Das Thema
Das Sozialgericht (“SG”) Speyer hatte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über den Antrag des Geschäftsführers einer UG (haftungsbeschränkt) (sog. kleine GmbH) auf Gewährung von Kurzarbeitergeld zu entscheiden.
Zu dem Verfahren ist bislang nur eine recht kurz gehaltene Pressemitteilung veröffentlicht. Zusammengefasst lässt sich sagen: Der Fremd-Geschäftsführer ist grundsätzlich zum Bezug von KUG berechtigt. Hinsichtlich der Höhe kann aber nicht pauschal der Umfang der Kurzarbeit der übrigen Arbeitnehmer herangezogen werden.
Sachverhalt und Entscheidung des Sozialgerichts
Die Arbeitsagentur verweigerte dem Geschäftsführer eines Tourismus- und Sportunternehmens die Gewährung von Kurzarbeitergeld (“KUG”) aus grundsätzlichen Erwägungen. Wer das Unternehmen leite, habe nach ihrer Auffassung die Aufgabe, neue Kunden zu finden und Kurzarbeit zu vermeiden. Daher könne der Geschäftsführer kein Kurzarbeitergeld beziehen.
Das SG Speyer hielt der Arbeitsagentur die gesetzliche Intention entgegen, „möglichst viele Arbeitnehmer durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld in einem Beschäftigungsverhältnis zu halten“ und gab dem Antrag des Geschäftsführers auf einstweilige Anordnung statt.
Bewertung der Entscheidung: Worauf kommt es an?
Der Anspruch auf KUG folgt aus § 95 SGB III. Dort heißt es:
„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn
- ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
- die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
- die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
- der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.“
Zwei Aspekte erscheinen bei der Frage nach KUG für Geschäftsführer also problematisch:
- Sind Geschäftsführer überhaupt vom persönlichen Anwendungsbereich umfasst?
- Kann ein erheblicher Arbeitsausfall überhaupt die Geschäftsführertätigkeit betreffen?
Persönlicher Anwendungsbereich: Geschäftsführer als Arbeitnehmer?
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Stellung als Geschäftsführer dem Anspruch auf KUG entgegensteht, denn die Anspruchsgrundlage bezieht sich ausdrücklich auf „Arbeitnehmer“.
Zudem konkretisiert § 98 SGB III die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von KUG. Dort wird in dem ebenfalls durchgängig von „Arbeitnehmer“ bzw. „Arbeitsverhältnis“ gesprochen wird.
Der Arbeitnehmerbegriff des Sozialversicherungsrechts unterscheidet sich aber vom Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsrechts.
Den Bezugspunkt des Sozialversicherungsrechts bildet das sog. versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis. Geht man diesem Begriff auf den Grund, gelangt man über die Begriffsbestimmung in § 25 Abs. 1 SGB III zur zentralen Abgrenzungsnorm in § 7 Abs. 1 SGB IV: Eine versicherungspflichtige Beschäftigung erfordert nichtselbstständige Arbeit gegen Entgelt.
Bei Geschäftsführern bzw. Vorstandsmitgliedern richtet sich die Beurteilung nach der Beziehung zu den Gesellschaftern. Die in einigen Fällen gebotene unionsrechtskonforme Einordnung von Geschäftsführern als Arbeitnehmer spielt dabei keine Rolle.
Da zwischen dem Fremd-Geschäftsführer und den Gesellschaftern ein Weisungsverhältnis besteht, nimmt das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn an.
Die Rolle von Gesellschafter-Geschäftsführern beurteilt die Rechtsprechung nach den Gesellschafteranteilen. Nur wenn der Geschäftsführer Beschlüsse der Gesellschaft verhindern kann, sei es durch Sperrminorität oder eigene Mehrheit, übt er keine (sozial-) versicherungspflichtige Beschäftigung aus.
Der sozialversicherungsrechtliche Status von AG-Vorstandsmitgliedern ist nicht eindeutig geklärt. Vom Anwendungsbereich des KUG sind diese aber ausgenommen, da sie im Sinne des SGB III versicherungsfrei sind, vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III.
Es handelte sich im Fall des SG Speyer wohl um einen Fremd-Geschäftsführer, denn die Kammer sah keinen Zweifel an einem „die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis“.
Erheblicher Arbeitsausfall auch bei Geschäftsführertätigkeiten?
Die Argumentation der Arbeitsagentur zielte eher in eine andere Richtung. Diese könnte man salopp unter der Devise ‚Der Käpt’n geht nicht von Bord‘ zusammenfassen.
Der Gedanke erscheint zunächst nachvollziehbar: Wie soll ein Unternehmen der Tourismus- und Sportbranche aus der Krise kommen, wenn sich der Geschäftsführer nicht darum kümmert, neue Geschäftsfelder aufzutun? Denn: Wer KUG bezieht, muss in Kurzarbeit sein, erbringt also im Umfang der Kurzarbeit keine Arbeitsleistung.
So verständlich die Sorge sein mag, sie lässt sich nicht im Gesetz verankern.
Anknüpfungspunkt für die Ausnahme des Geschäftsführers vom KUG bietet allenfalls § 96 SGB III, der die erste Tatbestandsvoraussetzung des KUG konkretisiert, den erheblichen Arbeitsausfall.
Man könnte meinen, dass die Tätigkeit des Geschäftsführers per se nicht vom erheblichen Arbeitsausfall betroffen sein kann.
Der Arbeitsbegriff des § 96 SGB III bezieht sich nicht die Arbeitsleistung im Sinne des § 611a BGB. und auch nicht auf einzelne Tätigkeiten. Gemeint ist vielmehr die wirtschaftliche Betätigung als solche, also des gesamten Betriebs oder jedenfalls einer Betriebsabteilung. Zu dieser wirtschaftlichen Betätigung gehören die Aufgaben des Geschäftsführers genauso, wie die Aufgaben der Arbeitnehmer.
Das zeigt sich nicht nur an dem tatsächlichen Befund, dass sich manche (Geschäftsführer-) Tätigkeiten schon rein tatsächlich zeitweise nicht erbringen lassen. Auch Sinn und Struktur des KUG bestätigen die Leistungsberechtigung des Fremd-Geschäftsführers. Es bildet eine Versicherungsleistung bei Unterbeschäftigung. Ziel ist der Erhalt des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses. Genauso wenig, wie bei der Sozialversicherungspflicht zwischen Arbeitnehmer und Fremd-Geschäftsführer differenziert wird, ist hier zu differenzieren.
Kurzarbeitergeld für Geschäftsführer: In welcher Höhe?
Unterschiede ergeben sich zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsführung indes regelmäßig was die Höhe des KUG angeht. Die hängt nämlich von der Nettoentgeltdifferenz (§ 106 SGB III) ab, also davon, wie viel Arbeit ausgefallen ist. Selbst wenn der gesamte Betrieb stillsteht und sich alle Arbeitnehmer in Kurzarbeit Null befinden, ist es kaum vorstellbar, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit völlig einstellt.
Der Fremd-Geschäftsführer ist also grundsätzlich zum Bezug von KUG berechtigt. Hinsichtlich der Höhe kann aber nicht pauschal der Umfang der Kurzarbeit der übrigen Arbeitnehmer herangezogen werden.