Das Thema
Entschließen sich Unternehmen zu einem Personalabbau aufgrund einer Betriebsänderung, so geschieht das häufig bereits aus einer finanziellen Schieflage heraus. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht jedoch für kollektiv mitbestimmte Unternehmen vor, die mit dem Personalabbau einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer im Rahmen eines Sozialplans finanziell auszugleichen oder jedenfalls zu mildern. Arbeitgebern wird es dabei regelmäßig ein Anliegen sein, das Sozialplanvolumen entsprechend gering zu halten, um sich vor weiteren pekuniären Einschränkungen zu bewahren. Dabei ist auch die Überlegung nach der Zulässigkeit eines sog. Sozialplan „Null“ gerne angestellt.
Aufstellung des Sozialplans
Besteht ein Sozialplanerfordernis, so müssen Arbeitgeber gemäß § 112 Abs. 1 BetrVG gemeinsam mit dem Betriebsrat eine Einigung über den Ausgleich und die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer finden, die diesen in Folge der Betriebsänderung entstehen. Hierbei gilt, dass die Betriebspartner in der Entscheidung darüber, welche Nachteile im Rahmen des Sozialplans ausgeglichen oder abgemildert werden, zunächst im Rahmen eines weiten Gestaltungsspielraums frei sind. Demnach müssen die Betriebspartner nicht jeden wirtschaftlichen Nachteil ausgleichen oder mildern. Regelungen, die ausschließlich zulasten der Arbeitnehmer wirken, dürfen dennoch nicht vereinbart werden. Bei einem erzwungenen Sozialplan unterliegt die Einigungsstelle dagegen den Ermessensrichtlinien des § 112 Abs. 5 S. 2 BetrVG.
Bei der erzwungenen Sozialplanaufstellung wird in einem ersten Schritt der Sozialplanbedarf festgestellt, also ob und welche Nachteile entstanden sind und wie ihr Ausgleich bzw. ihre Milderung aussehen soll. In einem zweiten Schritt wird auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplanleistungen für den Arbeitgeber Rücksicht genommen, mit anderen Worten: über die tatsächliche Sozialplandotierung entschieden. Eine pauschale wertmäßige Ober- oder Untergrenze sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Insbesondere die Abfindungshöhe des § 1a KSchG enthält aufgrund der unterschiedlichen Zweckrichtung keinen Anhaltspunkt für eine Unter- oder Obergrenze der Sozialplanleistungen.
Ein Sozialplan „Null“ hätte jedoch gerade keinerlei finanzielle Leistungen für die Arbeitnehmer zur Folge.
Sozialplanbedarf als natürliche Obergrenze
Die „Mindesthöhe“ als Obergrenze des Sozialplanvolumens ergibt sich aus der Eignung des Sozialplans zur substanziellen Milderung der ausgleichsrelevanten wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer. Auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ist hierbei noch nicht zu achten. Zunächst sind also die durch die Betriebsänderung entstehenden individuellen Nachteile für die Arbeitnehmer festzustellen. In diesem Schritt soll auch geklärt werden, ob und wie diese einen Ausgleich finden können. Hierzu verfügen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Einigungsstelle über gewisse Beurteilungsspielräume. Der vollständige Ausgleich aller wirtschaftlichen Nachteile bildet dabei eine natürliche Obergrenze der Sozialplanleistungen.
Zweckmäßigkeit und wirtschaftliche Vertretbarkeit als Untergrenze
Die Untergrenze bildet die Zweckmäßigkeit des Sozialplans hinsichtlich der substanziellen Milderung der relevanten Nachteile für die Arbeitnehmer. Eine Korrekturfunktion sieht § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG vor, indem die Einigungsstelle auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplanleistungen für das Unternehmen zu berücksichtigen hat.
Die Zulässigkeit eines Sozialplans „Null“ hängt daher maßgeblich von der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ für den Arbeitgeber ab. Diese folgt aus einer Gesamtansicht sämtlicher betriebswirtschaftlicher Faktoren, die mit dem zuvor festgestellten Sozialplanbedarf in Einklang zu bringen sind. Das Gesetz sieht vor, einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen herzustellen. In diesem Rahmen ist bei der Bemessung des Gesamtbetrags der Sozialplanleistungen zu berücksichtigen, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.
Die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit dürfte regelmäßig im Falle der Illiquidität, bilanziellen Überschuldung des Unternehmens oder einer nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals erreicht sein. Gleichwohl lässt das BAG selbst Sozialplanleistungen zu, die das Unternehmen bis an den Rand der Bestandsgefährdung bringen und setzt voraus, dass Arbeitgeber für Sozialplanleistungen rechtzeitig vorsorgen, etwa in Form von Restrukturierungsrückstellungen. Schließlich entbindet eine etwaige wirtschaftliche Belastung den Arbeitgeber nicht von der Pflicht, durch den Sozialplan weitere Belastungen in Kauf zu nehmen. Gleichzeitig muss der Sozialplan aber auch zweckmäßig sein und eine substanzielle Milderung der relevanten Nachteile vorsehen. Andernfalls werden die sozialen Belange der Arbeitnehmer gem. § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG nicht hinreichend berücksichtigt. Wo die Untergrenze also genau verläuft, lässt sich nicht pauschal beantworten. Gesetzliche Anhaltspunkte gibt es keine. Das BAG stellte in seinem Beschluss vom 7. Mai 2019 (1 ABR 54/17) hierzu fest, dass als Untergrenze mindestens Leistungen vorgesehen werden müssen, die noch als „spürbare Milderung“ der wirtschaftlichen Nachteile angesehen werden können. Dabei komme es auf eine Einzelfallbetrachtung an, bei der insbesondere die Nachteile des Arbeitnehmers berücksichtigt werden müssten.
Sozialplandotierung in der Insolvenz
Schließlich entbindet selbst die Insolvenz nicht von Sozialplanleistungen. § 123 Abs. 1 und 2 InsO sehen lediglich die Begrenzung des Sozialplanvolumens durch die Festlegung einer relativen und einer absoluten Obergrenze vor.
Nach Insolvenzeröffnung erfolgt danach eine doppelte Begrenzung des Sozialplanvolumens. Als absolute Obergrenze darf nicht mehr als ein Gesamtbetrag von zweieinhalb Monatsverdiensten der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden. Falls kein Insolvenzplan zustande kommt, darf darüber hinaus als relative Obergrenze nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne den Sozialplan für die Verteilung an Insolvenzgläubiger verwendet worden wäre. Innerhalb dieser Grenzen verfügen die Beteiligten ebenfalls über einen Ermessensspielraum im Rahmen der zuvor dargestellten Grundsätze.
Dennoch realisierbares Sozialplanvolumen von 0,15
Das Ziel eines Sozialplans „Null“ dürfte aufgrund des Dargestellten daher selbst im Falle eines Insolvenz-Sozialplans unrealistisch sein.
In dem oben zitierten Beschluss des BAG vom 7. Mai 2019 waren dennoch relativ kleine, altersgestaffelte Abfindungsfaktoren von 0,15 bis 0,32 zulässig, da sie eine noch ausreichend spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile darstellten. Abfindungsfaktoren zwischen 0,15 bis 0,2 sind also durchaus realisierbar. Klar sein muss dem Arbeitgeber, der das Sozialplanvolumen so niedrig wie möglich drücken möchte jedoch, dass der Betriebsrat und ggf. die Gewerkschaft zur Verdeutlichung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens eine vollständige Offenlegung sämtlicher betriebswirtschaftlicher Faktoren fordern wird, um die fehlende Liquidität des Unternehmens zu prüfen.
Für einen erfolgreichen Personalabbau ist daher bereits im Vorfeld eine sorgsame Planung, nicht zuletzt unter Einbeziehung der Gremien auf Arbeitnehmerseite unausweichlich.