Das Thema
Nachhaltigkeit ist das Buzzword der Stunde, auch in Personalabteilungen. Arbeitgeber sollten jedoch auf dem Schirm haben, dass sie nicht im Alleingang handeln können. In diesen drei Bereichen haben die Mitarbeitervertretungen beim Thema ESG (Environmental Social Governance – zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) mehr als ein Wörtchen mitzureden.
Was bedeutet ESG?
Unter dem Stichwort „ESG“ werden Kriterien verstanden, mit welchen unter anderem der Stellenwert der ökologischen und sozialen Führung bewertet werden kann. Unter „E“ fallen typischerweise Umweltschutzthemen, während unter „S“ soziale Themen, also faire Arbeitsbedingungen und Menschenrechte und unter „G“ die Unternehmens-Compliance und Offenlegungspflichten, aber auch Aspekte der Manager-Vergütung beschrieben werden.
Auch den Gesetzgeber treibt das Thema an, sodass in den letzten Jahren mehrere Gesetze und Rechtsverordnungen zum Thema ESG ergangen sind, die nun von Unternehmen umgesetzt werden müssen. So gilt seit dem 10. März 2021 die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor. Am 11. Juni 2021 wiederum hat der Bundestag das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet, das ESG-Gesichtspunkte nun ein für alle Mal zum wichtigen Thema über alle Industrien hinweg gemacht hat.
Für die Personalabteilung sind insbesondere drei Themen entscheidend, faire Arbeitsbedingungen im Allgemeinen, die unternehmensbezogene Mitbestimmung sowie die betriebliche Mitbestimmung.
Faire Arbeit
Faire Arbeitsbedingungen gehören zu den klassischen Themen im Bereich HR, auch wenn sie durch das Thema ESG stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind. Durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind nun auch einige Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zum in Deutschland geltenden Recht geworden. Generell betreffen den Bereich fairer Arbeitsbedingungen jedoch nicht nur Mindestarbeitsbedingungen, sondern auch Arbeits- und Gesundheitsschutz, betriebliche Mitbestimmung, Koalitionsfreiheit, Diversität und Inklusion.
Unternehmensbezogene Mitbestimmung
Zu allererst ist ESG ein Kernbestandteil der Unternehmensstrategie und -politik. Bei Unternehmen mit einem mitbestimmten Aufsichtsrat wirken etwa die Arbeitnehmervertreter an der ESG-Ausrichtung mit. Richtigerweise sind die Fragen der nachhaltigen Unternehmensführung auch beim Aufsichtsrat wegen dessen Kontroll- und Überwachungsfunktion der Geschäftsführung zu verorten. Die Ausrichtung an ESG-Kriterien stellt in aller Regel eine grundlegende und damit beratungspflichtige Maßnahme aufgrund der Auswirkungen auf die Planung, Organisation und Leitung eines Unternehmens dar.
Leitplanken betrieblicher Mitbestimmung
Die Ebene der unternehmensbezogenen Mitbestimmung ist mit der betrieblichen Mitbestimmung, also den Rechten des Betriebsrats verschränkt. Während faire Arbeitsbedingungen inklusive des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Belegschaft als soziale Themen seit jeher im Fokus der betrieblichen Mitbestimmung stehen, so sind auch Maßnahmen zum Umweltschutz nicht frei von betrieblicher Mitbestimmung.
Jüngst wurde ein in der Reichweite eingeschränktes Informationsrecht für den Wirtschaftsausschuss in § 106 Abs. 3 Nr. 5a Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zum betrieblichen Umweltschutz eingeführt. Hinzu kommen bereits bestehende Rechte des Betriebsrates, die in der Praxis zwar bisher kaum eine Rolle gespielt haben, in Zukunft jedoch aufgrund der starken Fokussierung der Öffentlichkeit auf das Thema ebenfalls stärker vom Betriebsrat in Anspruch genommen werden könnten. Zu denken ist an die Überwachungsfunktion des Betriebsrates zum Thema betrieblicher Umweltschutz gemäß § 89 BetrVG sowie weitreichende Informationsansprüche zum betrieblichen Umweltschutz. Kommt es im Zuge einer Neuausrichtung von Geschäftsfeldern zu Umstrukturierungen, so ist klassischerweise auch hier der Betriebsrat zu beteiligen. Ein weiteres Beispiel: Bei Incentivierung von Mitarbeitern bezüglich ESG-Zielen ist der Betriebsrats ebenfalls einzubeziehen – wir berichteten in diesem Kontext bereits. Schließlich ist ob der politischen und gesellschaftlichen Dimension des Themas auch an freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG zu denken.
Unser Rat: Bei einem ESG-Umsetzungsprojekt sollte nach Abschluss der Planungsphase und Prüfung der betrieblichen Auswirkungen je nach einschlägigem Mitbestimmungstatbestand der zuständige (Konzern-/Gesamt-)Betriebsrat frühzeitig eingebunden werden, auch wenn es sich nicht um die klassischen Themen der betrieblichen Mitbestimmung handelt.
Fazit: Vielfältige Mitbestimmungsrechte, wenn auch nicht formalrechtlich geregelt
Die unternehmensstrategische und -politische Dimension von ESG ist formalrechtlich kein Thema der betrieblichen Mitbestimmung. Daran ändern auch die jüngst eingeführten neuen Mitbestimmungstatbestände des Wirtschaftsausschusses zum betrieblichen Umweltschutz wenig.
Der Betriebsrat wird aber in aller Regel bei der betrieblichen Umsetzung von ESG-Zielen zu beteiligen sein. Hier bestehen vielfältige Mitbestimmungsrechte, die im Zuge eines Umsetzungsprojekts geprüft werden müssen, um Verzögerungen oder Kostensteigerungen zu vermeiden.
Mit Blick auf die hohe gesellschaftliche Wahrnehmung des Klimawandels und des sich steigernden Umweltbewusstsein müssen Unternehmen das Thema ESG aktiv und gegebenenfalls proaktiv etwa unter Einbeziehung von Umweltverbänden angehen. Ohne Zweifel gewinnen Nachhaltigkeitsfragen zunehmend mediale Aufmerksamkeit – mit all den damit verknüpften Risiken für Unternehmen. Schon aus diesen Gründen müssen die arbeitsrechts-bezogenen ESG-Themen frühzeitig geprüft und gelöst werden.