Das Thema
Er ist ein wahrer Dauerbrenner unter den Mythen des Arbeitsrechts, die in unseren Unternehmen kursieren. Mit schöner Regelmäßigkeit begegnet man ihm. Gern auch in der epidemischen Erscheinungsform der „Entleitungswelle“: Der Arbeitgeber erklärt, man habe viel zu viel Leitende Angestellte. Deshalb habe man sich entschlossen, die Zahl der Mitarbeiter mit Leitendenstatus zu verringern und dies sei eine nicht angreifbare Arbeitgeberentscheidung. Nur der Arbeitgeber wisse und entscheide, wer seiner Mitarbeiter den Status „leitend“ bekomme. Wirklich? Nun, behaupten kann man das ja mal. Nur leider wird diese Aussage auch durch ständiges Wiederholen nicht richtig. Aber der Reihe nach.
Es gibt keine „Ernennung“ zum Leitenden Angestellten
Wer Leitender Angestellter ist, ergibt sich zwingend und nicht verhandelbar aus § 5 Abs. 3 BetrVG, ergänzt durch eine Hilfestellung des Gesetzgebers in § 5 Abs. 4 BetrVG für Zweifelsfälle. Nicht zuletzt wegen einer etwas missglückten Formulierung des Gesetzgebers ist es ein weit verbreiteter Irrtum, der Arbeitgeber könne durch bloße Erklärung einen Mitarbeiter zum Leitenden Angestellten machen oder ihm den Status „leitend“ auch nach Belieben wieder entziehen. Der betriebsverfassungsrechtliche Status als Leitender Angestellter wird aber ausschließlich dadurch begründet, dass die Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 3, 4 BetrVG erfüllt sind. Eine bloße Willenserklärung des Arbeitgebers reicht dafür nicht aus.
Da die Regelung des § 5 Abs. 3 BetrVG wegen ihrer zwingenden Wirkung nicht disponibel ist, ist es auch nicht möglich, die Zuordnungsfrage durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Sprecherausschussvereinbarungen oder einzelvertraglich verbindlich zu entscheiden. Deshalb ist es für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung unerheblich, ob ein Arbeitnehmer in seinem Anstellungsvertrag oder in einer sonstigen Mitteilung durch den Arbeitgeber als Leitender Angestellter bezeichnet wird. Eine Besonderheit gilt dann, wenn der Anstellungsvertrag die Zusage enthält, der Mitarbeiter werde im Unternehmen „als Leitender Angestellter beschäftigt“. In diesem Fall hat der Angestellte einen vertraglichen Anspruch darauf, dass ihm Aufgaben zugewiesen werden, die für ihn den Status des Leitenden Angestellten begründen. Aber auch hier wird der Status erst mit der tatsächlichen Zuweisung der Aufgaben erreicht.
Und deshalb gibt es auch keine „Entleitung“
Kann man also nicht zum Leitenden Angestellten „ernannt“ werden, gilt dies umgekehrt auch für die sogenannte „Entleitung“. Eine entsprechende Erklärung des Arbeitgebers, dass der Status als Leitender Angestellter entzogen werde, ist betriebsverfassungsrechtlich irrelevant. Daher kann ein Leitender Angestellter diesen Status auch nur verlieren, wenn man ihm die Aufgaben, Funktionen und/oder Vollmachten zulässigerweise entzieht, die ihn nach Gesetz zum Leitenden Angestellten machen. In welchem Rahmen der Entzug möglich ist, richtet sich zum einen nach dem Arbeitsvertrag, insbesondere nach der Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers, darüber hinaus nach allgemeinem Arbeitsrecht und speziell auch nach Kündigungsschutzrecht, wenn der Arbeitgeber die Aufgaben des Mitarbeiters über eine Änderungskündigung anders gestalten will. Handelsrechtliche Vollmachten wie Prokura können aber jederzeit entzogen und erteilt werden. Eine Änderungskündigung, die lediglich den Entzug des Leitendenstatus zum Inhalt hätte, würde aber von vornherein ins Leere laufen und wäre rechtswidrig
Ebenso wenig kann ein Leitender Angestellter durch einseitige Erklärung auf den Leitendenstatus verzichten. Auch hier gilt, dass allein die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale in § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG maßgebend ist.
Und wenn der Arbeitgeber trotzdem „entleitet“?
Wie aber ist zu reagieren, wenn der Arbeitgeber trotz entgegenstehender Rechtslage die „Entleitung“ eines oder mehrerer Mitarbeiter verkündet?
Hier ist zunächst die Frage zu beantworten, ob es überhaupt erforderlich ist, auf diese im Rechtssinne unverbindliche Willensäußerung des Arbeitgebers zu reagieren. Die Fälle, in denen es unverzichtbar ist, den Leitendenstatus verbindlich zu klären, sind recht überschaubar.
Nun ist es sicherlich erforderlich, im Rahmen von Betriebsrats-, Sprecherausschuss- und Aufsichtsratswahlen zu wissen, wer auf die Wählerliste der Leitenden Angestellten gehört und wer nicht. Hier hat aber der Arbeitgeber ohnehin Neutralität zu wahren. Die Entscheidung über diese Zuordnungsfrage treffen ausschließlich die Wahlvorstände. Die in diesen Wahlverfahren vorgenommene Zuordnung ist jeweils nur für diesen einen Wahlgang maßgeblich. Über diesen Bereich hinaus wirken weder die Zuordnung noch die Eintragung in die Wählerliste präjudizierend oder konstituierend. Daher kann jemand durchaus auf der Wählerliste der nichtleitenden Mitarbeiter stehen und materiellrechtlich trotzdem Leitender Angestellter sein, weil die Überprüfung ergibt, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Ein solcher Mitarbeiter würde also nach den Wahlen vom Sprecherausschuss vertreten werden, auch wenn er ihn nicht mitwählen konnte.
Ebenso muss der Arbeitgeber vor einer beabsichtigten Kündigung wissen, ob es sich bei dem zu kündigenden Mitarbeiter um einen Leitenden Angestellten handelt. In diesem Fall müsste er nämlich vor Ausspruch der Kündigung den Sprecherausschuss anhören, während ansonsten der Betriebsrat anzuhören wäre. Dieses Problem lösen die Arbeitgeber heute inzwischen pragmatisch, indem sie in Zweifelsfällen sowohl Betriebsrat als auch Sprecherausschuss anhören. Auch insoweit muss zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend Rechtsklarheit hinsichtlich des betriebsverfassungsrechtlichen Status hergestellt werden.
Kritisch sind daher letztlich nur die Fälle, in denen an dem Leitendenstatus Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis hängen. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass nur in den seltensten Fällen der Anspruch unmittelbar mit dem Status „Leitender Angestellter“ verknüpft ist. Im Regelfall ist es vielmehr so, dass die Anspruchsgrundlage im Anstellungsvertrag oder in einer nachfolgenden Einzelzusage zu finden ist. In diesen Fällen ist es irrelevant, ob ein Mitarbeiter tatsächlich Leitender Angestellter ist. Nur dann, wenn die Zusage ausdrücklich besagt, dass der Anspruch nur Leitenden Angestellten zusteht und nur solange besteht, wie der Leitendenstatus ebenfalls gegeben ist, muss eine eventuell bestehende Meinungsverschiedenheit über den Status geklärt werden. Geschieht dies nicht einvernehmlich, kann dazu arbeitsgerichtliche Hilfe im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens in Anspruch genommen werden. Will man direkt über den Anspruch auf die in Frage stehende Leistung vor Gericht streiten, würde die Statusfrage inzident geklärt.
Leitendenstatus und Gehalt
In diesem Zusammenhang wird von Arbeitgebern immer wieder gern versucht, mit dem Verlust des Leitendenstatus zugleich eine Reduzierung des Gehalts, sei es beim Festgehalt oder auch beim variablen Teil der Vergütung, zu erreichen. Um es deutlich zu sagen: § 5 Abs. 3 BetrVG beinhaltet keinerlei Verknüpfung von Leitendenstatus und Gehaltshöhe. Ändert sich der Aufgabeninhalt des Mitarbeiters zumindest im Kernbereich nicht, besteht keinerlei Veranlassung, das Gehalt anzupassen. Ebensowenig hat der Arbeitgeber eine Handhabe zur Gehaltsreduzierung, wenn er lediglich die Funktionsbewertung, z.B. im Rahmen eines Grading-Verfahrens ändert. Diese rein subjektive Einschätzung des Arbeitgebers kann nicht die zuvor mit dem Mitarbeiter getroffene Einigung über die Gehaltshöhe beseitigen. Eine allein auf die Neubewertung der Funktion gestützte Änderungskündigung könnte daher mit Erfolg vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.
Will der Arbeitgeber das Ziel einer Gehaltsabsenkung gleichwohl erreichen, bleibt ihm nur der Weg, dem Mitarbeiter geringerwertigere Aufgaben zu übertragen, die das bisherige Gehalt nicht mehr rechtfertigen würden. Dazu kann er entweder mit dem Mitarbeiter einvernehmlich eine Änderung des Anstellungsvertrages vornehmen oder, falls der Mitarbeiter eine vertragswidrige Übertragung geringerwertiger Aufgaben ablehnt, den Weg einer Änderungskündigung beschreiten. Auch für eine Änderungskündigung müssen aber die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegen. Dieser wäre gegeben, wenn eine Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz oder auf dem bisherigen Niveau aus zwingenden Gründen nicht mehr möglich ist. Gerade in großen Unternehmen und Konzernen ist es für den Arbeitgeber oft schwierig, die Behauptung zu führen, dass gleichwertige Arbeitsplätze nicht vorhanden sind. Auch gegen eine solche Änderungskündigung könnte man sich bei derartigen Sachverhaltskonstellationen mit Erfolg wehren.
Strebt aber der Leitende Angestellte selbst einen Wechsel auf eine geringer bewertete Funktion an, z.B. um eine Beendigungskündigung oder auch eine Versetzung an einen anderen Standort zu vermeiden, wird im Regelfall gleichzeitig eine Gehaltsanpassung an die neue Funktion und damit eine Reduzierung der Vergütung erfolgen. Deshalb sollte ein solcher Schritt gut überlegt sein und nicht ohne arbeitsrechtliche Beratung erfolgen. Mit dem späteren Argument, man habe die Folge der Gehaltsreduzierung nicht rechtzeitig erkannt, wird man keinen Erfolg haben.
Betriebsrat oder Sprecherausschuss?
Neben den individualvertraglichen Bedingungen sollte man stets auch die betriebsverfassungsrechtliche Seite im Blick haben. Speziell für Leitende Angestellte ist zu beachten, dass es für die oben beschriebenen Fallgestaltungen häufig Regelungen in Sprecherausschuss-Vereinbarungen gibt, die bei entsprechender Abfassung der Vereinbarungen sogar zwingende und unmittelbare Wirkung für die Arbeitsverhältnisse der Leitenden haben, so dass ein Leitender Angestellter direkt aus solchen Vereinbarungen Rechtsansprüche ableiten kann. Für alle nichtleitenden Angestellten gelten dagegen die vom Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen. Im Zweifel ist allen Leitenden zu empfehlen, sich bei ihrem Sprecherausschuss nach dem aktuellen Stand solcher Vereinbarungen zu erkundigen.
Es würde Sinn und Zweck des Betriebsverfassungsrechts widersprechen, wenn der Arbeitgeber willkürlich darüber entscheiden könnte, ob ein Mitarbeiter vom Betriebsrat oder vom Sprecherausschuss vertreten wird. Betriebsverfassung nach Lust und Laune ist nicht der Standard unseres Arbeitsrechts. Geht es also darum festzustellen, ob ein Mitarbeiter Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung oder aus einer Sprecherausschussvereinbarung geltend machen kann, geht es nicht darum, Wünsche des Arbeitgebers zu erfüllen, sondern ausschließlich darum, ob die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale eines Leitenden Angestellten objektiv erfüllt sind oder nicht.
Hoffen wir, dass künftig weniger arbeitsrechtliche Mythen und mehr Rechtswahrheit und Rechtsklarheit in den Unternehmen gelten.

Vorstandsvorsitzender
DIE FÜHRUNGSKRÄFTE-DFK
Fragen an / Kontakt zum Autor? Die Autorenprofile in den sozialen Medien: Twitter, LinkedIn oder Xing.
Die EFAR-Buchempfehlung zum Thema: