Das Thema
Klagt ein Mitarbeiter nach einer unwirksamen Entlassung auf Annahmeverzugsentgelt, muss er sich das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Dies gilt nur, falls ihm die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war bzw. bekannt gemacht wurde. Wenn der Arbeitgeber erst später Stellenangebote vorträgt, die in der zurückliegenden Zeit der Arbeitslosigkeit auf Internetportalen gestanden haben sollen, ist das nicht ausreichend, um eine Kenntnis des Arbeitnehmers zu unterstellen und ein böswilliges Unterlassen zu belegen.
Der Sachverhalt
Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum von Juli 2021 bis August 2022. Das Unternehmen kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2021. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden war. Der Mitarbeiter bezog im Zeitraum von Juli 2021 bis August 2022 Arbeitslosengeld. Während des gesamten Zeitraums erhielt er von der Agentur für Arbeit kein Vermittlungsangebot. Grund war, dass er von Anfang an ihr gegenüber deutlich gemacht hatte, auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren zu wollen. Eigenständige Bemühungen zum Erhalt eines anderen Arbeitsplatzes unternahm er nicht.
Die Entscheidung
Das LAG Baden-Württemberg war der Auffassung, der Arbeitnehmer habe für den gesamten Zeitraum Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung und müsse sich kein böswilliges Unterlassen, eine andere zumutbare Arbeit anzunehmen, vorwerfen lassen (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.09.2024 – 4 Sa 10/24). Es bestünde zwar der Grundsatz, dass sich Beschäftigte auf das Entgelt, das ihnen der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schulde, das anrechnen lassen müssen, was sie hätten verdienen können, wenn sie es nicht böswillig unterlassen hätten, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Darlegungs- und Beweislast für das böswillige Unterlassen liege aber beim Unternehmen und sei abgestuft. Den Mitarbeiter träfe die Pflicht, sich zu den vom primär darlegungsbelasteten Arbeitgeber behaupteten Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu erklären, wenn dieser keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung habe. Dies könne dazu führen, dass der Arbeitnehmer auskunftspflichtig über die ihm von der Agentur für Arbeit unterbreiteten Vermittlungsangebote sei.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sei vorliegend kein böswilliges Unterlassen feststellbar. Dies gelte auch, obwohl sich der Kläger für Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit nicht interessiert habe. Denn von der erforderlichen Ursächlichkeit zwischen einem böswilligen Unterlassen und einem entgangenen anderweitigen Verdienst könne nur ausgegangen werden, wenn dem Mitarbeiter die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt gewesen sei oder ihm bekannt gemacht wurde. Das LAG teile die vom BAG in der Entscheidung vom 07.02.2024 (5 AZR 177/23) verschärften Anforderungen zulasten des Beschäftigten nicht. Obwohl dieser verpflichtet sei, aktiv Eigenbemühungen zu entfalten, müsse er nicht unermüdlich nach einer zumutbaren Tätigkeit suchen. Ließe man zu, dass das Unternehmen nachträglich Stellenangebote ins Verfahren einführe, die der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugszeitraums nie zu Gesicht bekommen hatte, sei der Grundsatz, dass er zumindest Kenntnis von den freien Stellen gehabt haben müsse, aufgegeben.
Was bedeutet das für die Praxis?
Arbeitgeber tragen die Beweislast dafür, dass während des Verzugszeitraums zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden und dem Mitarbeiter bekannt waren. Erstmals im gerichtlichen Verfahren präsentierte Stellenangebote, die während des Verzugszeitraums auf dem Internetportal der Agentur für Arbeit eingestellt waren, sind nach Auffassung des LAG nicht ausreichend, um ein böswilliges Unterlassen zu begründen. Die Entscheidung fügt sich damit nicht in die strengere Linie des BAG, das zuletzt eine erweiterte Darlegungspflicht von Beschäftigten annahm.
Das BAG hat die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg mittlerweile bestätigt und die Revision der Arbeitgeberin zurückgewiesen (Urt. v. 15.01.2025 – 5 AZR 273/24). Die Entscheidungsgründe samt der Abkehr von den erst zuletzt verschärften Vorgaben dürfen mit Spannung erwartet werden.
Fazit und Handlungsempfehlung
Unternehmen sind während des Verzugszeitraums gut beraten, geeignete Stellenangebote aktiv an den Arbeitnehmer zu kommunizieren, sofern vorhanden. Je zielgenauer die Stellenangebote zum Gekündigten passen, desto erfolgversprechender kann das Kostenrisiko im Kündigungsschutzverfahren reduziert und der Bewerbungsdruck auf den Mitarbeiter erhöht werden.