Das Thema
Alle Jahre wieder, spätestens nach Feststellung des Jahresabschlusses zum Ende des Quartals des Folgejahres, werden – sofern vereinbart – variable Vergütungszahlungen in Form von Boni oder variabler Sondervergütung fällig. Dann kann es im Einzelfall auch einmal einen Dissens über die rechtlichen Voraussetzungen und/oder die Höhe des variablen Vergütungsanspruchs geben, insbesondere im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.
Im Streitfall kommt es erst recht auf die getroffenen jährlichen Zielvereinbarungen und deren Erreichung an. Was ist aber, wenn der (rechtzeitige) Abschluss von Zielvereinbarungen etwa in 2018 für 2019 versäumt wurde? Auf welchen Zeitpunkt kommt es hierbei an und was hat das Fehlen einer Zielvereinbarung im nächsten Jahr zur Folge?
Dies alles soll im Folgenden insbesondere auch vor dem Hintergrund einer zentralen Entscheidung des BAG zum Thema (Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07) dargestellt werden.
Zielvereinbarung greift oft Zusagen aus Arbeitsvertrag über variable Vergütung auf
Arbeitnehmer/innen, die bonusberechtigt sein sollen, erhalten oftmals eine vertragliche Zusage über eine variable Vergütung dahingehend, dass die Parameter für eine solche variable Vergütung in einer gesonderten Zielvereinbarung durch die Definition bestimmter Business-bezogener Ziele festgelegt werden sollen. Dabei wird insbesondere zwischen solchen Zielvereinbarungen unterschieden, bei denen Ziele und deren Gewichtung für eine bestimmte Zielperiode gemeinsam festgelegt werden und solchen, bei denen der Arbeitgeber die Ziele und deren Gewichtung einseitig vorgibt.
Schadenersatz bei fehlender Zielvereinbarung
Der Sachverhalt der als zentral angesehenen Entscheidung des BAG vom 12. Dezember 2007 zum Einstieg: ein Arbeitnehmer sollte neben dem monatlichen Festgehalt eine zusätzliche erfolgsabhängige Vergütung entsprechend der für das Kalenderjahr festgesetzten Ziele erhalten. Zunächst hatten die Vertragsparteien derartige Ziele auch konkret vereinbart. Nachdem der Arbeitgeber jedoch den Bereich Vertrieb, an dessen Erfolg besagter Mitarbeiter über die variable Vergütung beteiligt werden sollte, aufgelöst und an selbstständige Handelsvertreter vergeben hatte, hatten die Parteien für die letzten drei Monate des inzwischen gekündigten Arbeitsverhältnisses keine weitere Zielvereinbarung getroffen.
In diesem Zusammenhang ist das BAG zu dem Ergebnis gelangt, dass für Zeiträume, für die keine wirksame Zielvereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden ist, der Arbeitnehmer nach Ablauf der Zielperiode grundsätzlich einen Anspruch auf Schadenersatz hat, wenn der Arbeitgeber das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat. Für die Ermittlung des zu ersetzenden Schadens ist dabei nach dem BAG im Rahmen einer abstrakten Schadensberechnung gem. § 252 Satz 2 BGB der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus maßgeblich. Für die Höhe des Schadenersatzes ist dabei nach dem BAG ohne Bedeutung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer in vorhergehenden Zielperioden die vereinbarten Ziele erreicht hat.
Beruht das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung dabei allerdings auf Gründen, die nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch der Arbeitnehmer zu vertreten hat, schließt dies einen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen der entgangenen Bonuszahlungen zwar nicht aus. Allerdings ist das Mitverschulden des Arbeitnehmers in einem solchem Fall gem. § 254 BGB angemessen zu berücksichtigen. Ein sog. Vertretenmüssen des Arbeitnehmers kommt dabei insbesondere dann in Betracht, wenn vereinbart ist, dass Ziele gemeinsam festgelegt werden.
Jährliche Zielvereinbarungen: Die wichtigsten Handlungsempfehlungen
Mit Blick auf das vorbezeichnete Urteil ist es für den Arbeitgeber erforderlich, dass dieser möglichst eine realistische Zielvereinbarung für das Folgejahr mit dem betreffenden Mitarbeiter vor Ablauf des laufenden Kalenderjahres vereinbart. Mindestens aber sollte er dem Arbeitnehmer eine solche Zielvereinbarung vor Ablauf des laufenden Kalenderjahres für das Folgejahr in einer Weise angeboten haben, dass der Arbeitnehmer dieses Angebot hätte in zulässiger Weise annehmen können.
Scheitert die Annahme dieses Zielvereinbarungsangebotes durch den Arbeitnehmer dann an Gründen, die der Arbeitgeber nachweislich nicht zu vertreten hat, so kann der Arbeitgeber das Risiko eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs gering halten.
Insoweit ist auch nicht dahingehend zu differenzieren, ob die Parteien arbeitsvertraglich vereinbart haben, dass Ziele gemeinsam festgelegt werden oder ob diese einseitig vom Arbeitgeber vorzugeben sind. Denn in beiden Fällen sollte die Initiative zum Abschluss einer realistischen Zielvereinbarung für das Folgejahr nachweislich rechtzeitig vom Arbeitgeber ausgegangen sein.
Auch sollte im Blick behalten werden, ob sich die Arbeitsorganisation im Umfeld es einzelnen Mitarbeiters ändert und damit Einfluss auf die Erreichung individuell geltender Ziele hat, etwa wenn Unternehmen agile Arbeitsformen einführen.
Jährliche Zielvereinbarungen und der Betriebsrat
Da die nähere Ausgestaltung des variablen Teils des Vergütungssystems mitbestimmungspflichtig ist, d.h. insbesondere die Frage, ob die variable Vergütung linear entsprechend dem Zielerreichungsgrad ausgestaltet werden oder ob ein nicht lineares, gestaffeltes System der variablen Vergütung etabliert werden soll einschließlich der Ausgestaltung der Staffelung im Einzelnen, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat mehrere Monate vor Beginn der relevanten Zielperiode gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu involvieren und ggf. eine entsprechende Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede zu vereinbaren.
Im Fall des Vorliegens einer Betriebsvereinbarung bedarf es dann aber keiner weiteren individualrechtlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Hingegen wirkt aber die sog. Regelungsabrede nur zwischen den Betriebsparteien und nicht normativ für alle Betriebsangehörigen und müsste daher wiederum durch einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber umgesetzt werden. Das Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung besteht nach § 87 Abs. 1 BetrVG aber wiederum auch nur, soweit nicht eine tarifliche Regelung vorgeht.
Gestritten wird zudem noch oft um die Frage, inwieweit der Betriebsrat auch bei den Zielen und Evaluierungen der einzelnen Mitarbeiter basierend auf einer Zielvereinbarung mitwirken darf und welche Informationsrechte ihm dabei zustehen. Das LAG Düsseldorf entschied hierzu kürzlich, dass jedenfalls Datenschutzinteressen der Mitarbeiter den Informationsrechten des Betriebsrats nicht entgegenstehen.
Zielverfehlung: Auch arbeitsvertraglich relevant?
Es ist richtig, dass die Verfehlung von Zielen durch den Arbeitnehmer trotz erreichbarer und transparenter Vorgaben auf Dauer eine personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung auslösen kann. Dabei kommt es darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem Arbeitsvertrag unzumutbar wird.
In diesem Sinne hat es das BAG als erhebliche Minderleistung angesehen, wenn ein Arbeitnehmer die Normalleistung dauerhaft um ein Drittel unterschreitet. (BAG, Urt. v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91). Die Beweislast für eine solche Unterschreitung trägt dabei der Arbeitgeber. Mit Hilfe eines entsprechenden jährlichen Bonusplans mit Zielvorgaben ist eine solche Beweisführung jedenfalls nicht ausgeschlossen.
Jährliche Zielvereinbarungen: Arbeitsrechtlicher Schulungsbedarf für Führungskräfte geboten
In jedem Fall sollten die Gespräche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Beisein des disziplinarischen Vorgesetzten und nicht lediglich eines fachlichen Vorgesetzten stattfinden, da das Führen eines solchen Zielvereinbarungsgesprächs zu den originären Aufgaben des Arbeitgebers gehört. Dies spielt vor allem in der Matrix eine Rolle.
Die autorisierte Führungskraft sollte dabei imstande sein, dem Arbeitnehmer detailliert und transparent zu erklären, welche Aktivitäten er/sie zu entfalten hat, um einen entsprechenden Bonus in einer bestimmten Höhe verdienen zu können. Es sind also spezifische Kenntnisse über die konkrete Zielvereinbarung und die mathematischen Hintergründe erforderlich.
Zum anderen bietet sich eine arbeitsrechtliche Schulung über die einschlägige Rechtsprechung des BAG an, um Streitigkeiten mit den Arbeitnehmern oder sogar mit dem Betriebsrat über eine fehlende oder zu späte Zielvereinbarung vermeiden zu können.
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