Das Thema
Viele Beschäftigte befanden sich 2020 und auch noch 2021 in konjunktureller Kurzarbeit. Eine höchstrichterliche Klärung, ob Zeiträume der Kurzarbeit zu einer anteiligen Urlaubskürzung Urlaubsanspruchs berechtigen, fehlte bislang.
Mit seiner aktuellen Entscheidung (Urt. v. 30.11.2021, Az.: 9 AZR 225/21 = PM Nr. 41/2021) stellt das Bundesarbeitsgericht fest, dass der Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat geleisteter Kurzarbeit „Null“ um 1/12 gekürzt werden kann.
Bislang: Geltende rechtliche Grundlagen
Während das Bundesarbeitsgericht vormals (Urt. v. 14.03.2017, Az. 9 AZR 7/16) in Umsetzung der Vorgaben des Unionsrechts davon ausging, dass allein der rechtliche Bestand zum Entstehen von Urlaubsansprüchen führte, hatte der 9. Senat diese Rechtsprechung bereits im März 2019 aufgegeben und festgehalten, dass „für Zeiten des unbezahlten Sonderurlaubs (…) grundsätzlich kein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub“ (Urt. v. 19.3.2019, Az.: 9 AZR 406/17 = GWR 2019, S. 371 m. Anm. Fuhlrott) entsteht.
Anlass der Rechtsprechungsänderung dürfte eine entsprechende Aussage des Europäischen Gerichtshofs in einer Entscheidung aus Dezember 2018 (Urt. 13.12.2018, Az.: C-385/17) gewesen sein, in der der EuGH zwar bei Kurzarbeitszeiten eine Kürzung des Urlaubsentgelts ablehnte, allerdings ausführte, dass der Umfang des Jahresurlaubs abgesehen von Fällen einer Erkrankung von der tatsächlichen Jahresarbeitsleistung abhängen könne.
Die Gestaltung von Sabbaticals und die Gewährung unbezahlten Sonderurlaubs wurde damit für die Arbeitsrechtspraxis weitaus attraktiver, da sie nicht mehr unter dem Damokles-Schwert der späteren Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des rückkehrenden Arbeitnehmers stand.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Kurzarbeit kürzt Urlaub
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 12.3.2021, Az.: 6 Sa 824/20) hatte daher auch bereits im März dieses Jahres geurteilt, dass „für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller „Kurzarbeit Null” keine Arbeitspflicht haben, (…) der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen“ ist. Anlass der Befassung war die Klage einer als Verkäuferin in einem Backshop beschäftigten Arbeitnehmerin, die sich in den Monaten April bis Dezember 2020 in Kurzarbeit befand. Als der Arbeitgeber ihren Urlaubsanspruch für Zeiten der Kurzarbeit „Null“ anteilig kürzte, machte diese klageweise einen ungekürzten Urlaubsanspruch geltend. Für eine Reduzierung des Urlaubs führe es an einer Rechtsgrundlage. Es gebe weder einen einschlägigen Tarifvertrag noch eine Betriebsvereinbarung, der eine solche Kürzung vorsehe, so die Argumentation der Klägerin.
Und: Nach dem Bundesurlaubsgesetz sei für die Entstehung des Urlaubsanspruchs allein auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Das Landesarbeitsgericht überzeugte die Klägerin damit nicht. Dieses hielt eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs für zulässig. Zwar entstehe der Urlaubsanspruch dem Grunde nach, sei aber für Zeiten nicht tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung zu kürzen. Konjunkturelle Kurzarbeit „Null“ führe daher wie andere Teilzeittatbestände zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs, so die Düsseldorfer Richter.
Höchstrichterliche Bestätigung der Urlaubskürzung
Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht billigte heute die Kürzung der Urlaubsansprüche: Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach nationalem Recht, noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen, so das Bundesarbeitsgericht in seiner Pressemitteilung zur Entscheidung. In einer weiteren Entscheidung vom 30.11.2021 (Urt. v. 30.11.2021, Az.: 9 AZR 234/21) hat der Neunte Senat zudem erkannt, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist.
Urlaubskürzung nur bei wirksamer Einführung von Kurzarbeit
Unternehmen, die sich in entsprechenden Rechtsstreitigkeiten mit ihren Mitarbeitern ausgesetzt sehen, sollten aber zwingend eins beachten: Eine Berufung auf eine Urlaubskürzung ist nur dann möglich, wenn die Kurzarbeit wirksam eingeführt worden ist.
Die Anforderungen an entsprechende formularvertragliche Gestaltungen sind hoch, fehlt es etwa an zeitlicher Dauer der Kurzarbeitszeit, dem von der Kurzarbeit im Einzelnen betroffenen Personenkreis der Beschäftigten oder der Regelung des Umfangs, besteht das hohe Risiko der Unwirksamkeit der Einführung von Kurzarbeit wegen Verstoßes gegen die AGB-rechtlichen Regelungen der Transparenz und Bestimmtheit gem. §§ 307 ff. BGB, wie das ArbG Frankfurt (Oder) im Februar 2021 urteilte (Az. 1 Ca 1076/20).
Auch Formulierungen in Betriebsvereinbarungen, die keiner AGB-Kontrolle unterliegen, müssen sorgsam formuliert sein und nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 18.11.2015, Az.: 5 AZR 491/14) „mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer“ beinhalten.
Dies hatte auch erst jüngst das ArbG Kiel (Urt. v. 30.3.2021 – 3 Ca 1779 e/20 = GWR 2021, S. 305 m. Anm. Fuhlrott) bestätigt und einem gegen seine während des Zeitraums der Kurzarbeit vorgenommene Urlaubskürzung klagenden Arbeitnehmer Recht gegeben, da die betroffenen Arbeitnehmer aus der der Betriebsvereinbarung beigefügten Anlage nicht eindeutig erkennbar waren.
Risiko: Differenzlohnklage!
Insoweit sollten Unternehmen bei der Erhebung von „Urlaubskürzungsklagen“ zunächst prüfen, ob die der Einführung der Kurzarbeit zugrunde liegenden Regelungswerke unangreifbar sind. Andernfalls folgt ein böses Erwachen, wenn ein Arbeitsgericht die betrieblichen Regelugen zur Kurzarbeit als unwirksam qualifiziert und damit – seitens der gesamten Belegschaft – neben der Geltendmachung von Urlaubsansprüchen die Erhebung von Differenzlohnklagen auf das gesamte Gehalt droht!