Das Thema
Der Kläger war seit dem 01.08.2023 bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt. Noch während der laufenden Wartezeit des § 1 Abs.1 KSchG, am 12.01.2024, wurde ihm ein Kündigungsschreiben übergeben. Dieses Schreiben war auf dem Briefkopf mit Name und Anschrift des Unternehmens ausgefertigt, mit dem der Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis eingegangen war. Der Name des Unternehmens war auch in der Unterschriftenleiste korrekt angegeben. Diese enthielt auch den Zusatz „ppa.“, gefolgt von dem Namen des im Handelsregister eingetragenen Prokuristen. Dieser Prokurist hatte das Kündigungsschreiben auch unterzeichnet und dabei einen Firmenstempel der „P.H.E. GmbH“ verwendet. Die „P.H.E. GmbH“ war nicht das Unternehmen, mit dem der Beschäftigte das Arbeitsverhältnis eingegangen war. Vielmehr handelte es sich um ein anderes Unternehmen, für das der Prokurist ebenfalls Prokura hatte.
1.300 Arbeitsstunden – Wartezeit erfüllt?
Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage. Nach seiner Auffassung handele sich nicht um eine Kündigung in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG. Laut seiner eigenen Arbeitszeiterfassung habe er bereits mehr als 1.300 Stunden geleistet. Bei einer monatlichen Arbeitszeit von 180 Stunden ergebe dies weit mehr als die sechs Monate Wartezeit. Außerdem sei die Kündigung bereits aus formalen Gründen wegen der Verwendung des Firmenstempels der „P.H.E. GmbH“ unwirksam.
Die Arbeitgeberin wies beide Einwände zurück. Es handele sich um eine wirksame Kündigung, die innerhalb der Wartezeit ausgesprochen wurde. Sie wies insbesondere darauf hin, dass der unterzeichnende Prokurist und dessen Stellung dem Kläger bekannt gewesen war.
Die Entscheidung
Die Entscheidung des ArbG Suhl (Urt. v. 14.08.2024 – 6 Ca 96/24) hat Arbeitgeberseite vollumfänglich recht gegeben und die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Kündigung sei noch innerhalb der Wartezeit ausgesprochen, womit es auf eine Begründung der Kündigung nicht ankomme. Für die Berechnung der Wartezeit sei allein die Dauer des Arbeitsverhältnisses nach dem Kalender entscheidend. Die Anzahl geleisteter Arbeitsstunden sei dagegen völlig unerheblich.
Auch die formale Argumentation des Klägers teilte das Gericht nicht: Die Verwendung des Firmenstempels der „P.H.E. GmbH“ führe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Maßgeblich sei, dass der die Kündigung zeichnende Prokurist laut Handelsregister berechtigt war. Zweifel über den richtigen Aussteller der Kündigung konnte das Gericht nicht erkennen: Briefkopf und Unterschriftszeile wiesen das Unternehmen, mit dem ein Arbeitsverhältnis bestand, eindeutig aus. Auch der Kläger sei hier offensichtlich keinem Zweifel unterlegen: Er habe die Kündigungsschutzklage gegen das richtige Unternehmen erhoben. Die Verwendung des falschen Firmenstempels bewirke keine Änderung in der Person des Ausstellers.
Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Fazit und Handlungsempfehlung
Es ist wahrscheinlich, dass die Kündigungsschutzklage auch in der Berufungsinstanz abgewiesen wird. Der Kläger vertritt hier mit seinem Standpunkt, Mehrarbeit könne die Dauer der Wartezeit verkürzen, eine kreative Sichtweise. Der klare Wortlaut des § 1 Abs. 1 KSchG stellt jedoch auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses ab. Unternehmen werden daher nicht auch noch die Anzahl der Arbeitsstunden für die Berechnung der Wartezeit im Blick behalten müssen.
Der formale Fehler, der hier dem Prokuristen unterlaufen ist, ist ein typischer „Flüchtigkeitsfehler“. Erfreulicherweise hat das ArbG Suhl pragmatisch und nicht formalistisch entschieden. Keinesfalls darf jedoch aus der Entscheidung der Schluss gezogen werden, dass die strengen Formalia des Kündigungsschreibens künftig grundsätzlich „lockerer“ gehandhabt werden dürfen. Nach wie vor gilt: Ein wirksames Kündigungsschreiben muss den korrekten Aussteller unzweifelhaft erkennen lassen. Eine Kündigung muss zwingend von einer laut Handelsregister berechtigten Person (oder unter Beigabe einer Originalvollmacht) eigenhändig unterzeichnet werden – auch an diesem Grundsatz ändert sich nichts.