Das Thema
Flexible Arbeitsformen gewinnen zunehmend an Bedeutung und beeinflussen das Arbeitsleben nicht nur im Verlauf der Corona Pandemie. Mit Hilfe mobiler Endgeräte können viele berufliche Tätigkeiten ortsunabhängig erbracht werden. Dabei trägt mobile Arbeit dazu bei, dass Arbeitnehmer Beruf und Privatleben besser vereinbaren können. Mobiles Arbeiten kann die Motivation und die Arbeitszufriedenheit erhöhen. Sie kann so zu Produktivitätssteigerungen beitragen sowie Pendelzeiten reduzieren.
Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass mobile Arbeit durch Schaffung eines rechtlichen Rahmens gefördert und erleichtert werden soll. Nachdem Anfang Oktober ein erster Entwurf einer gesetzlichen Regelung sofort zurückgewiesen wurde, ging ein zweiter Entwurf Ende letzten Jahres in die Abstimmung innerhalb der Regierung. Der nunmehr neue Referentenentwurf vom 14.01.2021 wurde unlängst vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht. Da in diesem ein (Rechts-)Anspruch auf mobiles Arbeiten aufgegeben wurde, scheint die Durchsetzungsfähigkeit dieses Entwurfes nun innerhalb der Ressortabstimmung in Berlin höher. Mit anderen Worten: Ein Blick auf die vorgeschlagenen Regelungen lohnt sich.
Die Regelungen zu mobilen Arbeiten sollen in die Gewerbeordnung (GwO) aufgenommen werden. Eine Mindestbetriebszugehörigkeit für die Anwendung der gesetzlichen Regelungen ist nicht vorgesehen, ebenso fehlen Schwellenwerte für kleine und mittlere Betriebe.
Die wesentlichen Inhalte: Definition mobiles Arbeiten
Nach dem neuen Referentenentwurf arbeitet ein Arbeitnehmer mobil, wenn die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informationstechnologie außerhalb der Betriebsstätte (i) von einem oder mehreren Ort(en) nach Wahl des Arbeitnehmers oder (ii) von einem oder mehreren mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort(en) erbracht wird.
Erfasst werden damit sowohl Vereinbarungen, die es dem Arbeitnehmer ermöglichen, seinen Arbeitsort selbst zu wählen oder spontan den Arbeitsort zu wechseln, als auch Vereinbarungen, die einen bestimmten Arbeitsort für die mobile Arbeit vorsehen, insbesondere Regelungen über mobile Arbeit ausschließlich im Homeoffice. Ob ein solches mobiles Arbeiten räumlich nur auf Deutschland oder auf das Ausland zu beziehen ist, wird auch nicht in der Gesetzesbegründung deutlich.
Die Definition stellt klar, dass Tätigkeiten, die eine berufsbedingte Mobilität voraussetzen und nicht unter Verwendung von Informationstechnologie ausgeübt werden können (beispielsweise Monteurs- oder Fahrttätigkeiten), nicht unter dem Begriff der mobilen Arbeit nach dieser Regelung fallen.
Nach der Gesetzesbegründung ist zwischen der anlassbezogenen und der regelmäßigen mobilen Arbeit zu unterscheiden. Das MAG beziehe sich ausschließlich auf die regelmäßige d.h. planmäßig wiederkehrende mobile Arbeit, wie z.B. einmal oder mehrfach in der Woche oder zweimal im Monat einen bestimmten Wochentag. Dabei komme es nicht darauf an, ob regelmäßig ganztags oder nur stundenweise mobil gearbeitet wird. Wie in der Praxis eine regelmäßige mobile Arbeit (zweimal im Monat) und anlassbezogene mobile Arbeit (zweimal im Monat) unterschieden werden sollen – insbesondere wann aus einer wiederkehrenden anlassbezogenen mobilen Arbeit eine regelmäßige mobile Arbeit wird – lässt der Gesetzesentwurf offen.
Kein Rechtsanspruch, aber Erörterungspflicht!
Das Kernstück des ersten Entwurfs, ein Rechtsanspruch auf 24 Tage mobile Arbeit pro Jahr, ist im aktuellen Entwurf einer Erörterungspflicht gewichen.
„Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, der oder die regelmäßig mobil arbeiten möchte, muss dem Arbeitgeber Beginn, Dauer, Umfang und Verteilung der mobilen Arbeit spätestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn in Textform mitteilen.“
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen die Möglichkeiten erörtern und möglichst eine Vereinbarung erzielen. Eine Erörterung in diesem Sinne liegt vor, wenn sich der Arbeitgeber mit dem angezeigten Wunsch, mobil zu arbeiten, einzelfallbezogen auseinandersetzt und der Arbeitnehmer die Gelegenheit hat, den Wunsch näher zu erläutern. Bei dem Abschluss der Vereinbarung sind die Vertragsparteien selbstverständlich nicht an die mitgeteilten Wünsche des Arbeitnehmers gebunden.
Ob eine solche Erörterung mündlich oder schriftlich zu erfolgen hat, regelt der Entwurf nicht. Arbeitgebern ist wohl zu raten eine erfolgte Erörterung jedenfalls nachweisen zu können. Sofern eine Erörterung nicht zustande kommt, sollte der Arbeitgeber die Versuche nach einer Terminfindung oder sonstige Kommunikationsaufnahme zu den Personalakten nehmen. Der Organisationsaufwand eines Betriebes wird so leider unverhältnismäßig aufgebläht und dieser wird von seiner eigentlichen Produktionsleistung abgehalten.
Unterlässt der Arbeitgeber die Erörterungspflicht oder kann eine solche nicht nachweisen, tritt eine gesetzliche Fiktion ein und mit ihr eine Menge weiterer offener Praxisfragen.
Gesetzliche Fiktion führt zu vielen Fragen
Unterlässt der Arbeitgeber die Erörterung- oder Ablehnungsbegründungspflicht (hierzu unter (4)), tritt eine gesetzliche Fiktion ein und die mobile Arbeit gilt entsprechend der Wünsche des Arbeitnehmers für die Dauer von maximal sechs Monate als festgelegt. Unter Umständen wäre der Arbeitnehmer bei der Wahl seines Arbeitsortes völlig frei, sodass der Arbeitgeber möglicherweise hinnehmen müsste, dass dieser mit vertraulichen Informationen an hierzu ungeeigneten Orten arbeitet.
Neben den Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers, werfen auch die Fürsorgepflichten weitere Praxisfragen auf. Denn es obliegt dem Arbeitgeber, für eine sichere Arbeitsumgebung zu sorgen. Kann der Arbeitgeber jedoch – nach Ablauf der gesetzlichen Frist – nicht mehr über den Ort der Tätigkeitserbringung bestimmen, ist fraglich wie er seiner Verantwortung gegenüber dem Arbeitsschutz nachkommen soll.
Schließlich stellt sich darüber hinaus die Frage der Kostentragung, nicht ausschließlich aber insbesondere im Falle einer Fiktion. Der Gesetzesentwurf enthält keinerlei Regelung zur Ausstattung des Arbeitsplatzes bei mobiler Arbeit. Die strittigen Fragen, ob und inwieweit die Kosten der mobilen Arbeit erstattet werden müssen oder mit dem Gehalt abgegolten sein können, bleiben ebenfalls offen.
Ablehnung der Mobilarbeit
Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht, muss der Arbeitgeber seine ablehnende Entscheidung innerhalb von zwei Monaten – nach der Mitteilung des Arbeitnehmers über seinen Wunsch mobil zu arbeiten – in Textform und unter Angabe von Gründen erklären. Anforderungen an die Ablehnungsgründe werden nach dem Gesetzeswortlaut jedoch nicht gestellt.
Auch bleibt offen, wie ausführlich der Arbeitgeber seine Ablehnung begründen muss. Dadurch stellt sich die Frage, ob es ausreichend ist, wenn der Arbeitgeber per E-Mail den Wunsch des Arbeitnehmers aus „betrieblichen Gründen“ ablehnen würde. Nach der Gesetzesbegründung dürfen diese nicht sachfremd oder willkürlich sein. Insbesondere das Kriterium „sachfremd“ könnte dazu führen, dass die Arbeitsgerichte eine Rechtfertigung der Ablehnungsgründe dann doch inhaltlich überprüfen werden. Folglich wäre nicht nur eine gründliche Begründung des Arbeitgebers notwendig. Es stellt sich darüber hinaus auch die Frage, ob nicht indirekt doch ein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten geschaffen wird.
Lehnt der Arbeitgeber den Wunsch des Arbeitnehmers, mobil zu arbeiten, form- und fristgerecht ab, kann der Arbeitnehmer frühestens vier Monate nach Ablehnung einen neuen Antrag stellen. Unterlässt er jedoch die Ablehnungsbegründungspflicht, tritt die oben benannte gesetzliche Fiktion mit all ihren offenen Fragen in Kraft.
Kündigungsmöglichkeiten
Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beendigung der mobilen Arbeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats in Textform erklären. Die Kündigungsmöglichkeit soll jedoch frühestens zum Ende des sechsten Kalendermonats seit Beginn der mobilen Arbeit bestehen. Das Vorliegen von Kündigungsgründen wird in dem Gesetzesentwurf nicht verlangt.
Auch wenn die Kündigung der mobilen Arbeit keinerlei Kündigungsgründe bedarf, bleibt die Frage nach einem außerordentlichen Kündigungsrecht aufgrund eines wichtigen Grundes offen. Der Gesetzesentwurf sieht lediglich ein ordentliches Kündigungsrecht mit einer Frist von drei Monaten vor. Nach der Gesetzesbegründung soll § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) unberührt bleiben. Doch diese ist nur unter sehr engen Voraussetzungen anwendbar und daher eher selten als Beendigungsgrund anzuführen.
Verpflichtende Arbeitszeiterfassung
Der Arbeitgeber ist verpflichtet die gesamte Arbeitszeit täglich vollständig zu erfassen, wenn Arbeitnehmer regelmäßig mobil arbeiten. Warum die gesamte Arbeitszeit hier aufzuzeichnen ist, nicht nur der mobil geleistete Teil und/oder nicht nur die Arbeitszeit an Tagen, an dem vollständig oder teilweise mobil gearbeitet wird, ist nicht nachvollziehbar. § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG wird dahingehend abgewandelt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, Beginn, Ende und Dauer der gesamten Arbeitszeit am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnungspflicht soll dazu dienen, die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und der wöchentlichen Mindestruhezeiten sicherzustellen.
Die Aufzeichnung kann auch durch den Arbeitnehmer erfolgen, der Arbeitgeber bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich. Ferner hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren und eine Kopie der Arbeitszeitnachweise auszuhändigen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 30.000 belegt werden, wobei die in Bezug genommene Vorschrift aus dem Arbeitszeitgesetz nur zu einem Bußgeld in Höhe von EUR 15.000 führen kann.
Der neue Referentenentwurf verzichtet daher zwar auf das Erfordernis einer digitalen Zeiterfassung, die im ersten Entwurf noch enthalten war. Inwiefern diese Regelung vor dem Hintergrund der EuGH Rechtsprechung (v. 14.5.2019, C-55/18) aber nicht in kürzester Zeit wieder obsolet werden wird (oder bereits ist), bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist der Gesetzgeber weiterhin aufgefordert, eine generelle Regelung zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit zu schaffen. Einige Gerichte sind bereits jetzt der Auffassung, dass auch ohne Tätigwerden des Gesetzgebers eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht.
Unfallversicherung wird ausgeweitet
Wie bereits vom Bundesministerium für Arbeit und Sozial angekündigt, sollen Arbeitnehmer, die im eigenen Haushalt oder an einem anderen Ort außerhalb der Betriebsstätte arbeiten, im gleichen Umfang dem Versicherungsschutz unterfallen wie bei Ausübung ihrer Tätigkeit in der Betriebsstätte. Insbesondere wird nach dem Gesetzesentwurf auch das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von Kinderbetreuungseinrichtungen erfasst, wenn die Tätigkeit in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Kind ausgeübt wird. Diese Versicherungslücken wurde zuletzt immer wieder scharf kritisiert, nachdem das Bundessozialgericht (v. 30.1.2020, B 2 U 19\18R) den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz für Arbeitnehmer im Home-Office ablehnte, wenn diese ihre Kinder zur Kindertagesstätte gebracht haben.
Gefährdungsbeurteilung und Unterweisungen
Die Regelungen des Arbeitsschutzes bleiben von dem neuen Gesetzesentwurf unberührt. Nach den allgemeinen Regeln hat der Arbeitgeber insbesondere die bei der mobilen Arbeit auftretenden Gefährdungen zu beurteilen und Schutzmaßnahmen festzulegen. Hierzu gehört nach der Gesetzesbegründung insbesondere eine Unterweisung. Der Gesetzesentwurf verpasst es leider, offene Praxisfragen und damit die Ungewissheit vieler Arbeitgeber zu beantworten. Dies ist vor allem die Frage nach der Verantwortung des Arbeitgebers, wenn dieser noch nicht einmal weiß, wo und unter welchen Bedingungen sein Arbeitnehmer arbeitet. Insbesondere ungeklärt und umstritten bleibt auch die arbeitsschutzrechtliche Abgrenzung zwischen Telearbeit und Homeoffice
Fazit: Nicht nur geplante Erörterungspflicht wirft Fragen auf
Es ist erfreulich, dass im aktuellen Entwurf ein Anspruch auf mobile Arbeit aufgegeben wurde. Jedoch führt nicht nur die Erörterungspflicht, sondern insbesondere auch die gesetzliche Fiktion, neben einem hohen Verwaltungsaufwand, auch zu weiteren Rechtsunsicherheiten.
Ferner bestehen weiterhin zahlreiche (auch neue) Praxisprobleme. Eine Kostentragungspflicht wurde nicht geregelt, auch Fragen zum Arbeitsschutz bleiben weiterhin offen.
Schließlich ist nicht ersichtlich, warum Arbeitnehmer, die zweimal monatlich mobil arbeiten, ihre gesamte Arbeitszeit erfassen sollen, andere Arbeitnehmer – ohne Mobilarbeit – trotz Rechtsprechung des EuGH jedoch nicht.