Das ArbG Neumünster hatte am 03.08.2021 entschieden (3 Ca 362 b/21, vgl. dazu auch „Urlaub kann auch bei angeordneter Quarantäne gewährt werden“), dass eine Arbeitgeberin auch dann den beantragten Urlaub gewährt, wenn sich ihr Arbeitnehmer während des Urlaubs – ohne selbst infiziert zu sein – nur aufgrund eines Kontaktes mit einer an Covid-19 erkrankten Person in Quarantäne begeben muss. Diese Entscheidung ist nunmehr durch das LAG Schleswig-Holstein bestätigt worden (Urt. v. 15.02.2022 – 1 Sa 208/21; Pressemitteilung des LAG Schleswig-Holstein v. 21.03.2022; vgl. zum Thema auch “Keine Nachgewährung von Urlaubstagen bei Quarantäne wegen Coronainfektion” – LAG Köln).
Die Arbeitgeberin hatte dem klagenden Arbeitnehmer wie von ihm beantragt Urlaub für den 23. bis 31.12.2020 genehmigt. Danach ordnete das Gesundheitsamt für den Kläger für den Zeitraum 21.12.2020 bis 04.01.2021 Quarantäne an. Die Beklagte zahlte für die beantragte Zeit Urlaubsentgelt und rechnete die Tage auf den Urlaubsanspruch des Klägers an.
Nicht wirksam Urlaub gewährt?
Der Kläger ist der Auffassung, dass sein Urlaubsanspruch insoweit nicht erfüllt worden sei und nach wie vor bestehe. Die Arbeitgeberin habe ihm für Dezember 2020 nicht wirksam Urlaub gewährt. § 9 BUrlG sei zumindest analog anzuwenden. Es liege eine planwidrige und analogiefähige Regelungslücke vor. Die häusliche Quarantäne stelle einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte des Arbeitnehmers dar und sei mit den Einschränkungen bei „normaler Arbeitsunfähigkeit“ durchaus vergleichbar.
Dieser Argumentation ist das LAG ebenso wie bereits zuvor das ArbG nicht gefolgt. § 9 BUrlG ist nicht analog auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne anzuwenden. Eine Analogie erfordert sowohl eine planwidrige Lücke als auch eine vergleichbare Interessenlage.
Ständige Rechtsprechung des BAG
Es liegt schon keine planwidrige Lücke vor. Die Begrifflichkeiten, u.a. des Ansteckungsverdächtigen sind seit langem bekannt. Sie wurden aus dem BSeuchG in das Infektionsschutzgesetz übernommen. Das BAG vertritt durchgehend seit über 25 Jahren die Auffassung, dass eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG wegen seines Ausnahmecharakters nicht in Betracht kommt. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert und eine § 9 BUrlG entsprechende Regelung für den Fortbestand des Urlaubsanspruchs während eines Beschäftigungsverbotes im MuSchG eingefügt (§ 24 S. 2), nicht aber eine Regelung im Infektionsschutzgesetz. Die vom Kläger angeführte BGH-Entscheidung (30.11.1978 – III ZR 43/77) ist angesichts der ständigen Rechtsprechung des BAG überholt und hält gerade nicht fest, dass ein Arbeitnehmer, der seuchenrechtlich als „Ausscheider“, aber nicht „krank im Sinne des BUrlG“ eingestuft ist, generell seinen Urlaub nicht in Anspruch nehmen kann.
Absonderungsanordnung nicht mit AU während Urlaub gleichzusetzen
Auch ist der Fall der Absonderungsanordnung unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht mit der Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs gleichzusetzen. Vorgaben für den Arbeitnehmer, wie er seinen Urlaub zu verbringen hat, gibt es nicht. Wie der Arbeitnehmer sich erholt, bleibt ihm überlassen. Unter Umständen wird er durch eine Absonderung überhaupt nicht in der Verwirklichung seines Urlaubszwecks beeinträchtigt. Die analoge Anwendung von § 9 BUrlG kann aber nicht davon abhängen, wie ein Arbeitnehmer im konkreten Fall beabsichtigt, seinen Urlaub zu verbringen.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsfrage zugelassen worden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.