falsche Entscheidung, kann das eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers nach sich ziehen (BAG, Urt. v. 21. November 2000 – 3 AZR 13/00). Dennoch können solche Modellrechnungen sinnvoll oder gar erforderlich sein, z.B. bei der Einräumung von Wahlrechten. In diesem Fall empfiehlt es sich, externe Fachleute einzuschalten.
Erweiterung der Informationspflichten ab 2018
Die gesetzliche Regelung in § 4a BetrAVG zu Informationenpflichten in der betrieblichen Altersversorgung ist derzeit noch knapp gehalten, wird aber zum 1. Januar 2018 erweitert. Bis zum 31. Dezember 2017 haben Arbeitnehmer in erster Linie einen Anspruch auf
- Auskunft über die Höhe der erworbenen Anwartschaft und
- Auskunft über einen Übertragungswert im Fall des Arbeitgeberwechsels.
Dieser Auskunftsanspruch wird ab dem 1. Januar 2018 vor allem in zwei Punkten ergänzt:
- Der Arbeitgeber muss Auskunft erteilen über Auswirkungen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und über die Weiterentwicklung der Anwartschaft, die ab dem 1. Januar 2018 auch nach dem Ausscheiden weiter anwachsen muss (z.B. nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes).
- Die Informationspflicht besteht auch gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern und Hinterbliebenen.
Maßnahmen zur Erfüllung der Informationspflichten
Ab dem 1. Januar 2018 sind die erweiterten gesetzlichen Informationspflichten zu erfüllen. Die administrativen Prozesse sollten auf Kompatibilität mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen geprüft und ggf. angepasst werden. Das Personal ist entsprechend zu schulen, Informationsunterlagen oder auch Online-Portale sind zu überarbeiten.
Darüber hinaus bleibt es eine Frage des Einzelfalls, wann und inwieweit den Arbeitnehmern Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen. Feststehende Regeln zur Reichweite von Hinweispflichten bestehen nicht. Jedenfalls sollte schon bei Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung darauf geachtet, dass die Rechtsgrundlagen klar und verständlich gefasst werden. Liegen solche Rechtsgrundlagen vor, können die Arbeitnehmer darauf verwiesen werden. Ein Rückzug auf komplexe rechtliche Konstruktionen ohne weitere Erläuterungen wird dagegen in vielen Fällen kaum ausreichen.
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