Das Thema
Viele Unternehmen befinden sich weiterhin in Kurzarbeit. Dort, wo kein Betriebsrat gebildet ist, sind Unternehmen auf entsprechende arbeitsvertragliche Absprachen mit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angewiesen. Bei deren Gestaltung sind die Vorgaben der AGB-Kontrolle zu wahren. Andernfalls droht die Gefahr der Unwirksamkeit entsprechender Vereinbarungen. Die Folge: Kurzarbeit ist nicht wirksam eingeführt worden und ist der Arbeitgeber Klagen auf Differenzlohn ausgesetzt. Wie streng die Vorgaben der Rechtsprechung hierbei sind, verdeutlicht ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder).
Sachverhalt der aktuellen Entscheidung
In dem vom Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) zu beurteilenden Fall (Urt. v. 10.02.2021, Az.: 1 Ca 1076/20) hatte ein betriebsratsloser Arbeitgeber seiner Belegschaft eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vorgelegt, die unter der Überschrift „Kurzarbeit – betriebliche Einheitsregelung“ folgende Inhalte vorsah:
„Sehr geehrte Mitarbeiterinnen, sehr geehrte Mitarbeiter,
aufgrund der Corona-Situation ist für verschiedene unserer Standorte zu befürchten, dass wirtschaftliche Beeinträchtigungen unseres Betriebs erfolgen werden. Wir beabsichtigen daher, zumindest ab dem 16.03.2020 bis auf weiteres Kurzarbeit einzuführen. Der Umfang der Kurzarbeit ist derzeit nicht absehbar und kann bis hin zur Kurzarbeit „null“ reichen, wenn ein Arbeiten in den Standorten nicht möglich sein sollte. Wir bitten Sie, ihr Einverständnis zur Durchführung und zum Umfang der Kurzarbeit durch Unterzeichnung dieses Schreibens schriftlich zu erklären“
Die Arbeitnehmerin unterzeichnete diese Vereinbarung am 13.03.2020 und leistete in den Folgemonaten – jedenfalls teilweise – auch Kurzarbeit. Einige Monate später erhob sie jedoch Klage und machte arbeitsgerichtlich unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Kurzarbeitsvereinbarung ihre Differenzlohnansprüche zwischen tatsächlich gezahlten Entgelt und ihrem vertraglichen Soll-Entgelt geltend.
Arbeitsgericht: Vereinbarung unwirksam!
Das Arbeitsgericht sprach der Klägerin die Lohnansprüche zu und qualifizierte die abgeschlossene Vereinbarung als unwirksam. Die formularvertraglich verwendete und damit der AGB-Kontrolle unterfallende Klausel halte keiner Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 2 BGB stand. Nach Auffassung der erkennenden Kammer weiche die vertragliche Vereinbarung insbesondere von den Grundgedanken des arbeitsvertraglichen Lohngefüges gem. §§ 611 ff. BGB ab.
Zudem stelle die Klausel mit Blick auf die Regelungen zu den Vorgaben an den in § 2 KSchG normierten Änderungskündigungen eine unbillige Abweichung von weiteren gesetzlichen Vorgaben dar. Die Punkte, die nach den Entscheidungsgründen die Unwirksamkeit bedingten, seien:
- Fehlen einer Ankündigungsfrist zur Einführung der Kurzarbeit, da so das existenzsichernde Einkommen des Arbeitnehmers von heute auf morgen entfallen könne
- Fehlen einer Begrenzung des Umfangs der Kurzarbeit, da der Umfang der zu leistenden Kurzarbeit nicht absehbar sei und bis hin zur Kurzarbeit „Null“ reichen könne
- Fehlen eines zeitlichen Endes des Ableistens von Kurzarbeit, so dass nicht deutlich werde, wie lange von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch gemacht werden solle
- Fehlende personelle Konkretisierung des Personenkreises, der im Ergebnis tatsächlich durch die Einführung von Kurzarbeit tangiert werde.
Auch eine „Heilung“ durch eine konkludente Einigung der Arbeitsvertragsparteien auf die Durchführung von Kurzarbeit lehnte das Arbeitsgericht ab. Eine solche Möglichkeit werde zwar als möglich angesehen, wenn der Arbeitnehmer die arbeitgeberseitig einseitig angeordnete Einführung von Kurzarbeit hinnehme und widerspruchslos weiterarbeite. Dieser „Rettungsanker“ scheiterte im konkreten Fall aber bereits an einem ausreichenden arbeitgeberseitigen Vortrag dazu, so das Gericht.
Strenger Entscheidungsmaßstab und fragliche Bewertung
Die Entscheidung misst mit strengen Maßstäben, die teils nur schwer überzeugen. Sicherlich ist der Grundgedanke einer Ankündigungsfrist bei Kurzarbeit eine berechtigte Überlegung. Sie soll den Arbeitnehmer vor einer ungewissen künftigen Situation und einer Veränderung des Gehaltsgefüges schützen.
Daher ist es überzeugend, bei einer formularvertraglichen Regelung zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber bereits im Ausgangsarbeitsvertrag eine solche Ankündigungsfrist zu fordern, wie dies Arbeitsgerichte auch bereits entschieden haben (z.B. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010, 2 Sa 1230/10) und Formulierungsvorschläge in Formularhandbüchern dies vorsehen (s. z.B. Schimmelpfenning, in: Beck`sche Online-Formulare Vertrag, 53. Edition 2020, Stand: 1.3.2019, Kap. 2.1.8 – Arbeitsvertrag; Klagges, in: Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 13. Aufl. 2019, Rn. 265). Die Situation bei der nachträglichen, im laufenden Arbeitsverhältnis einverständlich abgeschlossenen Vereinbarung ist indes eine völlig andere: Hier ist der Arbeitnehmer über die betriebliche und konkrete Situation im Bilde. Er willigt damit für einen konkreten Fall in die Änderung der Arbeitsbedingungen ein, wenn er es tut. In diesem Fall bedarf es dann aber keiner Ankündigungsfrist.
Das Verlangen einer Ankündigungsfrist widerspricht auch den Vorgaben des Arbeitsförderungsrechtes gem. §§ 95 ff. SGB III, die Unternehmen ermöglichen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Situation schnell reagieren zu können, um einen Arbeitsplatzabbau vermeiden zu können. Das Arbeitsgericht Stuttgart (Urt. v. 22.10.2020, 11 Ca 2950/20, ArbRAktuell 2020, S. 633 mAnm. Fuhlrott) hat dies erst kürzlich in einer überzeugenden Entscheidung betont und die Einführung von Kurarbeit selbst im Wege einer außerordentlich fristlosen Änderungskündigung im konkreten Einzelfall – zugegebenermaßen unter Wahrung einer sozialen Auslauffrist bei der fristlosen Änderungskündigung – bejaht. Dies überzeugt, da ein Arbeitgeber nur so in der Lage ist, die sozialgesetzlichen Möglichkeiten von Kurzarbeit in besonderen Situationen kurzfristig zu nutzen und Kurzarbeit zeitnah einzuführen.
Auch entsprach diese Sichtweise einer Vielzahl von Stimmen aus dem Schrifttum, die solche Forderungen ebenfalls erhoben haben (Bauer/Günther, NZA 2020, 419; Schmidt-Rolfes, AuA 2020, 353; Fuhlrott, MDR 2020, 540).
Rettungsanker konkludente Einwilligung
Formularvertragliche Klauseln zur Einführung von Kurzarbeit sollten aufgrund der fehlenden höchstrichterlichen Klarstellung möglichst jedoch die Anforderungen wahren, die das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2015 (Urt. v. 18.11.2015, 5 AZR 491/14) für Betriebsvereinbarungen verlangt hat, also Augenmerk auf die Festlegung von Umfang und Verteilung der Arbeitszeit legen.
Den in der Praxis bisweilen bestehenden Schwierigkeiten einer insoweit trennscharfen Abgrenzung und eine Minimierung von Restrisiken kann zudem dadurch erfolgen, dass nach der Einführung der Kurzarbeit die monatliche oder wöchentliche Festlegung der jeweiligen Arbeitszeit des Mitarbeiters festgehalten und durch diesen unter Erteilung seines Einverständnisses abgezeichnet wird, um sich im Fall der Fälle auf eine entsprechende konkludente Einwilligung des Beschäftigten berufen zu können.