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Bewertung

Internet-Bewertungsportale: Löschungsanspruch des Arbeitgebers

  • 5. Juni 2024 |
  • Anna Hellmann

OLG Hamburg: Bewertete Arbeitgeber haben einen Anspruch auf Löschung einer Bewertung, wenn der Portalanbieter ihnen gegenüber den Bewertenden nicht so weit individualisiert, dass sie das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes selbst überprüfen können. Die dahingehende Ermittlungspflicht des Portalanbieters besteht unabhängig davon, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache aufbaut, handelt.

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Das Thema

Die vom BGH für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (Urt. v. 09.08.2022 – VI ZR 1244/20) gelten in vollem Umfang auch für Arbeitgeber-Bewertungsportale. Dem bewerteten Arbeitgeber steht ein Anspruch auf Unterlassung aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG gegen den Portalanbieter zu, wenn die Echtheit der Bewertung konkret gerügt wird und verbleibende Zweifel nicht beseitigt werden.

Der Fall

Das OLG Hamburg hatte im Eilverfahren über einen Fall zu entscheiden, der in verschiedenen Ausprägungen bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war und hat im Rahmen seiner Rechtsprechung eine neue Richtung eingeschlagen (Beschl. v. 08.02.2024 – 7 W 11/24).

Die Antragstellerin betrieb ein Unternehmen mit rund 22 Angestellten. Die Antragsgegnerin bot eine über das Internet aufrufbare Plattform an, auf der gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bewerberinnen und Bewerber sowie Auszubildende ihren Arbeitgeber in verschiedenen Kategorien bewerten können („kununu“). Auf dieser Plattform wurden verschiedene negative Bewertungen über die Antragstellerin geteilt, darunter insbesondere Äußerungen wie „Setzen Sechs! Man ist nur eine Nummer.“ oder „Empathie ist ein Fremdwort.“

Die Antragstellerin wandte sich daher an die Antragsgegnerin und forderte diese zwei Mal schriftlich zur Löschung der Einträge auf. Zur Begründung führte sie im Rahmen ihrer Schreiben an, dass der Kontakt zu dem Bewertenden mit Nichtwissen bestritten werde, da die Person des Bewertenden nicht zugeordnet werden könne. Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin im Gegenzug auf, mögliche unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsverletzungen zu substanziieren. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nicht nach, sodass die Antragsgegnerin wiederum sich nicht zur Löschung der Bewertungen veranlasst sah. Die Antragstellerin begehrte schließlich den Erlass einer einstweiligen Verfügung durch das LG Hamburg.

In der Folge nahm die Antragsgegnerin Kontakt mit den bewertenden Nutzern auf. Sie anonymisierte die von diesen erhaltenen Unterlagen, aus denen sich der Nachweis einer Beschäftigung bei der Antragstellerin ergeben sollte und übermittelte die anonymisierten Tätigkeitsnachweise an die Antragstellerin.

Das LG Hamburg wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück und führte zur Begründung an, dass die von der Antragsgegnerin anonymisierten und an die Antragstellerin übermittelten Unterlagen ausreichend seien, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung der Bewertenden nachweisen zu können. Eine Übermittlung ungeschwärzter Tätigkeitsnachweise sei nicht erforderlich. Die Antragsgegnerin habe – unbestritten und durch eine eidesstattliche Versicherung belegt – vorgetragen, dass die Tätigkeitsnachweise und die darin enthaltenen Namen mit den jeweils in den Bewerterprofilen hinterlegten Bestandsdaten abgeglichen und verifiziert worden seien und die Daten übereinstimmten.

Die Antragstellerin legte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG Hamburg ein und verfolgte ihr Begehren weiter.

Die Entscheidung des OLG

Das OLG beurteilte den Sachverhalt gänzlich anders und erließ eine einstweilige Verfügung, die es der Antragsgegnerin verbietet, die angegriffenen Bewertungen zu veröffentlichen.

Im Einzelnen:

  • Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertungen aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) zu.
  • Die Antragsgegnerin sei als Portalanbieterin mittelbare Störerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen und hafte als solche nur eingeschränkt. Werde sie jedoch mit einer Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, sei eine umfassende Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts erforderlich. Diese Pflicht gelte unabhängig davon, ob die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache aufbaut, zu qualifizieren ist.
  • Die Beanstandung des Bewerteten sei bereits dann hinreichend konkret, wenn dieser rüge, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewertenden zugrunde liege. Diese Rüge dürfe der Bewertete zudem grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewertende derart individualisiert wird, dass der Bewertete das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes selbst überprüfen kann. Diese Möglichkeit zu einer eigenen Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts dürfe dem Bewerteten nicht in der Weise genommen werden, dass der Portalanbieter die Überprüfung für sich vornimmt und dem Bewerteten dann lediglich versichert, die Prüfung sei positiv ausgefallen.

Das Gericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass insbesondere eine nur geringe Anzahl an Arbeitnehmern – vorliegend 22 – nicht als Argument dafür herangezogen werden kann, dass eine Individualisierung leichter möglich sei als beispielsweise in einem Großkonzern. Auf dieses Argument könne sich der Portalanbieter nicht berufen.

Darüber hinaus spiele auch die Tatsache, dass die Identifizierung der bewertenden Personen für den Portalanbieter im Einzelfall schwierig sein kann, keine Rolle. Dass Bewertende unter Umständen fürchten, nach ihrer Kenntlichmachung Repressalien durch den negativ bewerteten Arbeitgeber ausgesetzt zu sein, stehe der Pflicht zur Individualisierung nicht entgegen.

Abschließend stellte das OLG Hamburg klar, dass auch aus dem Datenschutz keine entgegenstehende Ansicht folge.

Bewertung und Einordnung

Im Rahmen der Entscheidung hat das OLG einen neuen Weg eingeschlagen und Arbeitgebern nunmehr die Möglichkeit eingeräumt, sich gegen wahllose Bewertungen zu wehren.

Während nach der alten Rechtsprechung eine Überprüfung durch den Portalanbieter ausreichend war, muss dem Arbeitgeber nunmehr diese Prüfmöglichkeit selbst eingeräumt werden. Es genügt fortan gerade nicht mehr, dass der Portalanbieter dem bewerteten Arbeitgeber versichert, dass eine Überprüfung der Identität stattgefunden habe und diese positiv ausgefallen sei.

Darüber hinaus – und darin dürfte wohl die entscheidendste Änderung zu der bisherigen Rechtsprechung liegen – muss der Portalanbieter den Bewertenden so weit identifizieren, dass der bewertete Arbeitgeber das Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts überprüfen kann. Hierzu genügen keine anonymisierten Tätigkeitsnachweise oder sonstigen anonymisierten Belege mehr. Vielmehr umfasst die Identifizierung die Offenlegung weiterer Identifizierungsmerkmale – bis hin zur Nennung des Klarnamens – des Bewertenden.

Wie weit die Offenlegung der personenbezogenen Merkmale im Einzelfall reicht, wird davon abhängig sein, in welchem Maße sie zur Identifizierung erforderlich ist. So dürfte in einem kleinen Unternehmen vermutlich die Offenbarung von ausgeübter Position und/oder Zeitraum des Kontakts genügen, während in Großunternehmen eine detailliertere Individualisierung erfolgen muss.

Ein dritter maßgeblicher Unterschied zu der bisherigen Rechtslage besteht darin, dass ein Anspruch auf Löschung bislang unter der Bedingung stand, dass die Bewertung nicht mehr von der Meinungsfreiheit im Sinne von Art. 5 GG gedeckt war. Nach der neuen Rechtsprechung besteht der Anspruch auf Löschung des Bewerteten aber schon bereits dann, wenn Zweifel an der Identifizierung verbleiben.

Anforderungen an die Rüge des bewerteten Arbeitgebers

In der Praxis wird man sich damit auseinanderzusetzen haben, welche Anforderungen an die Rüge des Bewerteten zu stellen sind, um den Anspruch auf Unterlassung bzw. Löschung erfolgreich geltend zu machen. Aus der Entscheidung geht nur teils hervor, wann eine Rüge des bewerteten Arbeitgebers hinreichend konkret und damit ausreichend für die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs ist. In der Zusammenschau mit dem BGH-Urteil vom 09.08.2022, auf welches das OLG Hamburg verweist, werden die Anforderungen jedoch klarer:

  • Hinreichend konkret ist die Rüge danach, wenn aus ihr hervorgehe, dass ihr kein tatsächlicher geschäftlicher Kontakt des Arbeitgebers mit der bewertenden Person zugrunde liegt. Der Rechtsverstoß müsse auf der Grundlage der Rüge-Behauptung unschwer zu bejahen sein.
  • Die Rüge müsse zudem nicht darauf gestützt werden, dass die Bewertungen inhaltlich falsch seien; es genüge die Begründung, dass kein tatsächlicher Kontakt zugrunde liege. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Kontakts bedürfe es nur dann, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Arbeitgeber ohne Weiteres aus der Bewertung ergebe.

Fazit

Der Beschluss des OLG ist wegweisend und macht Arbeitgebern Hoffnung. Bewertungen, denen jedwede Grundlage fehlt und die ohne jeglichen tatsächlichen Kontakt abgegeben wurden (z.B. durch Konkurrenten o.Ä.), können nun leichter beseitigt werden.

Da es sich vorliegend um eine Entscheidung im Eilrechtsverfahren handelt und der Beschluss daher auf einer lediglich summarischen Prüfung der Rechtslage basiert, bleibt abzuwarten, wie die Gerichte künftig mit Negativbewertungen auf Internetplattformen umgehen.

Kategorien: #EFAR-Beiträge Tags: Compliance

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